Essen. Agenten im Schnee und ein Mann der aufräumt. Lohnen sich die neuen Bücher von Lee Child und Mick Herron? Und wann kommen die Serien zurück?

Bis sie via Streaming auf den Bildschirm zurückkehren, dauert es noch ein paar Wochen. Neue Bücher von Lee Child und Mick Herron aber sind gerade in die Buchläden gekommen. Können sie die Wartezeit verkürzen?

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Der Mann ist ohne festen Wohnsitz, hat keine Verwandten, keinen Besitz. Bis auf die zusammenklappbare Reisezahnbürste und einen Ausweis. Letzteren nur widerwillig. Er trägt billige Klamotten, lebt von Kaffee und Fast Food und zieht durch die USA. Er kämpft nicht für das Recht, sondern für Gerechtigkeit – Ermittler, Ankläger, Richter und Vollstrecker in einer Person. Geschaffen hat ihn der Engländer Lee Child, der eigentlich Jim Grant heißt und vom Fernsehen kommt. Er hat ihn „Jack Reacher“ genannt und mittlerweile weltweit über Millionen Bücher mit dem wortkargen Einzelgänger verkauft. Die letzten Bände allerdings waren von sehr wechselhafter Qualität. „Vorhersehbar“, würde selbst Reacher wohl einräumen. Wahrscheinlich auch „unglaubwürdig“

Köpfchen statt nur Muskeln

Ein bisschen Regen kann ihn nicht schrecken: Alan Ritchson als Reacher in der gleichnamigen Amazon prime Video Serie
Ein bisschen Regen kann ihn nicht schrecken: Alan Ritchson als Reacher in der gleichnamigen Amazon prime Video Serie © amazon.com | Amazon

„Der Außenseiter“ heißt Band 25 der Reihe, und zunächst scheint sich der Abwärtstrend fortzusetzen. Denn wie fast immer steigt Reacher darin zu Anfang aus einem Bus „irgendwo im Nirgendwo“. Aber keine Stadt könnte so klein sein, dass es dort nicht großen Ärger gibt. Dieses Mal verhindert der ehemalige Militärpolizist die Entführung eines städtischen Angestellten und ist plötzlich mittendrin in den Problemen des Kaffs, in dem er nur einen Kaffee trinken wollte. Denn alle Computersysteme der Stadt sind gehackt worden, das Leben steht still, und alle geben seinem neuen Schützling dafür die Schuld. Was natürlich nicht stimmt. Denn es steckt – Reacher-Fans ahnen es bereits – natürlich viel mehr dahinter.

Childs jüngerer Bruder schreibt künftig mit

Ja, so ähnlich fangen die meisten der zwei Dutzend Vorgänger auch an. Dieses Buch aber ist anders, schon weil es realistischer wirkt. Zumindest ein wenig. Reacher ist nicht mehr die gnadenlose Kampfmaschine, die Dutzende Gegner besiegt, ohne auch nur eine Falte ins Hemd zu bekommen. Dieses Mal muss er auch verstärkt sein Köpfchen anstrengen und taucht sogar – wenn auch nur kurz und höchstens knietief – in die digitalen Sphären des 21. Jahrhunderts ein.

Fans des alten Reacher können dennoch beruhigt sein. Childs typischer Schreibstil, der so reduziert und lakonisch ist wie die Titelfigur, hat sich kaum verändert. Und selbstredend ist Reacher auch nicht zu einem Mann geworden, der Konflikte bei einer Tasse Mate-Tee löst. Er bleibt, wie man ihn kennt. Wie Sherlock Holmes im Körper von Rambo. Einer, der sagt, was er denkt, und tut, was er sagt. Deshalb gibt es sie auch noch, die üblichen Schlägereien und Schusswechsel. Die Zahl der Toten und Schwerverletzten aber geht auffällig zurück.

