Miami. Er hat sich nie um Starrummel geschert und gehörte trotzdem zu den Großen des Filmgeschäfts: Donald Sutherland ist mit 88 gestorben.
Auf die Sexszene mit Julie Christie wurde er in Interviews immer wieder angesprochen. Es wirkte ein bisschen skurril, der Mann war ja immerhin schon über 80, seit 45 Jahren in dritter Ehe verheiratet, fünffacher Vater, und dieser einzigartige Horrorfilm „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ war mehr als 50 Jahre alt. Aber Donald Sutherland erklärte dann immer brav, wie unerotisch das Kamerasurren neben ihm war und dass er, entgegen der Behauptungen eines Filmcrewmitglieds, nicht wirklich mit der bildschönen Julie Christie geschlafen habe. Auch er wusste: Die Bettszene, in die Regisseur Nicolas Roeg so virtuos das Danach und das Davor hineinmontierte, wird für immer die bleiben, an der sich alle anderen messen müssen.
Mehr als 150 Filme hat er gedreht
Mehr als 150 Filme hat Donald Sutherland aus Saint John in New Brunswick, Kanada, gedreht, den letzten vor einem Jahr. Arbeitswahn nennt man das wohl, manchmal waren es drei, vier pro Jahr. Spätestens seit „Die Tribute von Panem“ wussten auch Teenager, dass er nicht nur der Vater von Kiefer Sutherland war. Und doch hat er nie zum Star getaugt, die Academy hat ihm trotz zahlreicher schauspielerischer Glanzleistungen den Oscar stets vorenthalten, er war nicht einmal nominiert. 2018 reichte es immerhin für den Ehren-Oscar.
Der dünne Hüne mit dem stechenden Blick und den Löckchen galt dem Hollywood-Establishment als zu kritisch, zu politisch, zu sperrig und zu unangepasst. Sutherland zog mit Jane Fonda gegen den Vietnamkrieg zu Felde, beschimpfte die Regierung, und sagte als Kanadier gerne: „Ich zahle zwar meine Steuern in Los Angeles, aber ich habe mir meine Distanz zu den USA bewahrt.“
Regisseure liebten den profilierten Charakterdarsteller
Die Regisseure allerdings liebten ihn als profilierten Charakterdarsteller schon in den Siebzigern, weil er sich ihnen entgegen aller Erwartungen bedingungslos unterwarf. Es waren die Großen, die nach ihm verlangten, weil sie sein intelligentes Spiel, seine Feinnervigkeit, seine Vielseitigkeit schätzten, was ihn universell einsetzbar machte: Fellini, Bertolucci, Eastwood, Schlesinger, Pakula, Louis Malle oder Oliver Stone. Sutherland gab ihnen gebrochene Helden und zwielichtige Typen, Zyniker und Idealisten, Zweifler und Überzeugungstäter, selten polternd, viel lieber leise, gelassen, unberechenbar und immer differenziert.
Er brillierte als „Casanova“, als eiskalter Nazispion im Thriller „Die Nadel“, als einsamer Kleinstadtdetektiv im Krimi „Klute“ mit Jane Fonda, als verzweifelnder Vater in „Eine ganz normal Familie“ von Robert Redford und ganz besonders in Robert Altmans unerreichter Satire „MASH“, in der er an der Seite von Elliott Gould als durchgeknallter Lazarettarzt den Wahnsinn des Koreakriegs mit einem perversen Sinn für Humor entlarvt. Ein Film, der Korea zeigte und Vietnam meinte und auf den Sutherland immer stolz war: „Ein Film wie MASH hat junge Leute politisiert“, hat er der „Zeit“ einmal gesagt. Ganz falsch lag er damit nicht.
Er ließ vieles liegen, wenn die Gage nicht stimmte
Freilich hat sich Donald Sutherland auch jene Menge Ramsch gegönnt, wenn das Geld stimmte, spielte wie Gene Hackman, Robert De Niro oder Al Pacino in zu vielen Filmen mit, die seine Teilnahme nie verdient hätten und ließ künstlerisch Bedeutsames liegen, wenn die Gage seiner Meinung nach nicht hoch genug war. Selbst mittelmäßige TV-Serien schreckten ihn nicht ab; mit dem Vorwurf, wahllos Rollen zu übernehmen, konnte er gut leben.
Donald Sutherland ist am Donnerstag in Miami im Alter von 88 Jahren verstorben.