Essen. Plötzlich 3000 Hörer: Wie die Macht der Spotify-Playlists die Musikwelt formt und warum Künstler trotzdem in die Röhre gucken.
Erinnern Sie sich noch an „Hansis Mitternacht“? Im Dezember 2022 wollte ich mit diesem selbst komponierten Musikstück herausfinden, wie das funktioniert, Musik beim Streaming-Anbieter Spotify hochzuladen und damit Geld zu verdienen. Der Parforce-Ritt auf Hansis Rücken nahm ein ziemlich ernüchterndes Ende, 1472 Mal wurde mein Song abgespielt, verdient habe ich damit 2,75 Euro – nicht einmal die Summe, die ich investieren musste, um die Musik auf Spotify veröffentlichen zu dürfen.
Vielleicht auch der Frustration wegen habe ich mich von „Hansi“ im Januar gedanklich verabschiedet und auch nicht mehr in die Analyse-App geguckt, die detaillierte Zahlen für Künstler liefert. Bis mich ein Freund Ende Mai mit der Frage auf die Schüppe nahm, was denn meine „Spotify-Karriere“ mache.Es stellt sich heraus: Sie macht ganz schön viel. Allerdings ohne mein Wissen und Zutun. Im Januar wurde mein Song vier Mal gehört, im Februar 89 Mal, viel mehr wird es auch in den Folgemonaten nicht, und dann, zwischen dem 22. und 27. Mai: 3589 Mal. Ein Plus von 18.789 Prozent!, rechnet mir die App vor.
Auf die Liste „Billboard Hot 80“ aufgenommen – da steckt Vuze.fm hinter, von der BBC
Nach anfänglichem Unglauben und einem kleinen Moment der Hoffnung auf den großen Spotify-Durchbruch gehe ich auf Spurensuche. Es bestätigt sich, was schon im zuvor zu lernen war: Playlists, also kuratierte Listen mit Songs, haben in der Spotify-Welt eine ungeheure Macht. Am 22. Mai ist „Hansis Mitternacht“ auf die Liste „Billboard Hot 80“ aufgenommen worden. Die Playlist hat keine Verbindung zu den wohl wichtigsten Musik-Charts der Welt, den „Billboard Hot 100“ des gleichnamigen US-Magazins. Ein großer Player der Musikindustrie steckt aber doch dahinter: Kuratiert wird die Liste von Vuze.fm, der Radiosparte der BBC. Das erklärt das plötzliche Hörinteresse an „Hansi“. Und stellt mich vor neue Rätsel: Wieso bin ich auf dieser Liste gelandet, obwohl ich meinen Titel nicht beworben habe und zuvor mit einer Handvoll Hörer in unendlichen Tiefen des Spotify-Ozeans herumgekrebst bin? Keine Ahnung. Wieso kommen fast alle dieser 3586 Hörer dieser englischen Playlist aus Finnland? Gleiche Antwort.
Bleibt die Erkenntnis, dass es ohne Klinkenputzen oder Glück bei Playlistkuratoren keinen Erfolg auf Spotify gibt. Und ein Erfolg durch die Aufnahme in eine Playlist nicht gerade ein Heilsbringer ist. „Hansis“ Aufstieg in höchste Playlist-Sphären hat mir nämlich 12,25 Euro eingebracht.