Witten. Das Amtsgericht hat einen Polizisten aus Witten zu einer Strafe von 12.000 Euro verurteilt. Er hatte im Dienst einem Mann ins Gesicht geschlagen.

Um Körperverletzung im Amt ging es jetzt in zwei Fällen vor dem Wittener Schöffengericht. Angeklagt war ein Polizeihauptkommmissar. In einem Fall wurde er freigesprochen.

Damals, am 3. Januar vergangenen Jahres, war es zu Randale an der Polizeiwache in der Casinostraße gekommen. Gegen drei Uhr morgens sorgte dort ein stark alkoholisierter Mann, der seine Lebensgefährtin von einer Vernehmung abholen wollte, für Aufruhr. Weil er nicht zu ihr vorgelassen wurde, beleidigte er die anwesenden Beamten lautstark als „Witzfiguren, Lappen, Wichser und Arschlöcher“. Einen Polizisten forderte er mehrfach zum Zweikampf vor der Wache auf.

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Der muskelbepackte Mann, der immer aggressiver wurde, „war aus einem früheren Einsatz als gewaltbereiter Täter und Kampfsportler bekannt: Er ist 1,91 Meter groß und 135 Kilo schwer“, wird es später im schriftlichen Urteil von Richter Felix Brelinger heißen. Bevor die Situation damals auf der Wache womöglich eskalierte, hatte der vor dem Amtsgericht Witten angeklagte Polizeihauptkommissar gegenüber dem renitenten Mann einen Platzverweis ausgesprochen. Zudem wurde der Einsatz eines „Tasers“ angedroht, eine Art Elektroschocker.

Dermaßen vorgewarnt, verließ das Muskelpaket widerwillig die Wache. Von außen wurde noch mehrfach wuchtig gegen die Fenster geschlagen. Jetzt beginnt der eigentliche Anklagevorwurf. „Zur Aufrechterhaltung des Wachbetriebes“, so das Gericht, tritt der Hauptkommissar mit fünf weiteren Kollegen vor die Polizeistation. Dort steht der Kampfsportler an einem wartenden Taxi, die Seitentür ist geöffnet. Er wird vom Angeklagten aufgefordert, einzusteigen und wegzufahren.

„Ich habe doch keine Waffe“

„Über mehrere Minuten“, so das Urteil, kam der Zeuge „dieser Aufforderung nicht nach“. Stattdessen beleidigt er die Beamten erneut. Daraufhin richten der Angeklagte, der über 40 ist, und ein weiterer Polizeihauptkommissar ihre gezückten Taser-Geräte gegen den Mann, der demonstrativ seine Arme ausbreitet: „Ich habe doch keine Waffe.“

Der Angeklagte erwidert: „Einsteigen, Tür zu, letzte Warnung.“ Weil der Kampfsportler immer noch nicht folgsam ist, wird das Distanz-Impuls-Gerät eingesetzt. Zwei Pfeile treffen ihn in die Brust, er kippt nach hinten, schlägt mit dem Hinterkopf gegen das Taxi, stürzt zu Boden. „Auf den Bauch drehen“, ordnet der angeklagte Hauptkommissar an.

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Dieser Aufforderung kommt der liegende Mann nicht nach, „eventuell, weil er bewegungsunfähig war“, heißt es im Urteil. Er versucht, die Elektropfeile aus seinem Körper zu ziehen. Was ihm in einem Fall auch gelingt. Der angeklagte Beamte nimmt das zum Anlass, erneut seinen Taser zu zücken und abzudrücken: „Das geht jetzt solange, bis du dich auf den Bauch drehst.“ Tagelange Schmerzen und Blutergüsse waren die Folgen.

Oberstaatsanwältin: Kein bevorstehender Angriff zu erkennen

Die Anklage, von einer Oberstaatsanwältin aus Bochum vertreten, ging davon aus, „dass ein unmittelbar bevorstehender Angriff erkennbar nicht vorgelegen hat, der Taser also ohne einen rechtfertigenden Grund eingesetzt wurde. Der am Boden liegende, erkennbar wehrlose Zeuge wäre sogar zweimal getasert worden. Es wurde in Kauf genommen, dass er lebensgefährliche Verletzungen erleidet.“

Das Schöffengericht sah es anders, verkündete in diesem Anklagepunkt einen Teilfreispruch aus rechtlichen Gründen. Vorsitzender Richter Felix Brelinger: „Der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung im Amt ist erfüllt. Das Handeln des Angeklagten war indes noch gerechtfertigt.“

Aufgrund der erkennbaren Angriffstendenzen des Zeugen (gemeint ist der alkoholisierte renitente Mann) sei mit dessen Gegenwehr und Verletzungen von Polizeibeamten zu rechnen gewesen, so der Richter. Der Einsatz des Tasers könnte deshalb als erforderlich und angemessen angesehen werden. Bei körperlich oder technischen überlegenen Gewalttätern dürften nach einer NRW-Dienstanweisung Taser-Geräte genutzt werden.

Wittener Gericht hält Schlag ins Gesicht für bewiesen

Verurteilt wurde der Wittener Polizeihauptkommissar für einen anderen Fall - wegen „vorsätzlicher Körperverletzung im Amt“. Am 20. Mai vergangenen Jahres war er gegen drei Uhr morgens mit fünf weiteren Beamten wegen einer Ruhestörung zum Parkhotel gerufen worden.

Vier Personen, darunter ein Mann, der mindestens eine halbe 0,7-Liter-Flasche Wodka intus hatte, wollten dort eingelassen werden. Der angeklagte Polizeibeamte sprach gegen alle Platzverweise aus. Die Personengruppe verließ daraufhin den Hotelbereich über die Gerichtsstraße in Richtung Innenstadt. Ein Streifenwagen, mit dem Angeklagten als Fahrer, folgte ihnen.

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Es sollte sichergestellt werden, dass die Platzverweise befolgt würden. Der stark alkoholisierte Mann zeigte seinen ausgestreckten Mittelfinger in Richtung des Streifenwagens. Der Hauptkommissar stieg aus., ging auf den ihm körperlich unterlegenen Betrunkenen zu und schlug diesen laut Gericht „gewollt, bewusst und ohne rechtfertigenden Grund mit der flachen Hand ins Gesicht“. Das sei weder erforderlich noch gerechtfertigt gewesen, hieß es im Urteil.

Das Gericht erkannte auf 120 Tagessätze. Die Höhe von jeweils 100 Euro ergibt sich aus dem monatlichen Nettoverdienst (3200 Euro). Das Urteil ist nicht rechtskräftig: Der Polizeihauptkommissar hat Berufung eingelegt.