An Rhein und Ruhr. . Immer wenn Kirchengebäuden die Abrissbirne droht, versuchen Annette und Ernst Jansen-Winkeln die Fenster zu retten. Das kostet jedesmal Tausende.

Ihr Grab ist eine Tiefgarage, mitten in Mönchengladbach. Hier im Finsteren ruhen 600 Kirchenfenster. In der Hoffnung, irgendwann mal wieder ans Tageslicht zu kommen – doch es ist fraglich ob das je geschieht. Oh ja, es sind wahrhaft finstere Zeiten für einen der größten Kunst- und Kulturschätze entlang des Rheins.

Dass dieser Schatz immerhin eine Gruft gefunden hat, ist den Besitzern und Wächtern dieser Gruft zu verdanken: Annette und Ernst Jansen-Winkeln haben ihr Leben diesen einzigartigen Lichtblicken gewidmet. Sie retten Kirchenfenster. Ihr letzter Einsatz: Der Dom von Immerath, der vor wenigen Wochen dem geplanten Braunkohleabbau geopfert wurde.

100 000 Kilometer pro Jahr für die Inventur alle Glasfenster im Land

Bilder, Messgewänder, Kultgegenstände und Skulpturen der Kirchen werden gesichert. Die Fenster jedoch seien nicht mehr als ein Loch in der Wand, durch das das Licht fällt, wurde ihr beschieden. Nichts ist falscher als das, sagt Kunsthistorikerin Annette Jansen-Winkeln. Sie hat ihr ganzes Forscherleben der Glaskunst gewidmet, wollte eigentlich Bücher über die Künstler schreiben und stand vor der Schwierigkeit, herauszufinden, wer was wo geschaffen hat und wo die Werke geblieben sind.

Sie und ihr Mann starteten daraufhin ein größenwahnsinnig klingendes Projekt: Sie wollen alle Glaskunstfenster im Rheinland inventarisieren. Begonnen haben sie in der Euregio um Venlo, in einem Radius von rund 50 Kilometern, mittlerweile sind Rheinland und Ruhrgebiet erfasst und auch die Kunst in Limburg und Luxemburg.

Doch bei der Erfassung der leuchtenden Kunstwerke blieb es nicht – und wir reden hier davon, dass die Jansen-Winkelns jedes Jahr bis zu 100 000 Kilometer durch die Lande fahren und jedes Fenster dokumentieren und in einer einzigartigen Datenbank für jedermann zugänglich archiviert haben.

Doch mit der Sichtung kam auch die Erkenntnis, dass der Schatz gefährdet ist. Nicht nur in Immerath. „Die Kirche ist keine gute Hüterin ihres historischen Erbes“, ärgert sich Ernst Jansen-Winkeln. Dass die gläserne Kunst einst häufig von Gemeindemitgliedern selbst ausgesucht und bezahlt wurde, zählte beim Rückbau kirchlicher Infrastruktur nicht.

So wurden Jansen-Winkeln zum Retter wider Willen. Mittlerweile liegen 650 Fenster aus Kirchen und anderen Gebäuden in der Tiefgarage. Bei 50 Gebäuden haben sie auf eigene Kosten die Fenster ausbauen lassen, sie sorgfältig in Kisten verpackt, archiviert und eingelagert. Zwischen 5000 und 10 000 Euro hat jede einzelne dieser Rettungsmissionen gekostet. Zusammengerechnet haben die beiden nie, was sie dort investiert haben.

In vielen Disziplinen künstlerisch gearbeitet

Von der Zeit gar nicht zu reden. „Wir stehen morgens um sechs Uhr auf und arbeiten. Und abends um sechs Uhr gehen wir dann ein Bier trinken“, beschreibt Ernst Jansen-Winkeln, Architekt, ihre Sieben-Tage-Woche im Lichte der Glaskunst.

Die Liebe dazu liegt gewissermaßen in der Familie: Vater Ernst Jansen-Winkeln war selbst Glaskünstler – unter anderem von jenen, die sie nun aus Immerath gerettet haben. Und nicht nur das. Er hat auch, in der Tradition des Bauhauses, in vielen Disziplinen künstlerisch gearbeitet. Das Haus der Eheleute Jansen-Winkeln ist eine Art bewohntes Museum. Hinter den dicken Klinkermauern fällt das Licht aus den Glasfenstern auf Gemälde, Leuchter, Skulpturen, Inventar – alles aus der Hand von Jansen-Winkeln senior, geschaffen unter dem weiten, strahlenden Himmel des Landes zwischen Rhein und Maas.

Gerade hier, wo Industrialisierung und Kriege häufig die Schaffung neuer Kirchen, Schulen und Rathäuser nötig machte, waren künstlerisch gestaltete Fenster gefragt. Die Malerei mit Licht wurde zur Kunst eigenen Rechts, mit eigenen Künstlern, einer eigenen Fertigungstechnik und mit einer großen Vielfalt an Formensprache – und wird offensichtlich dennoch kaum so gesehen. Auch, wenn das Ehepaar den Schatz gern wieder ans Tageslicht holen würden: „Unsere einzige Bedingung ist, dass die Fenster in Gänze wieder eingebaut werden und öffentlich zugänglich sind. Denn dazu wurden diese Kunstwerke ja einst geschaffen“, sagt Annette Jansen-Winkeln. Doch noch schlummern diese Kunstwerke in einer Tiefgarage. und warten auf Sankt Nimmerlein.

>>INFO: SCHUTZ DER KULTURGÜTER

Mittlerweile kämpfen die Eheleute Jansen-Winkeln sogar für eine Mission, die über den reinen Erhalt der Glaskunst weit hinausgeht: Sie wollen, dass der Schutz der Kulturgüter in Landesverfassung und Grundgesetz aufgenommen wird. Dazu veranstaltet die von ihnen gegründete Akademie für Glaskunst des 20. Jahrhunderts am 9. April eine hochrangig besetzte Tagung.

Weitere Informationen und Recherchemöglichkeiten zu Glasfenstern im Rheinland: www.akademie-glasmalerei.eu