Bottrop-Kirchhellen/Dinslaken/Wesel. Bottrops Naturschutzbund erwartet ab dem Spätsommer wieder mehr Wolfsrisse. Für einen Abschuss haben Gerichte die Kriterien nochmals verschärft.
In zwei Gerichtsinstanzen sind der Kreis Wesel und NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) gescheitert mit ihrem Versuch, Problemwölfin Gloria mit einer Ausnahmegenehmigung abschießen zu lassen. Wenn es im Spätsommer wieder Nutztierrisse auf den Kirchhellener Weiden gibt, könnte die Debatte neu aufflammen. Allerdings hat ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in diesem Monat die Kriterien für einen Abschuss nochmals deutlich verschärft.
+++ Wollen Sie keine Nachrichten mehr aus Bottrop verpassen? Dann abonnieren Sie hier unseren WhatsApp-Kanal
Das Verfahren lief zwei Jahre lang und behandelte unglaublich komplizierte Rechtsfragen. Ganz grob vereinfacht geht die Geschichte so: Das österreichische Landesverwaltungsgericht in Tirol hatte dem Gerichtshof die Frage vorgelegt: Wie legen wir europaweit einheitlich die sogenannte Habitatrichtlinie des EU-Rates aus?
Die zählt den Wolf in vielen europäischen Ländern zu den „streng zu schützenden“ Tierarten und legt Kriterien für Ausnahmen fest, in denen Wölfe trotzdem getötet werden dürfen. Dazu hat das Gericht sinngemäß unter anderem gesagt: Vor einem Abschuss müssen die Behörden alle Alternativen abwägen - auch wenn sie teuer werden.
Auch interessant
Diese Vorgabe ist jetzt europaweit verbindlich und wird auch schon zitiert in einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen, das eine Ausnahmegenehmigung für den Abschuss eines Wolfes abgelehnt hat. Sie wird auch ihren Niederschlag in der Wolfsverordnung NRW finden. Mit welchem Ergebnis, ist aber noch völlig offen, sagt Rosali Kurtzbach, Sprecherin des Umweltministeriums: „Das umfangreiche Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wird zurzeit hinsichtlich seiner rechtlichen Auswirkungen überprüft. Wir bitten um Verständnis, dass wir den Ergebnissen der Prüfung noch nicht vorgreifen können.“
„Der Abschuss von Wölfen muss die absolute Ausnahme bleiben“
Nicole Kronauer von der „Gesellschaft zum Schutz der Wölfe“ fordert mit Blick auf das Urteil: Der Gerichtshof hat „wiederholt betont, dass der Abschuss von Wölfen die absolute Ausnahme bleiben muss. Bevor dem stattgegeben wird, müssen alle Schutzmaßnahmen ausgeschöpft werden. Nur durch massive Unterstützung der Weidetierhaltenden werden wir das Problem von Wolfsrissen bewältigen können.“
Die Arbeitsgemeinschaft der Naturschutzbünde (AG Nabu) im Wolfsgebiet verweist auf eine weitere Feststellung aus dem Urteil. „Die Europa-Richter machten klar, dass für den Wolf weiter der strengste Schutz gilt, solange der günstige Erhaltungszustand nicht lokal, national und grenzüberschreitend erreicht ist. Das ist noch lange nicht der Fall“, sagt Martin Frenk, Vorsitzender des Nabu Borken. „Gerade auch in NRW ist noch einiger Platz für Wölfe.“
„Wir müssen wieder mehr über unsere Wölfe wissen.“
Zweifel daran, dass Schnellabschussverfahren juristisch haltbar ist
Der EuGH stellte klar, dass eine Ausnahmegenehmigung zur Tötung eines Wolfes nur erteilt werden kann, wenn der Schaden einem Wolf konkret zuzuordnen ist. Martin Frenk sagt mit Blick auf die NRW-Wolfsverordnung: „Wir können uns nicht vorstellen, dass das geplante Schnellabschussverfahren, was auf die genetische Identifikation verzichtet, damit juristisch haltbar sein wird.“
Und der Bottroper Vorsitzende Rolf Fricke ergänzt: „Für das Wolfsterritorium Schermbeck unterstreichen wir unsere Forderung nach besserem Wolfsmonitoring. Wir müssen wieder mehr über unsere Wölfe wissen.“
Die Nabu-Vorsitzenden bleiben bei ihrer Einschätzung, nur guter Herdenschutz könne Nutztierrisse verhindern. Neue Zäune würden staatlich gefördert, beim Aufbau ließe sich ehrenamtliche Hilfe organisieren. „Auch im siebten Jahr der Anwesenheit von Wölfen rund um Schermbeck sehen wir aber hier immer noch Weidetiere hinter miserablen Zäunen. Es ist uns mittlerweile völlig unverständlich, warum die Tierhaltenden nicht längst Abhilfe geschaffen haben. Irritierend ist auch, warum die Veterinärämter nicht kontrollierend eingreifen“, kommentiert Martin Frenk. „Deswegen einmal mehr der Appell an alle Weidetierhaltenden der Region: Bitte übernehmen Sie endlich die volle Verantwortung für Ihre Tiere und zäunen Sie sachgerecht und flächendeckend!“