Essen. Früh dran und trotzdem draußen vor dem Stadion: Warum so viele Pop-Fans im Verkauf großer Events leer ausgehen. Vierte Grönemeyer-Show kommt.

Herbert Grönemeyer? Ausverkauft! Taylor Swift? Mit Sicherheit ausverkauft, sobald der Vorverkauf am Mittwoch, 12. Juli, ab 9 Uhr losgeht! Was aus Sicht der Konzertveranstalter nach einer absoluten Erfolgsmeldung klingt, sorgt derzeit bei vielen Fans für Frust und Verwirrung. Denn die großen Stars verkaufen ihre Konzerte trotz mehrerer Zusatzshows innerhalb von wenigen Minuten aus.

Viele enttäuschte Gesichter gab es deswegen am vergangenen Samstag vor der Tourist-Info von Bochum Marketing, wo ab 8 Uhr die Fans Schlange standen, damit sie ab 11 Uhr noch ein Ticket für die „4630 Bochum“-Konzerte von Herbert Grönemeyerim Juni 2024 ergattern konnten. Aber wie es so oft ist in digitalen Zeiten: Die begehrten Karten waren über den exklusiven digitalen „Pre-Sale“ der Konzertkarten-Agentur binnen Minuten ausverkauft – Enttäuschung gerade bei den älteren, digital nicht so gut aufgestellten Fans, die sich erhofft hatten, auf diese Weise zum Zug zu kommen.

Ältere gehen bei Konzert-Tickets oft leer aus: Der Druck durch digitalen Verkauf wird höher

Konzertveranstalter Dirk Becker, der schon seit vielen Jahren die Touren von Grönemeyer veranstaltet, zeigte sich selbst überrascht von der Nachfrage, „vor allem in dieser Geschwindigkeit. Wir sind total überrannt worden, das muss man schon sagen.“ Vermutlich war es die Kombination eines Grönemeyer-Heimspiels mit dem Versprechen, das Kult-Album „4630 Bochum“ zum 40. Jahrestag des Erscheinens zu feiern, das den unerwarteten Ansturm ausgelöst hat. Offenbar hat die Nachfrage das Angebot von bis dahin fast 70.000 Plätzen deutlich überschritten.

Am Dienstagabend wurde verkündet, dass es noch ein viertes Konzert der „4630“-Tour von Herbert Grönemeyer geben wird, am Montag, 17. Juni 2024 in Bochum. Der exklusive Eventim-Presale dazu startet am Freitag, 14. Juli, 10 Uhr. Der normale Vorverkauf startet Samstag, 15. Juli, um 10 Uhr. Veranstalter Dirk Becker spricht zurecht von einem „Heimspiel-Rekord.

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Großen Frust schieben derzeit auch die Fans von Taylor Swift. Zu ihren drei Konzerten in der Gelsenkirchener Arena startet der Vorverkauf am Mittwoch, 12. Juli, 9 Uhr. Aber: Das Rennen darum ist längst gelaufen. Denn der Quasi-Ticketmonopolist Eventim hat sich mit dem Tourneeveranstalter FKP Skorpio dazu ein besonderes Verfahren einfallen lassen. Fans mussten sich im Vorfeld bis zum 23. Juni über ihre Seite registrieren – und bekamen dann eine Mitteilung, ob sie für den Vorverkauf auserkoren wurden. Mit dem Digitalcode können sie nun mit Glück bis zu vier Tickets pro Stadt erwerben. Zahlreiche Fans bekamen allerdings trotz Registrierung keine Mitteilung – und gehen jetzt leer aus, obwohl es schätzungsweise 165.000 Tickets für die drei Abende im Juli 2024 geben dürfte.

Ganz neu ist der Ticket-Wahnsinn nicht, auch bei den Stones war in Minuten alles weg

Der Ticket-Wahnsinn ist kein ganz neues Phänomen: Die Tour der Rolling Stones etwa im Jahr 2017 war innerhalb von Minuten ausverkauft, im Jahr 2011 und 2018 ließ der digitale Vorverkauf zur Tour von Rammstein die Server zusammenbrechen, so groß war der Ansturm.

