Recklinghausen. Star-Trompeter Till Brönner holte Rainer Böhm und Yaron Herman zum Klavier-Festival ins Ruhrfestspielhaus. Es wurde ein Abend mit vier Konzerten.

Vier Konzerte zum Preis von einem – und doch das glatte Gegenteil von Ramsch: Auch das gibt es beim zu Ende gehenden Klavier-Festival Ruhr. Stammgast Till Brönner hatte zum siebten Mal „Piano Friends“ eingeladen, und es wurde ein beinahe dreistündiges Fest der Höhepunkte – am Ende hoben Begeisterung und Hochachtung zu gleichen Teilen das komplette Publikum im Ruhrfestspielhaus aus den Sitzen, zu stehenden Ovationen.

Star-Trompeter Brönner („Immer waren es die Pianisten, die mich klingen ließen, wie ich klingen wollte“) hatte in dem Israeli Yaron Herman und dem Wahl-Kölner Rainer Böhm zwei Verschmelzungskünstler eingeladen, die ganz eigene Legierungen von Jazz und Klassik hinbekommen. Herman, der in der kommenden Woche seinen 42. Geburtstag feiern kann, begann mit ruhigen, introvertierten, beinah meditativen Improvisationen über murmelnd-perlenden Läufen. Hier eine eingestreute Septime, dann und wann ein Moll-Akkord. Auf den Tasten federnd steigert sich Herman in einen Rausch der Töne und greift auf die Klaviersaiten, um orientalische Anklänge und Flageolette-Effekte zu erzeugen.

Ein Abend der verhallenden Töne – Reverenz an den scheidenden Festival-Chef Franz Xaver Ohnesorg?

Bevor sich Till Brönner zu ihm gesellte, hatte Herman noch eine Viertelminute reglos am Klavier gesessen, als wollte er den eigenen Klängen ein wenig nachlauschen. Dieses Verhallenlassen der letzten Töne sollte so etwas wie ein Leitmotiv dieses Abends werden, auch Brönner verhielt im Stück drauf die letzten Trompetenklänge so lange, wie es eben gehen mochte. Vielleicht auch eine leise Reverenz an das Ausscheiden des langjährigen Festival-Chefs Franz Xaver Ohnesorg, denn auch Rainer Böhm ließ so manchen letzten Ton seiner flirrenden Sommerabend-Läufe lange stehen – und Dieter Ilg ließ leise seine Finger über seine Bass-Saiten flattern.

Mit Böhm, Ilg und dem Drummer Patrice Héral (der vom Mann am Mischer viel zu weit in den Vordergrund geschoben wurde) hielt nun klassischer, brillanter Klaviertrio-Jazz Einzug ins Ruhrfestspielhaus, angetrieben von der pulsierenden Nervosität des Pianisten, der nach einem so amtlich wie grandios ausgefallenen Solo von Patrice Héral noch gleich doppelt angefeuert war. Als der Ton romantisch wurde, kam der singende Bass von Dieter Ilg, der Tieftöner wird zum Melodie-Instrument, das Zärtlichkeit, ja Liebe verströmt.

Yaron Herman und Rainer Böhm in einer Mischung aus Duett und Duell

Gegen 22.15 Uhr beginnt das dritte Konzert des Abends, Yaron Herman und Rainer Böhm führen an ihren Instrumenten vier Hände in einer Art und Weise zweistimmig zusammen, die atemstillstandsfördernd und mitreißend zugleich ist. Das ist ein Dialog zweier völlig unterschiedlicher Temperamente auf Augenhöhe, von einer Spiel-Intelligenz und einer musikalischen Freude, die für Momente glauben macht, dass einfach alles möglich ist. Zumindest zwischen Ausnahmekönnern wie diesen, wenn sie dem Publikum die einander zugeworfenen Bälle nur so um die Ohren fliegen lassen und man aus dem Staunen kaum herausfindet.

Doch wie hatte Till Brönner noch so einprägsam den Jazz verglichen? Mit einem langen Weg, den man schon eine Weile gut kennen muss, bevor man sich dann hier und dort mal „in die Büsche schlagen“ kann – doch das Kunststück bestehe darin, „vor Publikum wieder reinzukommen“. Die beiden spielten, improvisiert, also in Echtzeit komponiert, noch ein zweites gemeinsames Stück.

Mit „Billie’s Bounce“ von Charlie Parker zum Höhepunkt

Das letzte Konzert des Abends gaben alle fünf gemeinsam, und mehr denn je war zu spüren, wie sich diese Musiker gegen- und wechselseitig herausforderten, befeuerten, von Können und Ehrgeiz getrieben, bis sie schließlich in einer umwerfend vitalen Interpretation von Charlie Parkers „Billie’s Bounce“ Höhepunkt und Finale des Abends zelebrierten.