Michael Lang ist Chef im Winterhuder Fährhaus. Früh konnte er an der Oper seinen Jugendtraum verwirklichen. Doch er wollte mehr.

Er ist neugierig, wissensdurstig, 50 Jahre alt und befindet sich gerade ganz oben in seiner dritten Karriereposition. "Schon als Kind wollte ich Berufsmusiker werden", sagt Michael Lang, der heute Direktor des Winterhuder Fährhauses ist. Er brannte für seine Leidenschaft, übte täglich viele Stunden das Klarinettespielen. So war es selbstverständlich, dass der gebürtige Dortmunder nach dem Abitur Orchestermusik und Musikpädagogik studierte: in Hamburg, an der Hochschule für Musik in Harvestehude.

Nach dem Abschluss bekam Lange eine Stelle im Orchester der Hamburgischen Staatsoper. "Das war mein Lebenstraum. Darauf habe ich schon als junger Mensch hingearbeitet." Er erhielt jetzt, anders als die meisten Künstler, ein festes Gehalt und hatte einen krisensicheren Job. Doch der junge Musiker wurde mit der Zeit unruhig. War das alles? Er stellte fest, dass es noch viele andere, ebenso spannende Aufgaben gab, die er entdecken wollte.

So verfolgte Michael Lang als Gasthörer Vorlesungen im bundesweit ersten Studiengang für Kulturmanagement an der Hochschule für Musik. Er war sofort "Feuer und Flamme". Lang kündigte im Orchester, gab seine Lebensstellung auf. "Erst wollte ich es nicht wahrhaben, ich haderte mit mir selbst: Soll ich den Traumberuf aufgeben? Oder nicht? Das war ein sehr schmerzhafter Prozess."

Der ein oder andere Musiker hätte sich diesen radikalen Schritt schon angesichts der sicheren Anstellung wohl nicht getraut. Doch Lang war konsequent. Er schrieb sich wieder an der Musikhochschule ein, zog 1994 mit 32 Jahren nochmals in eine Wohngemeinschaft in Winterhude. Um finanziell über die Runden zu kommen, unterrichtete er zudem an der Jugendmusikschule. "Hermann Rauhe, der damalige Präsident der Hochschule, hat mich darin bestärkt, dass dieser Weg der richtige ist", sagt Lang. Nach fünf Semestern Aufbaustudium hatte er sein drittes Diplom in der Tasche. Sein erster Job nach dem Abschluss wurde die Geschäftsführung von "New Generation", einem Hamburger Kultur- und Bildungsverein für Menschen 50plus.

"Am meisten haben mich während des Studiums die zahlreichen Honorarprofessoren beeindruckt, die jede Woche Vorlesungen aus ihrer Praxis im Unternehmen hielten. Ich habe in dieser Zeit viel Wissen aufgesaugt, zum Beispiel über rechtliche Belange, Wirtschaft und Mitarbeiterführung." Dozenten waren unter anderem berühmte Männer wie Manfred Lahnstein, Peter Ruzicka und Helmut Schmidt. Auch der Theaterintendant Rolf Mares hielt Vorlesungen. Lang freundete sich mit ihm an. Ansonsten ist der Mann ebenfalls gut vernetzt. "Bei Fragen kann ich heute noch meine ehemalige Dozenten und Gastprofessoren anrufen." Den einen oder anderen lädt er jedes Jahr ein - zum Neujahrsempfang des Winterhuder Fährhauses. Auch Helmut Schmidt nahm die Einladung, gemeinsam mit seiner Frau Loki, viele Jahre gern an.

