Essen. Auf ihrem neuen Album „Fellini“ spielt die Crucchi Gang deutsche Hits auf Italienisch. Wieso das gerade das Gejammer von Tocotronic besser macht.

Achtung, steile These: Die Deutschen wollen schon seit Jahrzehnten – ach, Jahrhunderten – irgendwie ein bisschen Italien sein. Wenn Mallorca nicht wäre, wäre Italien das liebste Urlaubsziel der Teutonen, Spaghetti Aglio e Olio zu bestellen und dann „Grazie“ zu sagen, lässt die deutsche Brust schwellen. Diese Leichtigkeit, diese Lebensfreunde! Die wusste schon Goethe zu schätzen, als er da lässig auf seiner Chaiselongue in der Campagna Romana hing.

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Diese diffuse Italophilie hat die Band „Crucchi Gang“ auf ein Album gepackt. „Fellini“ (Vertigo Berlin) ist schon das zweite Machwerk der Combo, federführend verantwortlich sind wieder Musikmanagerin Charlotte Goltermann, Sven Regener (Element of Crime) und Francesco Wilking (Die höchste Eisenbahn). Auch das Konzept bleibt gleich: Deutsche Hits, vorwiegend aus dem Indie-Pop-Segment, auf Italienisch, oft sogar von den Originalinterpreten. Das klingt jetzt erstmal nicht spektakulär. Ist es aber.

Auf „Fellini“ wird aus deutscher Plumpheit italienische Leichtigkeit

Man nehme nur die erste Nummer, „Cavaliere d’argento“. Sprachtalente haben es erkannt, es handelt sich um den 80er-Hit „Goldener Reiter“ von Joachim Witt. Der Sänger selbst ist auf „Fellini“ aber nicht dabei. Macht nichts, im Gegenteil. Die charmante Plumpheit des Originals weicht einer mediterranen Leichtigkeit, quasi „Laissez-faire“ auf italienisch.

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Und wie schafft Crucchi Gang das? Mit dreierlei Mitteln. Zunächst ist da die hervorragende Rhythmusgruppe: „Tight“ sagt der Jazzer, wenn er meint, dass mehrere Musiker wie einer zusammenspielen, ganz eng, wenn die Musik, egal welchen Genres, einfach swingt. Ein Begriff, der für die Crucchi Gang gemacht zu sein scheint. Dann sind da noch die Streicher, dezent und stets der Musik dienlich arrangiert, unterstützend, nicht überdeckend. Wem dieses Rezept bekannt vorkommt: Francesco Wilking hat hörbar viel Die-höchste-Eisenbahn-DNA in „Fellini“ gepackt, zum Glück. Die Platte geht runter wie Zitroneneis direkt aus der Zitrone.

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Auf einmal mit Gefühl: Tocotronic auf Italienisch

Drittens, natürlich, die italienische Sprache. Zugegeben, Rheinhard Meys „Gute Nacht, Freunde“ („Buonanotte amici“) wäre wohl auch auf Klingonisch wunderschön. Andere Songs gewinnen aber deutlich durch ihre Übersetzung, sprachlich wie musikalisch, ganz besonders „In dubbio per il dubbio“. Das ist „Im Zweifel für den Zweifel“ von der Lieblingsband aller Germanistikstudenten, Tocotronic. Die Hamburger italienisieren ihren Hit selbst, und siehe da: Plötzlich wohnt dem weinerlichen Klagen Gefühl inne. Das liegt nicht nur daran, dass wir immer das Gefühl haben, Italienisch zu verstehen, auch wenn wir nur drei Wörter können. Sondern vor allem an der hervorragenden musikalischen Ausgestaltung. Grazie, Crucchi Gang!