Düsseldorf. Während Mischa Kuballs „missing link_“ enthüllt wird, erlebt die Gesellschaft einen neuen Antisemitismus. Was es mit dem Kunstwerk auf sich hat.
Vor 85 Jahren, am 9. November 1938, brannte auch die Synagoge in Düsseldorf. Ein stolzer Prachtbau mit Türmen und Rosette, 1904 im neoromanischen Stil erbaut. Die Silhouette der selbstbewussten, für die Jahrhundertwende typischen Architektur leuchtet jetzt allabendlich auf – durch die Lichtinstallation „missing link_“ von Mischa Kuball. Und „beleuchtet ein dunkles Kapitel unserer Stadt,“ sagt Düsseldorfs OB Stephan Keller (CDU).
Die etwa zehn Meter hohe weiße Leinwand aus durchlässigem Kunststoff ist an einem Metallgerüst befestigt. Zu sehen sind die Umrisse des jüdischen Sakralbaus – direkt vor der weißlichen Fassade des schlank hochwachsenden Turm-Gebäudes, das vor 40 Jahren an diesem Platz als Verlagshaus errichtet wurde. Da die LED-Lichtquelle an die Innenstadt-Straßenbeleuchtung gekoppelt wird, ist die mahnende, aber durchsichtige Installation die ganze Nacht durch zu sehen.
„missing link_“ von Mischa Kuball ist die ganze Nacht zu sehen
Das Bauwerk mit einem kleinen Davidstern auf der Turmspitze wird nur durch Licht sichtbar gemacht und bleibt ein flüchtiger Hinweis auf das Flammeninferno von 1938. Eindeutig zuzuordnen ist die Abbildung, weil sie über einer Gedenkplatte und dem Bronze-Mahnmal des Bildhauers Thomas Fürst schwebt. Deutlich sichtbar – direkt an der stark befahrenen Straße aus dem Zentrum in Richtung Düsseldorfer Süden.
Die Idee zu dieser eindrucksvollen Licht-Skulptur entstand etwa vor einem Jahr, als weder Stadtspitze noch Mischa Kuball ahnen konnten, wie brisant das Thema Antisemitismus bei der Einweihung sein würde. „Seit dem 7. Oktober ist jüdisches Leben in Gefahr. Antisemitismus kommt wieder im öffentlichen Raum vor“, warnt Bernd Römgens von Düsseldorfs Jüdischer Gemeinde. Deshalb freut er sich, dass durch Kuballs Kunstwerk „die Synagoge visuell zurückgeholt und jüdisches Leben wieder sichtbar wird.“ So wie früher, vor dem Nazi-Terror, als jüdisches Leben fester Bestandteil der Stadtkultur war. Zwar waren nach dem zweiten Weltkrieg nur noch 57 Mitglieder hier. Doch die Jüdische Gemeinde ist heute mit circa 7000 Mitgliedern die drittgrößte der Bundesrepublik (nach Frankfurt und München).
Mischa Kuballs „missing link_“ ist zunächst bis März 2024 zu sehen
Zunächst bis März 2024 soll die Skulptur des vielseitigen Konzept- und Lichtkünstlers (auch Professor für Public Art an der Medienhochschule Köln) zu sehen sein. Ob „missing link_“ (fehlendes Bindeglied zwischen den benachbarten Gebäuden) danach ein fester Bestandteil städtischer Erinnerungskultur an die Pogromnacht 1938 wird? Das hängt davon ab, so Kuball, „ob es uns gelingt, an der Ecke Kasernenstraße / Siegfried-Klein-Straße genügend Aufmerksamkeit zu wecken.“
Infos zur Synagoge gibt es über einen QR-Code an der Skulptur.