Ob es Glück war oder sein offenes Wesen, das immer bereit ist, den Horizont zu erweitern, kann Lang nicht sagen: 1997 sprach ihn Rolf Mares an, damals Direktor des Winterhuder Fährhauses. Er bot ihm an, sein Nachfolger zu werden. Lang war überrascht. Er, der verhältnismäßig junge und im Sprechtheaterbereich unerfahrene Mann sollte in die Fußstapfen von Mares treten? Rauhe motivierte ihn, das Angebot anzunehmen. Lang kündigte bei "New Generation", nachdem ihm Mares versprochen hatte, noch ein Jahr zur Einarbeitung zu bleiben. "Ich habe zugesagt. Aber dass die Fußstapfen so groß sind, habe ich damals nicht geahnt", sagt Lang. Seite an Seite saßen sie damals zusammen im Direktionsbüro. Der Direktor in spe sog das Wissen auf. Und die Berliner Theaterfamilie Wölffer, der das Haus gehört und die das Theater betreibt, war begeistert.

Mehr als 50 Mitarbeiter, darunter auch Studenten für die Theatergastronomie, unterstehen Michael Lang heute. Neben dem Hauptsaal, in dem vorwiegend heitere Komödie mit beliebten und bekannten Stars als "Zugpferde" gespielt werden, geht es im kleinen Saal des Theaters Kontraste mit seinen 100 Plätzen deutlich kritischer zu. "Die Stücke, die dort gezeigt werden, reflektieren schonungslos die menschlichen Beziehungen, gewürzt mit bitterbösem, tiefsinnigem Humor", sagt Lang.

Eine weitere Ergänzung stellt die Reihe Komödie extra dar. Zum Programm gehören literarische, musikalische und kabarettistische Sonderveranstaltungen, die sonntags als Matinee oder an einem sonst spielfreien Montagabend im großen Saal gezeigt werden. Tagsüber gibt es zudem manchmal Theater für Familien. "Wir kommen auf mehr als 500 Vorstellungen im Jahr", sagt der Direktor, dessen Haus nur für die Kontraste-Bühne etwas Geld von der Kulturbehörde bekommt.

"Das Programm soll möglichst vielfältig sein. Wir wollen ein Theater für alle Generationen sein", betont Michael Lang. Die Stücke im großen Haus werden in weiten Teilen vom Berliner Stammhaus produziert und bestimmen somit auch den Hamburger Spielplan. Im Theater Kontraste und bei den Sonderveranstaltungen ist Lang alleinverantwortlich.

Der Mann ist ein Team-Player in einem pulsierenden Theater. "Ich übertrage viel Verantwortung auf meine Abteilungsleiter", sagt er. Mitarbeiter, die mitdenken, schätzt er. Lang lädt seine Mitarbeiter regelmäßig zu Gesprächen ein. Wer eigenständige Entscheidungen treffen dürfe, sei im Job motivierter als jemand, hinter dem immer der Chef stehe und ihm diktiert, was er machen müsse.

Aus seiner Wohngemeinschaft ist der inzwischen 50-Jährige längst ausgezogen. Während seines dritten Studiums lernte Lang die Kommilitonin Anja Michalke kennen. Inzwischen leben sie mit Sohn Nikolai und dem Husky-Mischling Skipper in Volksdorf. Ist das die richtige Umgebung für einen umtriebigen Kulturmanager? "Ja", sagt Michael Lang. "Hier finde ich Kontakt zu Menschen außerhalb des Kulturbetriebs. Es ist gut, eine räumliche Distanz zum Job zu haben." Gut zehn Jahre wohnt er mit seiner Familie schon in dem gutbürgerlichen Stadtteil. Lang, der Dortmunder, kam mit sechs Jahren nach Hamburg, weil sein Vater einen Job beim Computerhersteller IBM bekam. Die Stadt ist seine Heimat geworden. Er spielt Fußball bei den "Alten Herren" des SC Poppenbüttel.

Lang übt sich darin, nicht 24 Stunden am Tag an seinen Job zu denken. Die meisten Ideen kommen ihm nämlich, wenn er gerade nicht im Theater ist. "Man braucht einen Ausgleich, man muss in einer Welt verwurzelt sein, in der man keine Rolle übernimmt. Sonst wird man zum Fachidioten."