Berlin. Alkohol in der Ehe ist ein heikles Thema. Expertin Gaby Guzek antwortet einer betroffenen Leserin – und rät zu drastischen Maßnahmen.
Das Thema Sucht hat viele Gesichter und hinterlässt noch viel mehr Fragen – bei Betroffenen und auch Angehörigen. Hier können Sie sie stellen, egal zu welcher Art der . Sie bleiben garantiert anonym. Unsere Suchtexpertin Gaby Guzek beantwortet Ihre Fragen.
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Sie haben Fragen zum Thema Sucht oder sind selbst betroffen? Schreiben Sie uns an sucht(at)funkemedien.de.
Die Redaktion behält sich vor, ausgewählte Leserfragen anonym zu veröffentlichen.
Diesmal geht es um die Frage einer Leserin zu einem heiklen, aber erfahrungsgemäß weitverbreiteten Thema: Alkohol in der Ehe oder in langjährigen Beziehungen.
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Mein Mann ist alkoholkrank. Soll ich mich trennen?
Unsere Leserin fragt:
„Mein Mann ist sehr lange alkoholkrank und inzwischen fast 81. Viele Entzüge und Rehas haben nur kurzfristig geholfen. Auch diverse Medikamente schlugen nicht an. Der Alkohol hat natürlich Spuren im Kopf hinterlassen. Der Suchtdruck macht ihn sehr aggressiv, auch mir gegenüber. Fast 14-tägige Rückfälle mit eigenem Entzug sind für mich fast nicht mehr zu verkraften und auch unsere Katze leidet unter seinen Ausbrüchen.
Er kann mit Alltagsstress schwer umgehen, was dann wieder einen Rückfall folgen lässt. Ich habe verschiedene Hilfen in Anspruch genommen, alle rieten zur Trennung. Aber die Wohnungsnot ist ein Problem, beziehungsweise jeder Vermieter wird ihm kündigen bei Rückfällen, ohne Rücksichtnahme auf andere. Abgesehen davon, dass er nicht bereit ist aus unserer Eigentumswohnung auszuziehen. Welche Möglichkeit gibt es, ihn dazu zu bewegen? Aber wohin?
Mein zweites Problem ist das Auto. Er besitzt noch den Führerschein. Wie verhindere ich, dass er Auto fährt? Beim Hausarzt und Klinik habe ich keine Unterstützung erhalten.“
Alkoholsucht in der Ehe: „Sorgen Sie für sich und Ihr Wohlbefinden“
Expertin Gaby Guzek antwortet:
Bei Ihrem Mann hat es noch nicht „Klick“ gemacht – sein Leidensdruck ist nicht hoch genug, damit er endlich aufhört. Er spürt Ihr Zögern. Sehr wahrscheinlich haben Sie schon häufiger mit Konsequenzen gedroht, diese dann aber nicht in die Tat umgesetzt.
Das ist menschlich mehr als verständlich, für den Alkoholiker aber ein Freifahrtschein, nach dem Motto „Lass sie reden, es passiert ja doch nichts“.
Mehr als einmal habe ich in meinen Coachings erlebt, dass ein Führerscheinentzug ein Weckruf sein kann. Mein Rat: Wenn er das nächste Mal betrunken ins Auto steigt, rufen Sie die Polizei. Geben Sie das Kennzeichen an und die wahrscheinliche Fahrstrecke. Dann sind Sie schon mal diese Sorge los und er bekommt einen Schuss vor den Bug.
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Der Rat der Trennung ist bei allem, was Sie schildern, völlig richtig. Sollte Ihr Mann betrunken gewalttätig werden – was man Ihren Andeutungen entnehmen könnte –, rufen Sie die Polizei. Dazu muss er nicht körperlich gewalttätig werden, Wutausbrüche oder ähnliches reichen. Beantragen Sie ein Annäherungsverbot. Schaffen Sie das in der Situation nicht, zeigen Sie ihn am nächsten Tag an. Sollte es Belege für Gewalt geben, zum Beispiel Sie selbst oder Ihr Haustier sind verletzt, dann lassen Sie das vom Arzt dokumentieren.
Ihr Gedanke „Wo soll er denn hin?“ ist fehl am Platz. Sorgen Sie für sich und Ihr Wohlbefinden. Die Erfahrung zeigt: Je konsequenter Sie dies tun und umso mehr er deshalb den Boden unter den Füßen verliert, desto höher sind sogar die Chancen, dass er endlich etwas ändern wird. Das aber sollte nicht Ihre Motivation sein. Wenn das geschieht: gut. Wenn nicht: auch gut. Sorgen Sie für sich!
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Schlussendlich: Suchen Sie sich eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Alkoholkranken, es gibt viele davon. Holen Sie sich dort die nötige Kraft und das Wissen von Menschen, die auch wissen, wie es Ihnen geht.
Zur Person
- Gaby Guzek ist seit mehr als 30 Jahren Fachjournalistin für Wissenschaft und Medizin.
- Sie arbeitete nach ihrem Studium unter anderem bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der Fachzeitschrift „Die Neue Ärztliche“. Jahrelang selbst von schwerer Alkoholsucht betroffen und mit den Therapiemöglichkeiten unzufrieden, begann sie, sich intensiv mit dem Phänomen Sucht auseinanderzusetzen. 2020 veröffentlichte sie im Eigenverlag ihr Buch „Alkohol adé“* und steht heute als Coach unter gaby-guzek.com und in ihrem Forum alkohol-ade.com Alkoholsüchtigen zur Seite.
- Ihr aktuelles Buch „Die Suchtlüge. Der Mythos von der fehlenden Willenskraft: Wie Sucht im Hirn entsteht und wie wir sie besiegen“ ist bei Heyne erschienen.
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Gaby Guzek: Die Suchtlüge
Der Mythos von der fehlenden Willenskraft: Wie Sucht im Hirn entsteht und wie wir sie besiegen. HEYNE Verlag, Taschenbuch mit 224 Seiten, 13 Euro
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