Darmstadt. Lutz Seiler, ein gelernter Bauarbeiter und Gedichteschreiber, erhält den Georg-Büchner-Preis 2023 – nicht zuletzt für seinen Erfolgsroman „Kruso“
Einem größeren Publikum wurde Lutz Seiler 2014 bekannt, als er für seinen DDR-Endzeit-Roman „Kruso“ nicht nur den Deutschen Buchpreis, sondern auch den Uwe-Johnson-Preis bekam – und sogar in die Bestseller-Listen vorstieß. Der Roman um Saisonarbeiter und Aussteiger auf der Insel Hiddensee im Jahr 1989 erzählt sprachlich ungemein genau von einem Freiheits-Traum und seinem Zusammenstoß mit der Realität. Es ist auch der Roman einer Männerfreundschaft, der schon kurz nach dem Erfolg des Buches mit Albrecht Schuch in der Hauptrolle verfilmt wurde.
Nun hat die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt den gelernten Bauarbeiter Lutz Seiler, der 1963 in Gera zur Welt kam, mit dem Georg-Büchner-Preis die angesehenste deutsche Literatur-Auszeichnung zugesprochen – und das eben nicht nur für „Kruso“, sondern auch für die „klangvollen Gedichtbände“ seiner Anfänge. Erste Anerkennung erntete Lutz Seiler mit dem im Jahr 2000 erschienen Band „pech & blende“, dessen Ton realistisch-handfest und doch anspielungsprall wirkte. Seiler Stärke liegt im Finden ungeahnter Bilder, die Situationen und Entwicklungen präziser umkreisen, als es jede Prosa könnte. Diese Bildstärke zeichnet auch seine erzählerischen Werke aus.
Lutz Seilers Stimme ist „melancholisch, dringlich, aufrichtig, voll von Echos“
In Lutz Seiler ehre die Akademie einen Autor, der von der Lyrik „zum Erzählen fand, stets aber ein so klarer wie rätselhafter, dunkel leuchtender Lyriker bleibt“, zuletzt noch mit dem Band „schrift für blinde riesen“, hieß es in der Begründung der Jury. Seiler, seit 2011 Mitglied der Darmstädter Akademie, habe als Romancier und als Dichter zu seiner eigenen, unverwechselbaren Stimme gefunden, melancholisch, dringlich, aufrichtig, voll von wunderbaren Echos aus einer langen literarischen Tradition.
Seiler gehört zu den Autoren, deren Skrupel sich in literarische Qualität verwandelt: „Es kostet sehr viel Kraft und ist mit vielen Zweifeln verbunden, wenn man eine neue Sache anfängt“, sagte er einmal, „im Grunde hat man nicht dieses kontinuierliche Selbstvertrauen, dass man Schreiben kann, man muss es sich mit jedem Buch neu beweisen.“
Der Georg-Büchner-Preis wird von Bund, Hessen und Darmstadt finanziert
Der mit 50 000 Euro dotierte Preis soll am 4. November im Staatstheater Darmstadt verliehen werden. Der Büchnerpreis ist die Krönung einer längeren Liste von Auszeichnungen für Lutz Seiler, so erhielt er 2003 den Ernst-Meister-Preis der Stadt Hagen, 2007 den Ingeborg-Bachmann-Preis, 2010 den Fontane-Preis und für seinen Roman „Stern 111“ 2020 den Preis der Leipziger Buchmesse.
Als Büchner-Preisträger folgt Seiler auf die Schriftstellerin, Schauspielerin und Theaterregisseurin Emine Sevgi Özdamar. Seit 1951 vergibt die Akademie den Preis an Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die in deutscher Sprache schreiben. Die Preisträger müssen „durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Maße hervortreten“ und „an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben“, heißt es in der Satzung. Der Preis wird vom Bund, dem Land Hessen und der Stadt Darmstadt finanziert.
Zu den bisherigen Preisträgern gehören auch Max Frisch (1958), Günter Grass (1965) und Heinrich Böll (1967) sowie zuletzt Rainald Goetz, Marcel Beyer, Jan Wagner, Terézia Mora, Lukas Bärfuss, Elke Erb und Clemens J. Setz. Namensgeber ist der Dramatiker und Revolutionär Georg Büchner („Woyzeck“). Er wurde 1813 im Großherzogtum Hessen geboren und starb 1837 in Zürich.