Essen. Der neue „Tribute von Panem“ hat Stärken, aber noch viel mehr Schwächen. Zum Glück locken noch mehr Filme ins Kino. Die Neustarts im Überblick.

Wer Blockbuster-Kino mag, sollte sich eine Eintrittskarte für, „Tribute von Panem - The Ballad of Songbirds & Snakes“ besorgen. Bei „Cat Person“ – eine emotionale Achterbahnfahrt! – rätselt das Publikum, in welche Genre-Schublade es das Gesehene stecken soll. Die „Bologna-Entführung“ greift ein spannendes Thema auf, setzt es aber nur recht mau um. Und „Krähen“ punktet mit hohem Unterhaltungswert – wenn nur das ewige Gequatsche nicht wäre. Auf dieser Seite gibt’s die Kino-Starts der Woche im Überblick.

„Die Tribute von Panem“

Erfolgsbedingt kehren die „Tribute von Panem“ nach acht Jahren ins Kino zurück, mit einem neuen Prequel: „The Ballad of Songbirds & Snakes“ rückt Coriolanus Snow, den tyrannischen Präsidenten von Panem in den Mittelpunkt. Der junge Snow, wie dieser Film ihn 64 Jahre vor dem bereits bekannten Geschehen zeigt, war mitfühlend und schien auf der Seite der Guten zu stehen. Der 18-jährige Coriolanus (offen und doch markant: Tom Blyth) betreut Lucy Gray Baird, die ihren Distrikt 12 bei den Hunger Games vertritt. Die Kulisse für diesen verarmten Distrikt 12 gab übrigens der Duisburger Landschaftspark-Nord ab, für den Film fangen die Schlote des alten Hüttenwerks sogar wieder an zu qualmen. Vor allem im letzten Drittel des Films ist das zu sehen, für die eigentlichen Hunger Games diente die Jahrhunderthalle von Breslau als Kulisse.

„The Hunger Games: The Ballad of Songbirds and Snakes“ mit Rachel Zegler als Lucy Gray Baird.
„The Hunger Games: The Ballad of Songbirds and Snakes“ mit Rachel Zegler als Lucy Gray Baird. © Courtesy of Lionsgate | Courtesy of Lionsgate

Es ist am Ende aber der Film der jungen Rachel Zegler, die mit der „West Side Story“-Neuverfilmung von Steven Spielberg in Hollywood einschlug. Und die mit ihrer Sing-Stimme auch hier noch einmal mehr überzeugt als mit ihrer zwangsläufig nicht sehr differenzierten Rollenauffassung. Neben ihr macht Coriolanus Snow wegweisende Erfahrungen mit Macht und Besitz, aber weder das noch die spektakulären Massenszenen rechtfertigen die Länge von 157 Minuten.

„Cat Person“

Im Kino lernen sie sich kennen. Margot, Studentin, 20, steht an der Kasse. Robert, 34 und schüchtern, schaut sich gern alte Filme an. Die beiden kommen sich langsam näher. Nach dem ersten Beischlaf aber nehmen die Dinge einen Verlauf, der für beide nicht absehbar war.

Emilia Jones und Nicholas Braun in „Cat Person“.
Emilia Jones und Nicholas Braun in „Cat Person“. © Studiocanal

Die zweite Regiearbeit (nach der schlechten Agentenkomödie „Bad Spies“) der vor allem bei Serienprojekten beschäftigten Filmautorin Susanna Fogel hält eine emotionale Achterbahn bereit, deren Handlungskurven und -erschütterungen wir nicht verraten wollen. Der Film ist nicht so ganz durchkonstruiert, er schwankt bedenklich zwischen romantischer Lovestory, abgebrühter Geschlechterkomödie und bitterbösem Drama. Aber Emilia Jones und Nicholas Braun sind ein charismatisches Pärchen im Zentrum, und der Soundtrack hält selten gehörte Songs wie „Boys and Girls Together“ von The Mamas & The Papas in superber Surroundmischung bereit. Kein Film für alle Fälle, aber auf alle Fälle mal was Anderes.

„Die Bologna-Entführung“

Unfassbar, was sich am Abend des 23. Juni 1858 in Bologna ereignet: Polizisten des römischen Kirchenstaates dringen in das Haus der jüdischen Familie Mortara ein und fordern die Herausgabe des sechsjährigen Sohnes Edgardo. Das Kind sei christlich getauft und unterstehe somit der Gewalt der katholischen Kirche. Edgardo wird in ein Katechumenen-Institut verschleppt, wo er zum Priester heranreift. Seine Familie mobilisiert die internationale jüdische Gemeinde, aber Papst Pius IX. bleibt hart.

Enea Sala als Edgardo Mortara in dem Film „Die Bologna-Entfuehrung – Geraubt im Namen des Papstes“.
Enea Sala als Edgardo Mortara in dem Film „Die Bologna-Entfuehrung – Geraubt im Namen des Papstes“. © epd | Anna Camerlingo

Nach einem historischen Fall, der nicht ohne Einfluss auf das Ende des Kirchenstaates blieb, inszenierte Regieveteran Marco Bellocchio („Teufel im Leib“, „Il Traditore“) ein Kostümdrama, das in seiner distanzierten Erzähl- und Gestaltungsweise weder Historienthriller noch Dokudrama ist. Paolo Pierobon als letzter Papst mit weltlicher Machtbefugnis kann als Filmschurke mit verschlagenem Lächeln und Speichel im Mundwinkel für bleibende Momente sorgen. Und wenn er dem kleinen Edgardo beim Versteckspiel Schutz unter dem Papstmantel gewährt, ist das ein ebenso klarer wie plumper Verweis auf Machtmissbrauch auch in höchsten Kirchenkreisen. Die meiste Zeit aber bleibt der Film eine eher akademisch anmutende Geschichtsstunde im TV-Stil der 80er-Jahre.

„Krähen“

Auf dem Prater-Riesenrad: Szene aus der „Krähen“-Doku von Martin Schilt.
Auf dem Prater-Riesenrad: Szene aus der „Krähen“-Doku von Martin Schilt. © Lucky Film

Es beginnt als Zeichentrickfilm mit bedeutungsschweren Sentenzen aus der Schublade für mystisch getränkte Poesie. Dann aber findet der neue Film des Schweizers Martin Schilt doch zu seiner Bestimmung und entwickelt fortan einen dokumentarischen Spirit, dem auch der bisweilen arg geschwätzige Kommentar (in der deutschen Fassung eingesprochen von Elke Heidenreich) nur wenig anhaben kann.

Der Film bedient sich einer Erzähltechnik, bei der sich aus kleinen Beobachtungen größere Zusammenhänge von faszinierender Tragweite ergeben. Und je weniger die Bilder zerquatscht werden, desto besser vereint sich der Lerneffekt mit einem enormen Unterhaltungswert. Die Impressionen von Raben in Parks oder auf Straßen und immer unter Menschen erreichen fast das Niveau von Hitchcocks Vogelparanoia. Und nicht vergessen: Niemals Kleiderbügel liegen lassen.

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