Washington/New York. Vor der Verhandlung zog Ex-Präsident in sozialen Medien über sein Opfer E. Jean Carroll her. Richter Kaplan schob dem einen Riegel vor.
“Einspruch!” - “Abgelehnt!” “Einspruch!” - “Abgelehnt!”. Wann immer Alina Habba am Donnerstag im Gerichtsgebäude in Manhattan im millionenschweren Zivil-Prozess um sexuellen Missbrauch und Verleumdung zu Lasten der Kolumnistin E. Jean Carroll für ihren Mandanten Donald Trump in die Bresche springen wollte - Richter Lewis Kaplan agierte kompromisslos als Abfangjäger.
Der resolute Jurist gab der Verteidigerin damit einen Vorgeschmack auf den Zentimeter genau abgezirkelten Spielraum, den er dem amerikanischen Ex-Präsidenten bei seiner mit Spannung erwarteten Zeugen-Aussage zubilligen würde. Kaplans Ziel: Trump sollte keinerlei Möglichkeit geboten werden, seine seit Monaten bekannten Hass-Tiraden gegen Carroll und die Justiz auch vor einer Geschworenen-Jury zu wiederholen.
Vergewaltigung fand im Luxus-Kaufhaus Bergdorf Goodman statt
Was war geschehen: Fünf Millionen Dollar Schmerzensgeld wegen sexuellen Missbrauchs und Verleumdung des Opfers –dazu war der republikanische Präsidentschaftskandidat bereits im vergangenen Frühjahr in einem ersten Zivilprozess in New York verurteilt worden. 1996, so hatte die Publizistin die Jury überzeugt, habe Trump sie in der Umkleidekabine des New Yorker Luxuskaufhaus Bergdorf Goodman vergewaltigt. Trump bezeichnet die Anschuldigungen bis heute als Lüge.
Anstatt dem Rat seiner Anwälte zu folgen und zu schweigen, legte der 77-Jährige bereits kurz nach dem Urteilsspruch der Geschworenen-Jury nach und wiederholte seine Attacken gegen das Opfer. Trump warf der 79-jährigen vor, sich die Geschichte ausgedacht zu haben, um ein Buch zu bewerben. Carroll ließ das nicht auf sich sitzen. Was folgte, war eine zweite Klage - erneut wegen Verleumdung. Diesmal fordert die Autorin, die nach der Trump-Attacke nach eigenen Worten nie wieder mit einem Mann intim sein konnte, mindestens zehn Millionen Dollar Schadensersatz.
Zuvor wollte Trump, der den ersten Prozess geschwänzt hatte, persönlich als Zeuge aussagen. Bevor es um 14 Uhr so weit war, handelte Kaplan mit Anwältin Habba präzise Regeln aus, was Trump sagen darf und was auf keinen Fall.
Ein Grund: Noch in der Nacht zu Donnerstag hatte der Ex-Präsident in sozialen Medien binnen knapp zwei Stunden in 37 Beiträgen Carroll verunglimpft und war über Richter Kaplan hergefallen. Trump schrieb, er wisse “nichts über diese Frau, habe nie von ihr gehört, sie nie berührt und nie etwas mit ihr zu tun gehabt”. Es handele sich um eine “falsche Anschuldigung”, die von “demokratischen Handlangern und Geldgebern” in die Öffentlichkeit gezerrt worden sei. “Diese Leute sind krank.” Richter Kaplan warf er vor, ihm gegenüber “außerordentlich feindselig” und ein “hundertprozentiger Trump-Hasser” zu sein.
Um eine Wiederholung im Gerichtssaal zu unterbinden, stellte Kaplan vorher fest, dass die im ersten Prozess erhobenen Fakten auf keinen Fall neu verhandelt werden. “Die Geschworenen stellten fest, dass Herr Trump seine Finger in ihre Scheide eingeführt hat. Und dass Frau Carroll ihre Anschuldigungen nicht erfunden hat. Und dass seine Bemerkungen vom 11. und 22. Juni 2023 verleumderisch waren. Herr Trump darf nicht dagegen argumentieren.”
Trump, sichtlich erbost, kam nur ganz kurz zu Wort. Er bekräftigte, bei seiner eidesstaatlichen Vernehmung aus dem Jahr 2022 zu bleiben. Darin beteuerte Trump, Carroll sei “in keiner Weise sein Typ”, allein darum schon könnten die Anschuldigungen nicht stimmen. Im Verlauf dieser Anhörung wurden Trump jedoch Fotos gezeigt. Auf einem identifizierte der Ex-Präsident seine zweite Ehefrau Marla Maples. “Ja, das ist Marla.” In Wahrheit handelte es sich um E. Jean Carroll.
Trump-Anwältin Habba versuchte es mit der Brechstange - vergebens
Unterdessen versucht Trumps Anwältin Habba es auch am Donnerstag weiter mit der Brechstange: Der Prozess, sagte sie, müsse mangels Substanz eingestellt werden. Begründung: Ihr Mandant hat die Vorwürfe grundsätzlich bestritten. Kaplan verwarf den Antrag binnen Sekunden.
Habba setzte sich der Gefahr aus, vom Richter gemaßregelt zu werden, weil sie offensichtlich vor wenigen Tagen gelogen hatte. Habba gab an, Corona-Infizierten ausgesetzt gewesen zu sein. Darum müsse der Prozess verschoben werden. Am besagten Tag ließ sich die Anwältin allerdings bei der Siegesfeier von Trump nach den Vorwahlen in New Hampshire mit einem Trump-Fan ablichten; und sah ausgesprochen gesund aus.
Dass Trump die Möglichkeit zur Show im Gerichtssaal genommen wurde, ließ ihn innerlich kochen. Beim Rausgehen sagte er mit lauter werdender Stimme: “Das ist nicht Amerika. Nicht Amerika. Das ist nicht Amerika."
Wie schon im ersten Verfahren gilt: Strafrechtlich sind die Vorwürfe lange verjährt. E. Jean Carroll will, dass Trump für seine fortgesetzte Verleumdung noch stärker finanziell bluten muss. Bereits am heutigen Freitag könnte die Jury über Summe entscheiden.
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