Mülheim. Schubert als Herzstück – und Herzensangelegenheit: Elisabeth Leonskaja schlug beim Klavier-Festival in Mülheim alle in ihren Bann.
In ihrer georgischen Heimat wurde sie zur „Priesterin der Kunst“ geadelt, in ihrer Wahlheimat Österreich erhielt sie mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst erster Klasse die höchste Auszeichnung des Landes. Da war es umgekehrt eine Ehre für Franz Xaver Ohnesorg, wenn er Elisabeth Leonskaja beim Klavier-Festival Ruhr zum nunmehr 26. Auftritt begrüßen durfte.
Nachdem der Intendant das Werk Franz Schuberts als Herzstück des diesjährigen Programms und die Grande Dame unter den Pianisten zur „Geistesverwandten“ des Komponisten erklärte, durfte das Publikum dem Abend in der Mülheimer Stadthalle mit großen Erwartungen entgegensehen.
Elisabeth Leonskaja beschwört in Mülheim den Erzromantiker Schubert herauf
Tatsächlich spricht der Erzromantiker ihr spürbar aus der Seele. Das ewige Lied von Schmerz, Innigkeit und Sehnsucht nach Glück bringt die 77-Jährige herzenswarm zum Leuchten, die Reife ihres Spiels erlaubt ihr moderate Tempi und strukturierende Pausen, um die Poesie der Musik in der melodischen Phrasierung und Energetik aufzuspüren. Das lässt die drei Klavierstücke D 946 bei allen Kontrasten zwischen akkordischer Wucht und Diskantperlen in feinsten Farbvaleurs als in sich geschlossene Charakterstücke erkennen. In ausgreifenden Ausdrucksbögen ohne jede subjektive Überformung gestaltete Elisabeth Leonskaja die „Wanderer-Fantasie“, in der Schubert sein gleichnamiges Lied vom einsam suchenden Fremdling zum viersätzigen Klavierstück verdichtet.
Und weitet den Blick in sinfonische Dimensionen mit der 45-minütigen „Gasteiner“ Sonate. Menschliche Abgründe tun sich da auf, volkstümlicher Ton mischt sich ein, und die liebevoll gestaltenden Hände dieser Ausnahmepianistin sorgten für Mucksmäuschenstille im Saal. Danach huldigender Applaus und zwei Zugaben.