Titeheld hat sich verändert

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Vielleicht liegt das daran, dass erstmals Lees jüngerer Bruder Andrew mit an Bord ist, der die Reihe künftig allein fortführen soll. Vielleicht aber haben die Autoren auch gemerkt, dass der seit einem Vierteljahrhundert nicht alternde Titelheld nicht mehr so recht passt in eine Welt, die sich immer schneller ändert. „Der Sündenbock“ ist immer noch weit weg von Meisterwerken wie „Sniper“ oder „Trouble“, aber es ist besser als die Bände der Vorjahre. Ein ideales Buch, um Jack Reacher kennenzulernen.

Das ist bei einem Ausflug mit den Slow Horses nach „Joe Country“ etwas anders. Ja, man kann es lesen, aber es hilft enorm, wenn man die ersten fünf Bände kennt. Denn Autor Mick Herron greift viele Fäden wieder auf, die er in den Vorgängern ausgerollt hat.

Einsatz im verschneiten Wales

Geblieben aber ist die Grundsituation. Die Slow Horses sind Geheimagenten des MI5, genau wie James Bond, aber von 007 so weit entfernt wie ein Trabbi von einem Ferrari. Diese Spione sind Versager, Verlierer, die Mist gebaut haben. Deshalb wurden sie ins Slough House geschickt, ein Ort wie eine Mischung aus Abstellkammer und Vorhölle, an dem man „Knöllchen“ aus den 90er-Jahren sortieren oder den Müll von zweifelhaften Subjekten durchwühlen muss. Hauptsache, man kommt dem „echten“ Geheimdienst nicht in die Quere. Was natürlich regelmäßig passiert.

Ein Mann mit rauer Schale aber einem guten, wenn auch sehr versteckten Herz. Gary Oldman spielt Jaskon Lamb in der Serie Slow Horses
Ein Mann mit rauer Schale aber einem guten, wenn auch sehr versteckten Herz. Gary Oldman spielt Jaskon Lamb in der Serie Slow Horses © Apple TV | Apple TV

Kopf der Truppe – und neben Herrons herrlichem Schreibstil der Grund, die Reihe zu lesen – ist die Figur des Jackson Lamb. Ein sarkastischer, meist schlecht gelaunter Kotzbrocken mit enormer Intelligenz und Raffinesse und mit allen Geheimdienstwassern gewaschen. Saufend, kettenrauchend, übergewichtig und fluchend, fettig das zurückgekämmte, lichter werdende Haar, schmierig die Brille und bekleidet mit Klamotten, die jede Altkleidersammlung mit Empörung zurückweisen würde.

Es gibt Opfer in den eigenen Reihen

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Ein Mann mit rauer Schale aber einem guten, wenn auch sehr versteckten Herz, der alles tut, um seine Leute wieder gesund aus dem Einsatz nach Hause zu bringen. Was ihm in diesem Fall allerdings nicht immer gelingt. Denn bei der etwas konstruiert wirkenden Suche nach einem verschwundenen Teenager im tief verschneiten Wales gibt es größere Verluste.

Überhaupt steht Lamb in diesem Band über weite Strecken etwas weniger im Mittelpunkt als üblich – schon weil er die Suchaktion nur aus dem Hintergrund lenkt. Dafür taucht Herron so tief wie nie in die verwirrte und verwirrende Welt der britischen Politik im Allgemeinen und der Geheimdienste im Speziellen ein. Und das letzte Kapitel, es lässt nichts Gutes erahnen. Nicht für England, nicht für die Slow Horses und erst recht nicht für Jackson Lamb. Man wartet jedenfalls schon ungeduldig auf Band sieben.

Rückkehr ins TV

Anders als bei den Büchern ist Mick Herron seinem Kollegen Lee Child im Bewegtbild voraus. Wie Apple TV+ in den vergangenen Tagen bekannt gab, soll vom 1. Dezember an Staffel 3 mit sechs neuen Folgen der Slow Horses über den hauseigenen Videodienst ausgestrahlt werden. Und Staffel vier ist, so ist zu hören, bereits abgedreht.

Auch Reacher soll kurz vor Weihnachten über Amazon Prime Video auf die Bildschirme zurückkehren. Staffel 2 basiert auf dem Roman „Trouble“, der Band 11 der Buchreihe ist.