Nicolaus Stadeler ist der Chef der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Er sucht stetig nach Herausforderungen.
Nicolaus Stadeler, 45, empfängt an der Trostbrücke 1, im Souterrain. Hier hat die Hamburger Repräsentanz der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) ihren Sitz. "Andere schauen auf Alster oder Elbe, wir sind bescheidener", sagt der Geschäftsführer. Schließlich handele es sich um eine gemeinnützige Gesellschaft, die umsichtig mit dem ihr anvertrauten Geld wirtschaften müsse.
"Schon in der Schule wusste ich, dass ich später mal in die kaufmännische Leitung möchte", sagt der Zwei-Meter-Hüne. Egal in welcher Branche. Die mathematische Logik im Rechnungswesen faszinierte ihn ebenso wie die Möglichkeit, komplexe Wirtschaftsvorgänge am Ende in einem klaren Gewinn oder Verlust abbilden zu können. "Mit Zahlen lässt sich Kompliziertes auf eine transparente Formel abstrahieren." Wenn Stadeler erklärt, tut er das in kurzen, schnellen Sätzen. "Ich habe drei Geschwister und einen wortgewandten Vater", erklärt er sein Tempo.
Nach dem Abitur in Bonn studierte Stadeler - ebenfalls in seiner Heimatstadt - ab 1987 Volkswirtschaft. "Betriebswirtschaft haben alle gemacht, VWL erschien mir interessanter." Nach dem Diplom begann die eigentliche Suche. Alle drei bis vier Jahre ein neuer Job, "ein Aufbruch", sagt Stadeler. "Ich war immer mit Leidenschaft dabei, suchte dann aber neue Herausforderungen." Unzufriedenheit gab es nie, nur die Neugier auf Unbekanntes und den Antrieb, mit jeder Aufgabe zu lernen. "Nur so lassen sich Erfahrungen ausbauen." Die häufigen Ortswechsel sieht Stadeler als notwendig an: "Wer aufsteigen möchte, muss flexibel sein, sonst bleibt der Erfolg aus."
Erste berufliche Station: der Wirtschaftprüfer Coopers & Lybrand in Oldenburg, der später mit Price Waterhouse zu PriceWaterhouseCoopers fusionierte. "Ich wollte zu einer der großen, namhaften Gesellschaften", sagt Stadeler. Der Job versprach eine internationale Ausrichtung und interessante Mandate. Stadeler blieb vier Jahre. Seine berufliche Laufbahn vergleicht er mit einem Entscheidungsbaum: "Man gelangt immer wieder an Punkte, an denen man sich reflektieren muss, um die Richtung zu bestimmen."
Für ihn wies sie Anfang 1998 zum mittelständischen Familienbetrieb Stulz Holding in Hamburg. Beim Hersteller von Präzisionsklimageräten erstellte er im Controlling Berichte für den Vorsitzenden, die Geschäftsführung und den Beirat, reiste zu ausländischen Tochtergesellschaften und Produktionsstätten. Aber auch hier wurde es ihm bald zu eng. "Die Wertschöpfungskette von der Zahlenerstellung bis zur Konsolidierung wollte ich ausweiten", sagt Stadeler. Zudem die Strukturen eines Konzerns ebenso kennenlernen wie die Unternehmenssoftware SAP, die zum damaligen Zeitpunkt immer mehr Firmen implementierten.
All das bot die Metallgesellschaft, später MG Technologies. Auch die Aussicht, unter Kajo Neukirchen zu arbeiten, der fast zehn Jahre Vorstandsvorsitzender des Spezialchemie- und Anlagenbaukonzerns war, reizte Stadeler. "Eine echte Koryphäe, was Zahlen angeht." Ein halbes Jahr Controlling in Bonn, dann der Wechsel in den Bereich Investor Relations, also die Finanzkommunikation, nach Frankfurt. Als die MG Technologies in die Krise rutschte und zerschlagen wurde, musste auch Stadler nach drei Jahren Mitte 2004 gehen: "Hier wäre ich gerne länger geblieben, aber ich habe es als positiven Neuanfang verbucht." Ein Headhunter brachte ihn zur Deutschen-Wildtier-Stiftung in Hamburg. Mit Stiftungsrecht kannte er sich damals zwar nicht aus, "aber ich wollte es gerne lernen". Und so wurde die Stiftung sein Einstieg in den gemeinnützigen Bereich.
Auch dort kümmerte er sich um das, was er am besten kann - ums Kaufmännische: also Spendeneinnahmen, die Verwendung des Geldes und dessen Anlage. Besonders beeindruckten ihn die positive Einstellung und der begeisterte Einsatz der Mitarbeiter für die Schutzprojekte: "Dort herrschte eine gänzlich andere Grundmotivation, als ich sie vorher kannte." Trotzdem verließ er die Stiftung nach drei Jahren - für die Selbstständigkeit als Consultant.
Auch weil kurz zuvor sein erster Sohn geboren wurde. Seine Frau wurde als freiberufliche Kostümbildnerin regelmäßig länger nach Wien, Zürich oder in andere Städte bestellt. "Durch meine Selbstständigkeit konnten wir uns gut mit der Kinderbetreuung abwechseln", sagt Stadeler, der inzwischen zwei Söhne hat. Er arbeitete sechs bis acht Monate im Jahr, seine Frau zwei bis drei. Als Berater strukturierte er drei Jahre lang die Vermögen seiner Kunden und zeigte Investitionsmöglichkeiten auf, auch im gemeinnützigen Bereich. Aber er blieb offen für neue Wege.
Ein Stelleninserat der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger leitete den nächsten Richtungswechsel ein. "Ich wusste sofort, da will ich hin", sagt Stadeler, der jetzt seit gut einem Jahr als einer der Geschäftsführer in der Bremer Zentrale den kaufmännischen Bereich verantwortet. Zudem ist er für Marketing und Fundraising zuständig. Die Aufgaben selbst zogen ihn ebenso an wie die Tradition der Gesellschaft. "Ich habe immer die Crew bewundert, die sich an Bord der Schiffe für die Seenotrettung einsetzt."
Die solide Verwaltung von Spenden und Nachlässen reizte ihn. Die besondere Herausforderung bei der DGzRS: Der Jahreshaushalt für Rettungsaktionen und Schiffsfinanzierung von mehr als 30 Millionen Euro wird zu gut 35 Prozent aus Testamenten generiert, was die langfristige Planung erschwert. Zudem gilt es, laufend weitere Spenden für Schiffneubauten einzuwerben.
Aber es sind gerade solche Unwägbarkeiten, die Stadeler an seiner Arbeit mag. "Wir verkaufen hier ja kein Produkt, das wir stetig verbessern oder für das wir niedrige Einkaufskonditionen aushandeln können. Wir müssen die Leute informieren und begeistern." Dafür entwickelt er Kampagnen, wie etwa für einen neuen Seenotkreuzer "Hamburg": "Spendet jeder Hamburger 2,25 Euro, steht die Finanzierung", rechnet Stadeler vor. Jetzt gehe es darum, die Bürger zu erreichen.
Ein weiteres Projekt: die traditionellen Sammelschiffchen in der digitalen Welt zu verankern. Per SMS oder über Facebook ist Spenden bereits möglich. "Von vielem, was ich heute hier anschiebe, wird aber erst mein Nachfolger richtig profitieren", sagt Stadeler. Der muss sich aber gedulden. Denn diesmal will er länger bleiben. Noch in der Probezeit kaufte Stadeler für seine Familie und sich ein Haus in Bremen.