Für die Taylor Swift-Konzerte in Gelsenkirchen mussten die Fans zunächst durch eine Vorregistrierung – schon hier blieben viele auf der Strecke.
Für die Taylor Swift-Konzerte in Gelsenkirchen mussten die Fans zunächst durch eine Vorregistrierung – schon hier blieben viele auf der Strecke. © dpa | Shanna Madison

Die Gründe dafür sind vielfältig: Im Ticketverkauf ist die Digitalisierung längst so weit vorangeschritten, wie es sich die Bundesregierung in anderen Bereichen wünschen würde, die Digitalkultur sorgt für eine ordentliche Beschleunigung des Drucks: Jeder Fan wird über Newsletter und die Sozialen Medien in Minutenschnelle über Tourankündigungen informiert, gerade durch die „sozialen“ Medien entsteht ein zusätzlicher Handlungsdruck: Gehen die anderen Fans zum Konzert, wollen sie ganz schnell dabei sein? Da muss ich dann auch dabei sein!

Wie ein Mini-Urlaub: Hohe Preise schrecken Fans immer seltener

Während noch oft die teils exorbitanten Ticketpreise für Künstler wie die Stones oder Madonna beklagt wurden, schien dies selten zum Hemmschuh zu werden: Viele Fans sehen solche Konzerte als Mini-Urlaub oder als Investition in ein Jahres-Highlight an. Und wer die Tickets ein Jahr im Vorfeld kauft, hat am Abend des Konzerts die finanziellen Einbußen längst wieder vergessen.

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Derzeit nicht zu vernachlässigen: Es gibt – wie bei Urlaubsreisen – einen Post-Corona-Boom. Fast drei Jahre lang konnten die Fans nicht mehr ohne Bedenken auf Konzerte und Festivals gehen, viele Konzerte wurden während und noch kurz nach Ende der Pandemie abgesagt, weil die Vorverkäufe zu schwach waren, jeder rechnete mit krankheitsbedingten Absagen – und damit, zumindest teilweise auf den enormen Ticketpreisen hängen zu bleiben. In dieser Frustzeit hat sich ein ungeheures Nachholbedürfnis angestaut, das sich im Moment Bahn bricht…

Ticket-Ansturm: Corona sorgt gerade im Pop für hohen Nachholbedarf

Die Konzertveranstalter selbst können normalerweise sehr gut einschätzen, welche Hallengrößen ein Künstler füllen kann; sie buchen in den meisten Fällen vorsorglich Termine für mögliche Zusatzshows, so dass man oft eine zusätzliche Nachfrage auffangen kann. Dass wie im Falle von Herbert Grönemeyer trotz solcher Vorsichtsmaßnahmen die Nachfrage so hoch ist, kommt eher selten vor.

Den Schwarzmarkt für Tickets versuchen die Veranstalter eben mit solchen Zusatzshows, teils auch mit der Personalisierung von Karten zu verhindern. So kommt einem der Einlass in manchen Stadien oft vor wie ein kleiner Flughafen-Check-In.

Auch ein Grund für die hohe Nachfrage: Bei Stadionkonzerten ist das Erlebnis nicht unwesentlich von der Platzwahl abhängig, wer früh bucht, bekommt die besseren Plätze, wer spät bucht, hat eventuell einen schlechteren Sound oder eine schlechte Sicht. Um hier für die größten Fans Abhilfe zu schaffen, haben Bands wie U2 schon vor vielen Jahren zusätzliche Registrierungsmechanismen erdacht, um etwa die Karten für den „Golden Circle“ unmittelbar vor der Bühne zu sichern.

Seitenweise Dokumente, bis man zum Vorverkauf kommt

Das Tückische: Bei jedem Künstler, bei jeder Tour gibt es dazu andere Verfahren. Im Falle von Taylor Swift durfte man sich etwa durch ein vier Din-A4-Seiten langes Dokument kämpfen, um alle Informationen um den Vorverkauf zu erfahren.

Was das für den Ticket-Kauf in Zukunft heißt? Dem normalen Fan bleibt nichts anderes übrig, als sich rechtzeitig über die jeweilige Vergabe zu informieren, sich schnell zu entscheiden und zum genau am richtigen Termin eine schnelle Internet-Verbindung mit hoher Ping-Rate zur Verfügung zu haben. Der Rest bleibt Glücksspiel…