Köln/Hamburg (dpa/tmn). Sie antworten nicht auf E-Mails, missachten Regeln - und wenn die Kollegen sich ärgern, ändert sich: nichts. Doch wie geht man mit solchen Teammitgliedern am besten um - und was kann dahinter stecken?
Oft ahnt man es schon im Vorfeld: Der Kollege kommt, klar, mal wieder zu spät zum wichtigen Meeting. Die Kollegin reagiert nicht auf die E-Mail. Und das, obwohl sie doch weiß, wie dringend man auf ihre Antwort wartet.
Was man womöglich auch schon aus Erfahrung weiß: Selbst wenn man die jeweiligen Kollegen darauf anspricht, ändert sich nichts. Ist es ihnen denn völlig einerlei, welche Folgen das für ihre Kollegen, für das Team hat?
Für Experten kann besagtes Verhalten ein Hinweis auf eine dissoziale Persönlichkeitsstruktur des betroffenen Teammitglieds sein. „Solch ein Mensch ist unbeteiligt gegenüber den Gefühlen anderer und empfindet keine Scham oder Schuldbewusstsein für sein Verhalten“, sagt der Psychologe, TV-Moderator und Buchautor Rolf Schmiel („Psychohacks für ein glückliches Leben“). „Regeln, die klar vereinbart wurden, werden im Arbeitsalltag von ihm immer wieder gebrochen - und er fühlt sich nicht schlecht dabei.“
Dazu kann auch gehören, dass man auf Entschuldigungen lange wartet, etwa wenn das Teammitglied zu einem Termin zu spät oder gar nicht kommt. „Solche Menschen sind überzeugt, dass das, was sie tun, richtig ist“, sagt die Wirtschaftspsychologin Svenja Hofert. Sie sind nicht kooperativ, sondern eher egoistisch und richten sich bei ihren Entscheidungen an anderen Dingen aus - meistens an sich selbst.
Die Reißleine ziehen
„Empathie ist das Zünglein an der Waage“, so die Buchautorin und Organisationsberaterin. „Selbst an Dinge aus dem Bereich der normalen sozialen Kultivierung halten sie sich schon nicht.“ Da kann es dann passieren, dass sie im Büro einen Döner essen und das Papier neben den Mülleimer werfen.
Fragt sich nur, ob ich mich an solch eine „Macke“ gewöhnen muss. Für Hofert ist der Fall klar: „Wenn es wirklich nur eine Macke ist, ist es okay. Leute mit Macken sind kein Problem.“ Die Grenze wird jedoch dann überschritten, wenn Kolleginnen und Kollegen darunter leiden.
Das heißt, wenn sie sich auch nach der Arbeit noch damit beschäftigen, sich so viele Gedanken machen, dass sie nicht mehr schlafen oder nicht mehr richtig arbeiten können. „Die entscheidende Frage ist immer: Ist das Verhalten, was jemand an den Tag legt, noch funktional für die Organisation - oder ist es schon dysfunktional.“
Spätestens im zweiten Fall muss man die Reißleine ziehen. Und zwar, indem man zum einen lernt, sich vom Verhalten der Kollegin, des Kollegen abzugrenzen. „Realitätsakzeptanz ist der erste Schlüssel, um mit solchen Situationen umgehen zu können“, so Schmiel.
Wenn der Leidensdruck für das Team zu groß wird, sollte man zum anderen die Führungskraft oder den Betriebsrat einschalten. Und zwar um klarzumachen: Hier ist jemand, dessen Verhalten eine große Belastung für alle ist - nicht aufgrund mangelnder Leistung, sondern aufgrund einer mangelnden Sozialität.
Klarstellen sollten Vorgesetzte dann vor allem eines: „Es ist mir egal, wie hoch Ihre Verkaufszahlen sind oder welch hervorragende Arbeit Sie leisten: Solange Sie dazu beitragen, dass sich Kollegen nicht wohlfühlen, werden Sie den Erwartungen, die ich an Sie habe, nicht gerecht.“
Ellenbogen und Ehrgeiz
Doch nicht immer sind die Betroffenen im Job ohne Erfolg. Svenja Hofert spricht von einer sogenannten „dunklen Triade der Macht“, zu der Psychopathen, Narzissten und Machiavellisten gehörten. „Haben Manager krankhaft übersteigerte Persönlichkeitsmerkmale in einem der drei Bereiche, können sie sich manipulativ verhalten. Sie können sich etwa als Narzisst sehr sozial und charmant geben, aber auch asozial und abwertend.“
Laut Schmiel dann auch ein Problem: Werden Betroffene auf ihr Verhalten angesprochen, zeigen sie, sofern sie gut angepasst sind, eine Reaktion, bei der wir glauben, dass sie ihren Fehler eingesehen haben. „Innerlich denken sie aber: Was will die blöde Kuh von mir.“ Viele hätten hohe manipulative Kompetenz, so Schmiel, weil sie ein sozial erwünschtes Verhalten hervorragend spielen könnten.
Hinzu kommt: Sie haben meistens stark ausgeprägte Ellenbogen und Ehrgeiz und ein erhöhtes Machtstreben. „Das macht sie zu effizienten und auch erfolgreichen Mitarbeitern, weil sie zum Teil Wege gehen, die gegen die Regeln verstoßen“, sagt der Psychologe. Oft würden sie sogar zum „Star“ eines Teams oder einer Abteilung. Denn so manche Führungskräfte schätzen ihre rein sachliche und professionelle Ausrichtung und befördern sie sogar.
Menschen mit einer dissozialen Persönlichkeitsstruktur werden anderen aber überall das Leben schwer machen: „Ganz egal, in welcher Firma sie arbeiten: Sie werden andere immer an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringen“, sagt Svenja Hofert.
Statt zu versuchen, die Kollegin oder den Kollegen zu ändern, kann dann etwas anderes Sinn machen: bei ihrer Arbeit ansetzen. „Es geht darum, jene Tätigkeiten, die soziale Komponenten und Nähe zu Menschen haben, zu reduzieren“, sagt Schmiel, „und sie in ihrem eigenen Spektrum Dinge abarbeiten lassen - das kann der Ausweg sein aus diesem Dilemma“.
Literatur:
Rolf Schmiel: Psychohacks für ein glückliches Leben. 111 wirksame Tools gegen den Alltagswahnsinn, 2023, Edel Books, 256 Seiten, 18,95 Euro, ISBN: 978-3-8419-0839-1