Wirtschaftsingenieurin Ulla Kopp ist Geschäftsführerin der Hamburg Messe. Ihr vielseitiges Interesse führte sie aber auch in Verlage.
Wenn Ulla Kopp über Unternehmensstrategien spricht, klingt es nicht nach schnöder Gewinnmaximierung, sondern wie eine Inszenierung: "Greift ein Rädchen ins andere, die Organisation läuft mühelos und elegant, dann entfaltet sich plötzlich eine ganz eigene Durchschlagskraft", sagt die Geschäftsführerin der Hamburg Messe und Congress GmbH.
Dass sie solche Worte auch in die Tat umsetzen kann, hat die 47-Jährige immer wieder bewiesen. Bei einem Stellenwechsel schrieb eine Mitarbeiterin ihr mal, man würde künftig ihre kraftvolle Heiterkeit vermissen. "Da habe ich mich gut wiedergefunden", sagt die gebürtige Schwäbin. Halbe Sachen mag sie nicht. "Schlampereien können mich auf die Palme bringen, das empfinde ich als Zeitklau." Sie verlangt viel von sich, aber auch von anderen.
Nach dem Abitur in Reutlingen hatte Kopp zuerst die Idee, Medizin zu studieren. Auch BWL und Jura interessierten sie. Bei einer Studienberatung stieß sie auf das Wirtschaftsingenieurwesen und war sofort begeistert. "Da gab es BWL, Statistik und Rechnungswesen, aber auch viel Technisches, das fand ich schon immer spannend." Mit einem Vater, Onkel und Großvater als Ingenieur liege das quasi in der Familie.
Der Studiengang in Karlsruhe hatte 1984, als sie begann, 600 Studenten, darunter weniger als 20 Frauen. "Aber irgendwann ist das für mich einfach normal geworden", sagt Kopp. Schwierigkeiten, sich durchzusetzen, hatte sie nicht. "Ich habe mit den Jungs gekickt, und wir sind zusammen gejoggt." Komplizierter wurde es erst 1989 an der Hochschule St. Gallen, die sie wegen kurzer Promotionszeit und hohem Praxisbezug auswählte. Dort traf sie viele Kommilitonen aus Karlsruhe wieder. "Vorher waren wir gleichrangig, jetzt wurde ich gefragt, warum ich statt selbst zu promovieren nicht einen Doktor heiraten würde." Das Verhalten enttäuschte sie, sonst seien ihr, "von Haus aus intrinsisch motiviert", die Bemerkungen "wurscht gewesen". Doktorin der Wirtschaftswissenschaften wurde sie mit höchster Auszeichnung.
Zuerst schickte Kopp ihre Bewerbungen an Banken. "Da kam es mir dann aber doch zu einheitsgrau vor", sagt sie. Eine Anzeige des Medienkonzerns Bertelsmann dagegen sprach sie sofort an. "Kulturell und geschichtlich interessiert, insgesamt offen und Spaß an schwierigen Fragestellungen - ich dachte, die suchen genau mich." Im Oktober 1992 begann sie bei Bertelsmann in der Abteilung Zentrale Unternehmensentwicklung, um ein Jahr später als Referentin für neue Projekte in den Buchklub zu wechseln. "Das war damals eine Art Keimzelle für Führungsnachwuchs." Die Aufgaben: Vorbereitung der Integration des Bücherbundes, kurz zuvor von der Verlagsgruppe Holtzbrinck übernommen, und die Erweiterung von Geschäftsfeldern.
Dort konnte Kopp ihre Kreativität beweisen. Bei der Marktanalyse stellte sich heraus, dass in den USA jedes zweite verkaufte Buch ein Liebesroman ist. "Dieses Konzept wollten wir für Deutschland adaptieren", sagt Kopp. Statt wie sonst im Buchklub Geld mit der Zweitvermarktung zu verdienen, wollte Kopp die Kette umdrehen und die Romane zur weiteren Verwertung an Taschenbuchverlage verkaufen, die so einen Teil der Lizenz- und Übersetzungskosten einsparen können. "Die Realisierung war kolossal schwierig", sagt Kopp. Mehrmals wechselten kurz hintereinander ihre Chefs. Vier Vorgesetze musste sie nacheinander von ihrer Idee überzeugen. Die Beharrlichkeit zahlte sich aus, das Projekt wurde mit durchschlagendem Erfolg umgesetzt.
