Essen. Neu im Kino: In der Doku „Anselm – Das Rauschen der Zeit“ porträtiert Wim Wenders den Maler und Bildhauer. Ein Fehlversuch, aus mehreren Gründen.

Das Künstlerdasein ist ein einsames. Daran wird wenig zu deuteln sein, denn wer die Welt aus seinem Innern heraus gestaltet, wird um Phasen der seelischen Einkehr kaum herumkommen. Wer dabei aber zu den international gefragtesten Künstlern gehört, könnte sich etwa auch mit der Frage auseinandersetzen, ob ideeller und kommerzieller Erfolg Einfluss auf die künstlerische Arbeit nehmen.

Ein Film als Wertschätzung unter Freunden

Anselm Kiefer, weltweit gefeierter Maler und Bildhauer, geboren 1945 in Donaueschingen, Meisterschüler bei Joseph Beuys in Düsseldorf, seit 2018 österreichischer Staatsbürger, teilt eine Jahrzehnte währende Freundschaft mit dem nicht minder hoch prämierten Filmautoren Wim Wenders. Und der hat nun Kiefer mit einem Film seine Wertschätzung versichert.

Es gibt keinen Grund, warum ein Porträtierender keine Sympathie für den Porträtierten bezeugen sollte. Der Punkt ist, wie weit sich dadurch der Blickwinkel einengt. Oder anders gesagt: Wenn jemand zu viel über ein Thema weiß, kann es passieren, dass entsprechend viel beim Publikum vorausgesetzt wird.

Eine persönliche Annäherung an Anselm Kiefer

Aber Wenders wollte eben keinen Lehrfilm über Anselm Kiefer drehen. Keine Analyse von Werk und Marktgeschehen, sondern eine persönliche Annäherung an den Mann und sein Werk. Darauf kann man sich einlassen und angeregt werden, sich tiefer mit Kiefer zu beschäftigen, oder eben nicht. Dann verlässt man den Film nur marginal schlauer als vorher.

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Bleiben die formalen Aspekte. Was hat Wenders als wichtig erachtet? Man sieht Kiefer tonnenschwere Materialien bearbeiten, flüssiges Metall vergießen. Wozu dieses Material und zu welchem Effekt: Fehlanzeige. Warum überhaupt in so großem Maßstab arbeiten? Unbeantwortet. Und wie viel man für eine Kiefer-Skulptur auslegen müsste? Ein Mann fürs triviale Dokumentarische ist Wenders nicht.

Erst am Ende gelingt ein starkes, persönliches Bild

Wenders drehte auch diesen Film in 3D-Optik, weil ihn der Blick in die Tiefe interessiert. Da aber das menschliche Auge jenseits einer Distanz von zehn Metern der stereoskopischen Differenzierung nicht mehr fähig ist, sind die Wenders-Panoramen bei aller Schönheit zuvorderst eine Strapaze für alle Brillenträger.

Erst spät, fast am Schluss, gelingt ein starkes, persönliches Bild, wenn Kiefer auf seinem Seil dem Himmel entgegen balanciert. Weil die Malerei das Bindeglied ist zwischen Himmel und Erde. Für den Rest des Films bleiben die Eingeweihten unter sich.