Der Businessplan sollte individuell und praxisnah formuliert sein, um einen solide Basis zu sichern. Experten raten zu weniger Theorie.
Als Andreas Lutz vor acht Jahren sein Beratungsunternehmen gründete, bekam er einen Brief von der Arbeitsagentur, die damals noch Amt hieß. "Machen Sie sich keinen Kopf. Starten Sie durch. Wir greifen Ihnen finanziell unter die Arme", diese Botschaft sei bei ihm hängen geblieben, sagt der Existenzgründer. "Rückendeckung von offizieller Seite - das war für mich toll." Und der entscheidende Anstoß, Selbstständigkeit zu wagen, sagt der Betreiber der Seite gruendungszuschuss.de.
Bislang hatten Arbeitslose, die eine Existenzgründung planten, wie Lutz einen Rechtsanspruch auf die Förderung - wenn sie diese bei der Arbeitsagentur mit einem Businessplan und einer fachkundigen Stellungnahme, etwa von der Handelskammer, beantragten.
Im Dezember 2011 hat der Gesetzgeber aus dem Anspruch eine Ermessensleistung gemacht. Jetzt kann nicht mehr so gut wie jeder Antragsteller auf die Förderung bauen. "Das ist eine Ungleichbehandlung der Gründer, weil die Kriterien nicht klar sind", sagt Lutz und prognostiziert den Rückgang geförderter Gründungen von deutschlandweit 140 000 im Jahr 2011 auf 90 000 in diesem Jahr.
In Hamburg waren es bislang etwa 20 Prozent aller Gründungen, die von der Arbeitsagentur gefördert wurden, sagt Bernd Reichhardt von der Handelskammer. Der Leiter des Geschäftsbereichs Starthilfe und Unternehmensförderung sieht einen Zusammenhang zwischen Arbeitsmarkt und Selbstständigkeit: "Wenn es hinreichend Alternativen gibt, gibt es weniger Gründungen." Mit rund 20.000 Gewerbeanmeldungen war 2011 dennoch ein starkes Gründerjahr in Hamburg.
Doch Quantität sei nicht gleich Qualität, sagt Reichhardt. Etwa die Hälfte der Kleingewerbetreibenden sind nach fünf Jahren wieder vom Markt verschwunden. Bei den im Handelsregister eingetragenen Kaufleuten geben im selben Zeitraum 35 Prozent auf. Reichhardts Tipp für Gründer: "Nie im eigenen Saft schmoren." Sie sollten sich mit anderen Selbstständigen austauschen, sich von Experten beraten lassen und so früh wie möglich erste Kunden finden und Umsatz machen.
Nicht lange planen, sondern schnell ins Geschäft starten, sei ein Grundsatz, den ein neuer Typ von Gründern bereits befolgt, sagt Karriereexpertin Svenja Hofert. Das seien nebenberufliche Gründer und Einzelkämpfer, die vor allem ihr "eigenes Ding machen" wollten. Hofert nennt sie "Unabhängigkeitsgründer" und schlachtet für sie heilige Kühe wie Unternehmerpersönlichkeit, Spezialisierung und Businessplan: "Es kommt darauf an, dass die Idee zum Gründer passt, dass er sie ausprobiert und sich nicht schon in der allerersten Phase zu sehr spezialisiert", sagt sie.
Den Businessplan zu schreiben, bevor ein erster Auftrag in Sicht sei, hält Hofert inzwischen für den "größten Stolperstein einer Gründung". Damit widerspricht sie Beratern wie Frederic Breiler vom Gründungszentrum .garage Hamburg, der sagt: "Ein gut geschriebener Businessplan ist der Erfolgsmotor einer Gründung: konkret formuliert, genau durchdacht, durchgerechnet, in der Ich-Form geschrieben."
Der Gründer sollte also auf komplizierte theoretische Abhandlungen in seinem Geschäftsplan verzichten - auf diesem Nenner lassen sich auch Breilers und Hoferts Ansichten wieder vereinen. "Wenn man nur mit allgemeinen Marktzahlen und durchschnittlichen Stundensätzen hantiert, bleibt der Businessplan ein Pseudobeleg dafür, dass man sich Gedanken gemacht hat", sagt Hofert. Lieber durch Erfahrungen und Gespräche lernen, sich ausprobieren und vernetzen, empfiehlt die Beraterin. Wer sich über Empfehlungen, Vorträge oder Social Media bekannt mache, könne auch ohne die oft unbeliebte "Akquise" eine Existenz gründen. André Berkmüller, Gründer der Designagentur "Brandfördernd" kennt das Problem: "Akquise ist ein schwieriges Thema." Dass er es anpacken muss, ist klar, denn der Webdesigner will in den nächsten Jahren fünf bis sechs Mitarbeiter einstellen. Berkmüller war jahrelang nebenberuflich selbstständig. Aus Freundschaftsdiensten entwickelte sich eine Empfehlungsmaschinerie.
Als er arbeitslos wurde, lag es für ihn nahe, zu gründen. Der ehemalige Teamleiter ist Verhandlungen gewohnt: "Bei meinem Stundensatz bin ich ultrakonsequent", sagt er. Im Unterschied zu vielen Gründern, die sich zu schnell über den Tisch ziehen ließen, wie Frederic Breiler vom Gründungszentrum .garage beobachtet. "Vertrieb und kaufmännisches Wissen sind die großen Themen für alle Gründer." Dazu gehöre auch ein Grundkurs Buchhaltung: "Das Grundwissen braucht man, damit man sich auch mit dem Steuerberater unterhalten kann."
Noch macht Berkmüller seine Steuererklärung allein. Aber vielleicht kann er sich den Steuerberater bald leisten: Rechtzeitig vor der Gesetzesänderung hat er noch den Gründungszuschuss beantragt. Wie für Andreas Lutz war der Zuschuss auch für ihn ein Anstoß, zu gründen. Diese Motivation wird vielen künftig fehlen.