Um mehr Frauen in die Ingenieurwissenschaften zu locken, bieten fünf Hochschulen ein rein weibliches Studium an. Technik lernen ohne Männer – was bringt es den Studentinnen?

Normalerweise sitzen in einer Informatikvorlesung lauter Männer – und ein paar Frauen. Dass in diesem Seminarraum an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) etwas anders ist, sehen Beobachter auf den ersten Blick: Männer gibt es hier nicht – der Bachelor Informatik und Wirtschaft ist ein Frauenstudium.

Die Stimmung sei hier viel lockerer als in einer gemischten Gruppe, erzählt Sarah Jordan, die im fünften Semester des Frauenstudiengangs studiert. Man helfe sich viel gegenseitig. Zuvor hat sie ein Studium in Bauingenieurwesen abgebrochen, in dem sie fast nur von Männern umgeben war.

„Auf dem Arbeitsmarkt sind weibliche Ingenieure gefragt. Doch in den entsprechenden Studiengängen sind Frauen nur vereinzelt vertreten“, sagt Juliane Siegeris, Leiterin des Frauenstudiengangs an der HTW.

Viele Abiturientinnen glaubten, in einem von Männern dominierten Studiengang nicht mithalten zu können. „Sie denken, ihre Vorkenntnisse in technischen Fächern wären zu schlecht, und haben Sorge unterzugehen“, ergänzt Ulrike Schleier. Sie leitet den Frauenstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven.

Frauenanteil steigt nur langsam

Diese Beobachtung spiegelt sich auch in aktuellen Studien wider: Zwar steigt die Zahl der Frauen beispielsweise in den Ingenieurwissenschaften an. Dennoch war 2012 unter allen Studienanfängern in diesem Bereich nicht einmal jeder Vierte (23 Prozent) weiblich. Um Frauen stärker für Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) zu begeistern, wurde 2009 der Frauenstudiengang an der HTW gegründet.

Darüber hinaus gibt es in Deutschland noch vier weitere MINT-Angebote, die sich nur an Frauen richten: Wirtschaftsingenieurwesen an den Hochschulen in Wilhelmshaven und Stralsund, Informatik an der Hochschule Bremen und Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Furtwangen.

„Der Studiengang wird gut angenommen“, sagt Siegeris. Die Zahl der Bewerberinnen übersteige die Zahl der Plätze um mehr als das Doppelte. Um den Frauen eventuelle Ängste zu nehmen, würden im Studiengang zwei Grundsätze propagiert: „Bei den Informatikkenntnissen wird bei null angefangen.“ Außerdem sei es ausdrücklich erwünscht, Fragen zu stellen.

Davon machen die Frauen auch viel Gebrauch. „Wir beobachten, dass Frauen insgesamt mehr fragen und in den Lehrveranstaltungen stärker in den Diskussionsprozess gehen“, sagt Schleier. Männer ließen Vorlesungen dagegen eher über sich ergehen. Geeignet seien die Frauen-Studiengänge aber nicht nur für Abiturientinnen. Auch Frauen, die schon einige Jahre im Beruf stehen und merken, dass sie mit ihrer Ausbildung nicht weiterkommen, entscheiden sich für diese Studiengänge.

Spaß am logischen Denken

„Wichtig ist, dass die Frauen Spaß daran haben, logisch zu denken und sich für Technik interessieren“, sagt Petra Jordanov, die den Frauenstudiengang an der Fachhochschule Stralsund leitet. Im Alltag seien so viele Dinge von Technik beeinflusst – viele Frauen fänden es spannend, auf deren Gestaltung Einfluss zu nehmen.

Doch obwohl einige Firmen explizit an weiblichen Fachkräften interessiert sind, sollten Absolventinnen in Bewerbungsverfahren nicht mit ihrem Frauenstudiengang hausieren gehen. „Im Vorstellungsgespräch könnte sich der ein oder andere Personaler sonst die Frage stellen: Hat sie es nicht geschafft, sich in einem gemischten Studiengang durchzusetzen?“, sagt der Personalberater Jan Bohlken. Er unterstützt Firmen bei der Rekrutierung von Fach- und Führungskräften. Bohlken vermutet, dass vielen Personalern darüber hinaus das Konzept der Frauenstudiengänge nicht im Detail bekannt ist – und deshalb Vorurteile entstehen könnten.

„Dabei zeigt sich spätestens im Master, wenn Frauen und Männer wieder gemeinsam studieren, dass sie gleich gut sind“, sagt Juliane Siegeris von der HTW. Oft gibt es laut der Stralsunder Professorin Jordanov den Vorwurf, die Frauen-Studiengänge seien einfacher und die Studentinnen würden dort bevorzugt behandelt. Doch das sei nicht der Fall: „Die Inhalte sind genau die gleichen wie im gemischten Studiengang“, sagt sie. Ulrike Schleier von der Jade Hochschule ergänzt: „Das ist – anders als manche behaupten – kein Studium light.“

Dennoch hat Studentin Sarah Jordan das Gefühl, von den Männern in anderen Studiengängen an der HTW belächelt zu werden. Doch darauf gibt die 24-Jährige nicht viel. In einem Praktikum bei einer Firma, die Industrieroboter herstellt, konnte sie sich bereits behaupten. Später würde sie gern als Programmiererin tätig sein. „Dann wieder mit Männern zu arbeiten, macht mir natürlich nichts aus“, sagt sie.