Witten. Ein ungewöhnlicher Fall wird vor dem Amtsgericht Witten verhandelt. Der Angeklagte schweigt. Die Bewertung der Indizien endet anders als erwartet.

Ein Tatort, ein gestohlenes Fluchtauto, eine aufgefundene Geldkassette und zwei Fahrräder: Der nächtliche Einbruch in eine Wittener Firma bleibt rätselhaft. Ein Strafprozess im Wittener Amtsgericht sollte eigentlich für Aufklärung sorgen. Doch das einzige Beweismittel der Staatsanwaltschaft war eine halbleere Colaflasche. Würde das Indiz für eine Verurteilung reichen?

25-jähriger Angeklagter schweigt

Auf der Anklagebank sitzt ein junger Mann (25), der in einer Kleinstadt bei Bielefeld wohnt. Er wird für einen Einbruchsdiebstahl und eine Sachbeschädigung verantwortlich gemacht. Der Beschuldigte schweigt zu beiden Vorwürfen. Ohnehin wird man sie ihm kaum nachweisen können: „Denn die Anklageschrift strotzt vor Fantasie“, zeigt sich Verteidiger Christoph Pindur (Bochum) verwundert. Richterin Barbara Monstadt kann ihm beipflichten: „Die Aktenlage ist in der Tat von vielen Vermutungen geprägt. Die Schwachstellen sind da.“ Der ungewöhnliche Fall wird dennoch verhandelt.

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Am 15. Februar vergangenen Jahres war in eine Kfz-Werkstatt an der Jahnstraße eingebrochen worden. Die Täter kletterten kurz nach zwei Uhr nachts übers Dach. Sie zerschlugen die Fensterscheibe eines Oberlichts und hangelten sich durch die Öffnung ins Innere des Gebäudes. Als Aufbruchswerkzeuge hatten sie einen Akku-Trennschleifer und eine gebogene Brechstange dabei, einen sogenannten „Kuhfuß“. Ein Büroschrank wurde aufgehebelt und daraus eine graue Metallkassette mit knapp 5200 Euro Bargeld entwendet. Den Einbrechern fielen auch ein befülltes Sparschwein, 500 italienische Lire sowie ein Autoschlüssel in die Hände.

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Der Schlüssel passte zu einem grau-braunen Fiat Tipo, den ein Kunde auf dem Firmenparkplatz abgestellt hatte, um ihn reparieren zu lassen. Einer der Täter muss den Wagen geöffnet und gestohlen haben, um ihn als Fluchtfahrzeug zu nutzen. Er fuhr damit vom Tatort weg. Zwei Mittäter folgten ihm auf Fahrrädern. Die Fahrt ging über die Jahnstraße in Richtung Kesselstraße und 70 Meter entfernt zum Parkplatz des „Matchballs“, direkt neben der Sporthalle. Dort wurde der gestohlene Fiat offensichtlich fluchtartig verlassen. Die beiden Fahrräder lagen daneben. Im Dunkel der Nacht ist es den Einbrechern gelungen, unerkannt zu entkommen.

So sieht es zumindest der Staatsanwalt, der die Anklage verfasst hat. Bei ihren Ermittlungen konnte die Kripo auf vorhandene Spuren und zurückgelassene Gegenstände zurückgreifen. An einem der Fahrräder hing ein schwarzer Jutebeutel. in dem sich die erbeutete Geldkassette mit einem Teilbetrag von 485 Euro wiederfand.

Anklage steht auf zu dünnen Beinen: Wittener Schöffengericht entscheidet auf Freispruch

Die 500 Lire waren auch noch vollzählig vorhanden. In der Tasche steckte auch eine halbleere Colaflasche, an der DNA-Spuren hafteten. Diese konnten eindeutig dem 25-jährigen Angeklagten zugeordnet werden. Allein dadurch geriet er unter Tatverdacht und auf die Anklagebank. Aber reicht das für eine sichere Verurteilung aus?

„Nein“, sagt Verteidiger Pindu. Die DNA-Spuren an der Colaflasche bewiesen gar nichts. „Wir können nicht feststellen, dass der Angeklagte mit diesem Einbruch irgendetwas zu tun hatte“, erklärt der Verteidiger. Das Schöffengericht schließt sich dieser Einschätzung an und entscheidet auf Freispruch. Die Anklage sei „von Anfang an ein sehr schmales Brett“ gewesen, stellt Amtsgerichtsdirektorin Monstadt abschließend fest..

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