Meeresforscher: Kein Traumberuf, sondern ein Knochenjob. Sie messen bei jedem Wetter auf See, verifizieren Daten und entwickeln Theorien.
Wie es als Doktorin der Meeresbiologie weitergeht, weiß Jennifer Dannheim noch nicht. Aber sie hat auch keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Die 29jährige untersucht die Auswirkung der Fischerei auf die Bodenlebensgemeinschaften in der Nordsee. Das ist Thema ihrer Doktorarbeit und eines EU-Projektes, für das die Diplom-Biologin am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven beschäftigt ist. Benthosökologie lautet der Fachbegriff für die Erforschung der Lebensgemeinschaften am Meeresboden, darunter die artenreichsten Systeme der Erde. Auch die Muschelarten, die Jennifer Dannheim untersucht, findet jeder am Strand. Aber kaum einer weiß, wie ihr System funktioniert: "Wir wissen ja mehr über den Mond als über das Meer."
Damit das anders wird, arbeitet die Meeresbiologin hart: Wenn sie nicht in der Nordsee bei Wind und Wetter Bodenproben nimmt, den Mageninhalt der Tierchen analysiert, sitzt sie am Computer und trägt die Daten zusammen: "Zehn bis elf Stunden am Tag und auch am Wochenende. Urlaub ist erst mal nicht drin." Und das für einen geringen Lohn und wenig Ruhm: "Wer in der Meeresbiologie das große Geld oder die große wissenschaftliche Karriere anstrebt, liegt verkehrt", sagt Jennifer Dannheim. "Das ist etwas für Leute, die mit dem Herzen dabei sind." Ihr Herz für Würmer hat die Norddeutsche allerdings auch erst im Studium entdeckt. Ursprünglich war sie wegen der Wale auf die Biologie gekommen.
Wegen der Meeressäuger wenden sich ganze Schulklassen an die meereskundlichen Institute. Dort erfahren sie dann, daß die Meeressäugerforschung in Deutschland nur eine geringe Rolle spielt und allenfalls am Rande von Zoologen und nicht von Meeresbiologen betrieben wird. "Wale retten oder Seehunde streicheln ist nicht drin", sagt Dr. Klaus von Bröckel, Fachstudienberater am Leibniz-Institut für Meereskunde in Kiel und räumt gleich weitere Vorurteile aus dem Weg: "Meeresbiologie ist kein Beruf, sondern eine Wissenschaft." Um Kenntnisse zu erwerben, sind die Experten meist sehr weit draußen. Auf der offenen See von der Arktis bis zur Antarktis messen sie, verifizieren, verwerfen oder verfeinern ihre Theorien. "Es geht mehr um Grundlagenforschung und die Bestandsaufnahme als um die Rettung bedrohter Arten."
Dafür benötigen die Studenten solide naturwissenschaftliche und mathematische Kenntnisse. Nicht alle Kandidaten wissen, worauf sie sich einlassen: So sei an der Universität Hamburg im Studiengang Ozeanographie von 30 Studienanfängern am Ende nicht selten nur ein Drittel übrig, sagt Dr. Stefan Kern vom Institut für Meereskunde. Das mag auch am unterschiedlichen Verständnis liegen: Ozeanographie steht - im Unterschied zum englischen Begriff Oceanography - im deutschen Sprachgebrauch ausschließlich für die physikalische Meereskunde. "Mit Biologen können wir hier nicht so viel anfangen. Es geht um Strömungen, Temperatur und den Salzgehalt der Ozeane. Das Studium besteht hauptsächlich aus Physik und Mathe."
Wer durchhält, hangelt sich vom dreijährigen EU-Projekt zum nächsten befristeten Forschungsauftrag und hofft auf eine Planstelle. "Da sind die Perspektiven aber eher mau", sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter, der eine Professur anstrebt. "Man braucht viel Idealismus und eine gewisse Sturheit, um seinen Platz zu sichern." Einige wechseln auch in die Industrie: Sie arbeiten in der Beratung oder Verwaltung, bei Windparkanlagen oder in der Pharmazie.