Mitte 1994 stieg Kopp zur Geschäftsführerin des Freizeitklubs auf, einem Joint Venture von Bertelsmann und der Otto-Gruppe. Sie koordinierte Controlling, Berichtswesen, Mitgliederbetreuung und Kataloggestaltung und testete neue Werbeformen. Die wichtigsten Erfahrungen brachte ihr jedoch die Zweiergeschäftsführung. Von denen profitiert sie bis heute in der Doppelspitze bei der Hamburg Messe. "Gemeinsame Lösungen funktionieren nur, wenn man nicht nur die eigenen Interessen und Beweggründe kennt, sondern auch die des anderen", sagt Ulla Kopp. Dafür müsse man zuhören und aufeinander eingehen. "Reibungsintensiv" dürfe es dabei werden. "Halbwarme Lösungen bringen ja wenig."
Analytisch, kommunikativ und kreativ - ihre Talente erkannte der damalige Bertelsmann-Vorstandsvorsitzende Mark Wössner und holte sie im April 1996 in die Leitung des Vorstandsreferats. Wössner übernahm mehr und mehr Aufgaben wie etwa den Vorsitz des Direktoriums der privaten Uni Witten/Herdecke. Kopp bereitete Sitzungen für die Uni vor oder für einen Initiativkreis von Bundespräsident Roman Herzog, dem Wössner ebenso angehörte wie dem Quelle-Aufsichtsrat. Die Aufgaben waren klar verteilt. "Ich mache die Vorlagen, er schießt die Tore."
Aus der zweiten Reihe guckte sie sich viel ab. "Insbesondere im Umgang mit Menschen und dem Handling von Konflikten." Klarheit und Transparenz gegenüber Mitarbeitern prägen ihren Stil. "Ich fordere Leistung ab, versuche aber auch selbst zuverlässig zu sein." Schließlich müsse ihr Team wissen, was es erwarte. Um Wertschätzung zu zeigen, schreibt Kopp zum Beispiel Weihnachtskarten mit der Hand und bekocht ihre Mitarbeiter einmal im Jahr bei sich zu Hause.
Das Loslösen von Wössner fiel ihr nicht leicht. "Wir waren als Team wirklich gut, aber ich wollte selbst gestalten", sagt sie. Da kam das Angebot der Uni Witten/Herdecke, die Geschäftsführung zu übernehmen. Knapp drei Jahre später stand wieder ein Wechsel an, diesmal in die kaufmännische Geschäftsführung des Jahreszeiten Verlags. Neu war für sie dort der Einkauf. "Wenn ich nichts Neues lernen kann, wird es mir schnell langweilig." Bei Verhandlungen um Preise und Konditionen geht es immer auch um einen Interessenausgleich. "Am Ende zigtausend Euro zu sparen ist toll, aber an erster Stelle steht für mich die Freude an der Auseinandersetzung."
2007 ging sie als Geschäftsführerin zur Hamburg Messe, kurz zuvor waren die Bereiche Messegeschäft und Kongresszentrum zusammengelegt worden. Kopp verbesserte die kaufmännische Steuerung, stärkte den zentralen Einkauf und etablierte neue Maßnahmen zur Personalentwicklung. Künftig sollen mehr gewerbliche Messen nach Hamburg gelotst werden. Zudem will sie den Betrieb profitabler machen. "Mein großes Ziel ist es, für das Unternehmen den wirtschaftlichen Erfolg dauerhaft hinzubekommen", sagt Kopp. Dafür müssen wieder alle Rädchen so eingestellt werden, dass sie mühelos zusammenlaufen. "Und diese Leichtigkeit bedeutet im Vorfeld immer viel Arbeit."