Berlin. Carina Leonhardt ist 32 Jahre alt. Jahrelang litt sie unter den Symptomen des PCO-Syndroms. Wie sie die Krankheit in den Griff bekam.

Carina Leonhardt bekommt die Diagnose im August 2019 – mit 28 Jahren. "Für mich war das eine komplette Erleichterung. Weil ich wusste, womit ich es zu tun habe", erklärt sie. Vorher hatte sich Leonhardt jahrelang mit einem unregelmäßigen Zyklus und Akne herumgeschlagen, ohne die Ursache dafür zu kennen. Jetzt weiß sie: Sie hat das Polycystische Ovarialsyndrom, kurz PCOS und hat Methoden gelernt, damit umzugehen.

Zwischen acht und dreizehn Prozent aller Frauen in Deutschland sind davon betroffen. Trotzdem ist PCOS hierzulande kaum bekannt, sagt Annette Bachmann. "Das ist die häufigste endokrine, also hormonell bedingte Erkrankung bei Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter", erklärt die Oberärztin an der Frankfurter Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. "PCOS ist ein Symptomkomplex mit unterschiedlichen Krankheitsbildern."

PCO-Syndrom: Das sind die Symptome

Um eine Diagnose zu stellen, werden die drei sogenannten Rotterdam-Kriterien herangezogen. Treffen zwei davon auf eine Patientin zu, bekommt sie die Diagnose PCOS. Eines der Kriterien ist das seltene Auftreten von Eisprüngen, weshalb mit PCOS oft ein unerfüllter Kinderwunsch einhergeht. Probleme mit der Haut und den Haaren durch erhöhte männliche Hormone sind Annette Bachmann zufolge ein weiteres Rotterdam-Kriterium. "Das kann sich in unreiner Haut, Akne, vermehrter Körperbehaarung oder Haarausfall bemerkbar machen", erklärt die Ärztin.

Der Haarausfall tritt häufig in typisch männlichen Mustern wie Geheimratsecken, am Hinterkopf oder im Scheitelbereich auf, sagt Bachmann. Das dritte Kriterium sind viele Eibläschen im Eierstock, die bei einem Ultraschall nachgewiesen werden. Zusätzlich leiden betroffene Frauen unter Blutstörungen. "Häufig haben die Patientinnen einen unregelmäßigen Zyklus oder die Blutungen bleiben länger aus", so die Ärztin.

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Darüber hinaus haben PCOS-Patientinnen ein Risiko für psychische Erkrankungen, Angststörungen zum Beispiel, Depressionen, Ess- und Körperbildstörungen. 70 Prozent der Patientinnen haben zudem eine Insulinresistenz, so Bachmann. Der erhöhte Insulinspiegel könne genau wie Übergewicht zu den Symptomen des Syndroms beitragen.

PCOS: Was die Krankheit auslösen kann

Die Ursachen für die Vielzahl der Symptome sind Annette Bachmann zufolge noch nicht ganz geklärt. Derzeit gehe die Forschung von einem Einfluss erblicher Faktoren und Umweltfaktoren aus. Klar sei aber, dass es noch zu lange dauere, bis betroffene Frauen die richtige Diagnose erhielten.

Auch Carina Leonhardts Leidensgeschichte beginnt schon lange vor der Diagnose. "Der unregelmäßige Zyklus und Akne waren meine Hauptsymptome mit PCOS", erklärt sie. Mit fünfzehn sitzt sie das erste Mal beim Frauenarzt. Sie hat ihren ersten Freund und neben der Verhütung soll die Pille ihre Akne bekämpfen. "Ich wurde damals nicht richtig untersucht oder aufgeklärt", beschreibt Leonhardt. "Ich war fünfzehn und hatte seit ein paar Jahren meine Tage total unregelmäßig". Trotzdem sei damals nur die Standarduntersuchung gemacht worden, kein Ultraschall.

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Rückblickend ist sich die heute 32-Jährige sicher: "Wenn ich damals nicht mit der Pille angefangen hätte, wäre in meiner Pubertät schon festgestellt worden, dass ich das PCO-Syndrom habe. Durch die Pille sind meine Symptome einfach unterdrückt worden." Bis auf kurze Unterbrechungen nimmt sie das Hormonpräparat zwölf Jahre lang.

Erst als sie zu Beginn eines Urlaubs ihre neue Pillenpackung zu Hause liegen lässt, setzt Leonhardt diese endgültig ab. Sie beginnt nach dem Grund für ihre Symptome zu suchen und landet mit der Vermutung, sie habe PCOS, beim Frauenarzt.

PCOS-Betroffene fühlte sich von Medizin im Stich gelassen

"Beim Arzt wurde ein Ultraschall und ein Blutbild gemacht", berichtet Leonhardt, "weil ich alle drei Rotterdam-Kriterien erfüllt habe, wurde mir dann die Diagnose für PCOS gegeben." Glücklich ist sie mit dem Arztbesuch aber nicht. Sie bekommt wieder die Pille empfohlen. Und falls sie einen Kinderwunsch habe, erklärt Leonhardt, hätte man sie direkt an die Kinderwunschklinik überwiesen.

Carina Leonhardt bekam erst im Alter von 28 nach jahrelangem Leiden ihre PCOS-Diagnose.
Carina Leonhardt bekam erst im Alter von 28 nach jahrelangem Leiden ihre PCOS-Diagnose. © Katharina Tasser

Leonhardt entscheidet sich gegen eine Behandlung und versucht mit Hilfe ihres Studiums zur Ernährungsberaterin selbst herauszufinden, was ihr helfen könnte. "Vonseiten der Medizin fühlte ich mich oft alleingelassen", fasst sie die Erfahrungen zusammen.

Nach und nach findet Leonhardt eine Balance, um ihre PCOS-Symptome zu regulieren. "Die richtige Ernährung hat mir total geholfen, aber auch Stressmanagement und Sport", erklärt die in Chiemgau beheimatete Frau. Wichtig war auch offen über das Thema zu reden. "Ich hatte das Gefühl, ich bin die einzige mit dieser Diagnose. Dann habe ich festgestellt, dass es anderen ähnlich geht wie mir", so Leonhardt.

Einer möglichen Überforderung nach der Diagnose versucht Oberärztin Bachmann etwas entgegenzusetzen. "Wichtig ist, dass die Patientinnen gute und validierte Informationen bekommen", erklärt sie.

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Wie das PCO-Syndrom behandelt werden kann

"Es gibt viele junge Frauen, die sich bei mir für eine zweite Meinung vorstellen und sagen, dass sie PCOS haben und stark belastet sind, weil sie denken, dass sie unfruchtbar sind." Viele von ihnen lehnten zudem die empfohlene Einnahme der Pille ab.

Bachmann macht deutlich, dass die Pille ein sehr gutes Medikament für eine ganze Reihe von PCOS-Symptomen ist – aber nicht die einzige Behandlungsoption. Stattdessen werde die Therapie so ausgerichtet, dass das behandelt wird, was die Frauen am meisten störe, so die Oberärztin. Dazu gehöre für sie auch über die Pille zu informieren. Bachmann betont dabei vor allem einen Punkt, der betroffenen Frauen die Angst nehmen soll: "Jede PCOS-Patientin kann mit der richtigen Behandlung genauso viele Kinder haben, wie jede andere Frau ihres Alters."