Essen. Commissario Brunettis 32. Fall erinnert an seine linke Jugend – und die Wandlung ehemaliger Genossen zu Ausbeutern. Und es gibt gleich zwei Morde.

„Wie die Saat, so die Ernte“: Auch Brunettis Fall Nr. 32 hat Werner Schmitz wie gewohnt in treffliches venezianisches Deutsch übersetzt. Der Krimi handelt eigentlich von zwei Morden, von denen einer nicht mit jener Sicherheit aufgeklärt werden kann, die für eine Verurteilung notwendig ist. Das Opfer, ein illegaler Migrant aus Sri Lanka, war ein sympathischer Buddhist. Alle, die ihm begegnet waren, schätzten ihn. Auch Brunetti hatte ihn vor seiner Ermordung kurz kennengelernt. Er fand ihn höflich und korrekt. Aufgeklärt wird immerhin ein „Cold Case“ durch den verwaisten Hund des Ermordeten, der in einem Garten zu buddeln beginnt.

Eigentliches Thema des Romans sind aber die zu Kapitalisten mutierten ehemaligen Linken. Sie führten die glühendsten Parolen gegen die Ausbeutung der Arbeiterklasse im Mund. Und haben längst die Seite gewechselt, unterrichten kapitalistische Wirtschaftslehre, leiten Konzerne, stehen wenigstens einer Bankfiliale vor. Auch Brunetti war in seiner Jugend ein Linker, aber seine Eltern machten ihn früh darauf aufmerksam, wie schnell die radikalen Kinder wohlhabender Eltern wieder in den warmen Schoß der Bourgeoisie zurückkehren, wie sehr sie dann selbst ausbeuten.

Donna Leon garniert wie immer mit venezianischer Folklore und gutem Essen

Wie immer garniert Donna Leon (81) das für hartgesottene Krimileser viel zu blutleere Geschehen mit venezianischer Folklore, einigen appetitanregenden Gerichten bei Brunetti zu Hause und ein paar Kostproben aktueller Generationskonflikte zwischen Brunetti und seiner Tochter Chiara. Am Anfang steht noch das Thema Homophobie im Raum, als bekannt wird, dass ein langjähriger Mitarbeiter der Questura mit einem Partner liiert ist. Dieses Problem wird bei Donna Leon korrekt abgehandelt. Weniger korrekt ist das Gemaule der wie immer vortrefflichen Vorzimmersekretärin Signorina Elettra über die viel zu engen gesetzlichen Datenschutzfesseln beim Recherchieren. Das alles ist unterhaltsam, von mäßigem Belang und wenig aufregend, aber auf Deutsch sehr schön zu lesen.

Donna Leon: Wie die Saat, so die Ernte. Commissario Brunettis zweiunddreißigster Fall. Diogenes, 315 S., 26 €.