Düsseldorf. Alarmsignal für die Kinderbetreuung. In NRW melden sehr viele Kitas Personalmangel. Die Beschäftigten sollen sich nun wehren, so Verdi.

Akuten Personalmangel müssen Kitas melden. Und im Januar gingen 2724 solcher Notrufe bei den Landesjugendämtern ein. Das heißt: Im Schnitt hat jede vierte Kita in NRW zu wenig Personal – allerdings setzen einige Kitas auch mehrfach im Monat solche Meldungen ab. Oder wie es im Behördensprech heißt: Sie unterschreiten die personelle Mindestausstattung. Das geht aus Zahlen hervor, die die Gewerkschaft Verdi vom NRW-Familienministerium bekommen hat.

Aus dieser schlechten Ausstattung, so Verdi, resultieren die vielen Notbetreuungen und Kita-Schließungen, die in diesem Winter die Eltern plagen. In den Wintermonaten gingen sogar bis zu 5000 Meldungen zu Personalunterbesetzungen ein. Das betraf also knapp die Hälfte der 10.700 Einrichtungen landesweit. Die Zahl der Doppelmeldungen ist nicht bekannt, aber rund jede fünfte Kita sah sich im Dezember und November gezwungen, zeitweise die Betreuungszeit herabzusetzen, Gruppen zu verkleinern oder zu schließen. Das geht ebenfalls aus Daten des nordrhein-westfälischen Familienministeriums hervor. Vereinzelt machten Kitas auch tageweise ganz dicht.

„Diese Daten machen deutlich, dass insbesondere saisonale Krankheitswellen die ohnehin personell schon angespannte Situation in den Kitas verschärfen“, heißt es dazu aus dem Ministerium. Die Ursache für die Personallücken werden allerdings ebenso wenig erfasst wie die Dauer und der Umfang der Angebotseinschränkungen. So könnten die Personalausfälle etwa auf kurz- oder längerfristige Erkrankungen der Erzieherinnen und Erzieher, aber auch Schwangerschaften, Stellenvakanzen oder eigene betreuungsbedürftige kranke Kinder zurückzuführen sein. 

Für die Gewerkschaft Verdi ist die anhaltend hohe Zahl an Meldungen ein weiteres Indiz dafür, dass das System der frühkindlichen Bildung auf Verschleiß seiner Beschäftigten gefahren werde. „Der Fachkräftemangel hat die NRW-Kitas voll im Griff. Die hohe Zahl der Meldungen ist nur die Spitze des Eisbergs. Schon ohne Unterschreitung der formalen Mindestpersonalbesetzung ist ein regulärer Betrieb in den Kitas vielfach nicht mehr möglich.“ erklärt Gewerkschaftssekretär Tjark Sauer.

Kita-Beschäftigte sollen sich nun wehren. Verdi ruft zur Unterzeichnung eines Offenen Briefes an die Familienministerinnen und -minister auf. Darin heißt es: „Das System Kita kollabiert. Bilden und erziehen können wir nur noch selten – wir verwahren (oft) nur noch. Das Wohl und die Sicherheit der Kinder in den Kitas sind regelmäßig und dauerhaft gefährdet. Der Notstand ist zum Alltag geworden. Und auch die physische und psychische Gesundheit von uns, den pädagogischen Fachkräften in den Kitas, ist stark gefährdet.“

November war der Monat mit den häufigsten Personalausfällen

Der Monat mit den häufigsten Personallücken im vergangenen Jahr war der November mit 4949 Meldungen aus 2432 Kitas, gefolgt vom Dezember mit 4277 Meldungen aus 2153 Einrichtungen. In der Konsequenz reduzierten die meisten KItas ihr Betreuungsangebot. Rund 100 schlossen zeitweise komplett, während mehr als 150 trotz Unterbesetzung ihr Angebot wie gewohnt aufrechterhielten. Im Vergleich dazu waren im Juli mit 314 Meldungen aus 195 betroffenen Kitas deutlich weniger Familien von einem eingeschränkten Angebot betroffen. 

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Der Fachkräftemangel stelle die Gesellschaft branchenübergreifend vor große Herausforderungen, teilte das Familienministerium dazu mit. Allerdings wachse die Zahl derer, die sich für eine Tätigkeit in der Kindertagesbetreuung entschieden, jedes Jahr. So sei die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher in zehn Jahren seit 2012 um mehr als 27.200 im Jahr 2022 angestiegen. Trotzdem reiche dies nicht, den durch den Ausbau der Kita-Landschaft gestiegenen Bedarf zu decken. 

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Fachkräfteoffensive: Möglichkeit, Personal flexibler einzusetzen

Das Ministerium verweist auf die inzwischen im Rahmen der sogenannten Fachkräfteoffensive eröffnete Möglichkeit, Personal flexibler als früher einzusetzen. So können etwa Kinderpflegerinnen in allen Gruppenformen eingesetzt werden, außerdem soll ausländischen Studienabsolventen der Zugang für die Arbeit in Kitas erleichtert werden. Damit diese Flexibilisierungen erfolgreich seien, baue man „auf eine noch aktivere Nutzung dieser Möglichkeiten durch die Träger als bisher“, hieß es. Außerdem werde mit Kommunen, Trägern und Landesjugendämtern über Möglichkeiten berufsbegleitender Qualifizierung von zusätzlichem pädagogisch tätigem Personal diskutiert. (dpa)