Hamburg. Ärger um Verordnung aus Verkehrsministerium. Hamburg will Traditionsschiffe retten – und geht auf Konfrontationskurs.

Gut 100 sogenannte Traditionsschiffe haben an der Küste Norddeutschlands mittlerweile ihren Heimathafen: restaurierte Dreimaster, alte Segelkutter, Dampfschiffe, aber auch einige umgebaute Motorschiffe, die nun mit Masten und Segeln Windjammer-Charme verbreiten. Meist finanzieren sich diese Schiffe mit Charterfahrten, einige bieten beispielsweise spezielle Jugendprojekte an. Seit einiger Zeit nun führt der Entwurf einer neuen Sicherheitsverordnung des Bundesverkehrsministeriums für solche Schiffe zu heftigen Diskussionen in der Szene. Manche sehen die deutsche Traditionsschiffsflotte gar vor dem Untergang. Der Verein Museumshafen Oevelgönne in Hamburg sieht in dem Entwurf indes eher eine Sicherung für den Fort­bestand seiner Flotte.

Auch die Hamburgische Bürgerschaft hat sich nun am Donnerstag mit dem Thema befasst. Die rot-grüne Regierungskoalition fordert von dem Ministerium eine Überarbeitung des Entwurfs und die Bürgerschaft schloss sich einstimmig dieser Meinung an. Traditionsschiffe müssten nach der neuen Richtlinie aufwendig und kostenintensiv umgebaut werden, fürchtet die tourismuspolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Dorothee Martin. „Es darf nicht so weit kommen, dass unsere Museumsschiffe durch die neuen Regelungen quasi stillgelegt werden“, sagte sie.

Doch so weit wird es wohl selbst nach Einschätzung von Traditionsschiffvereinen nicht kommen. Zumindest in Hamburg nicht. „Wir gehen davon aus, dass eine Umsetzung der neuen Sicherheitsrichtlinie zu einer weiteren Verbesserung der Sicherheit auf allen Traditionsschiffen unter deutscher Flagge beitragen wird“, heißt es beispielsweise beim Museumshafen Oevelgönne. „Ohne Frage gibt es bei einigen unserer historischen Schiffe voraussehbare Probleme. Wir sind aber überzeugt, diese im Einzelfall mit den jeweils zuständigen Behörden einvernehmlich lösen zu können“, sagt Vereinsgeschäftsführer Björn Nicolaisen.

Neue Sicherheitsrichtlinien für Traditions- und Museumsschiffe

Und auch Joachim Kaiser von der Stiftung Hamburg Maritim sieht die große Stiftungsflotte nun nicht in schwerer See oder gar vor dem Untergang. Zumal er davon ausgehe, dass es in dieser Sache noch eine „nächste Runde“ geben werde. Dass also noch Zeit für Nachbesserungen ist.

Völlig klar, so Kaiser, sei es, dass für Traditionsschiffe neue Sicherheitsrichtlinien gelten müssten. Das betreffe vor allem die neue Forderung nach einem Stabilitätsnachweis, also nach dem Nachweis, dass sich ein Schiff aus einer Schieflage auch wieder selbstständig aufrichten kann. Da habe es in der Vergangenheit tatsächlich Unfälle gegeben. Allerdings müsse man Unterscheidungen treffen.

So sei es ein Unterschied, ob ein Schiff nur auf der Elbe oder auch auf der Nordsee unterwegs sei. „Unsinnig“ wäre es auch, in historische und stabile Holzschiffe wie den Hamburger Lotsenschoner „Elbe No 5“ zusätzlich – wie derzeit noch gefordert – Schotten einzubauen. Kaiser: „Man kann eben nicht alle Schiffe über einen Kamm scheren. “

Die Verordnung gilt nur für Schiffe unter deutscher Flagge

Tatsächlich sieht der Entwurf des Bundesverkehrsministeriums Forderungen vor, die sich auf manchen historischen Schiffen nur sehr schwer verwirklichen lassen: so zum Beispiel die absolute Festlegung einer Relinghöhe, egal, ob es sich um eine Rennyacht oder einen Dampfeisbrecher handelt. Von einigen deutschen Traditionsschiffern wird auch die geplante Neuerung stark kritisiert, wonach die oft ehrenamtlichen Crews die gleiche Seediensttauglichkeit nachweisen müssen wie professionelle Seeleute.

Auf der anderen Seite weicht der Ministeriumsentwurf den Begriff Traditionsschiff auf, was wiederum Puristen in der Szene stört. Nachbauten könnten nun in diese Klassifizierung fallen, so eine Zulassung als Traditionsschiff erhalten – und damit die Erlaubnis zur Beförderung von Fahrgästen. Auf eine Kurzformel gebracht: Der Gesetzgeber zeigt sich großzügiger in der Definition, aber strenger bei den Sicherheitsbestimmungen.

Allerdings wird die neue Sicherheitsverordnung nur für Schiffe unter deutscher Flagge gelten. Beispielsweise holländische Traditionssegler, die ebenfalls oft Gast bei den norddeutschen Hafenfesten sind, werden davon nicht betroffen sein. Geplant ist bisher, dass die Neuerung vom 1. Januar 2017 an gelten wird.

Noch also dürfte tatsächlich Zeit sein, Änderungen aufzunehmen. Der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse mahnt daher vor einem „verfrühten Aufschrei“, wie er den rot-grünen Vorstoß aus der Bürgerschaft nennt. Das Ministerium habe den Entwurf vorgelegt, aber gleichzeitig auch zum Dialog aufgerufen. Allerdings sei es „unerlässlich“, angesichts der mittlerweile hohen Beförderungsraten auf solchen Schiffen eine „größtmögliche“ Sicherheit für Passagiere und Besatzung zu schaffen, sagt der CDU-Politiker. Klar sei aber auch, dass es keinesfalls zu einem Verlust der fahrenden Traditionsschiffe kommen dürfe. Sicherheit und Erhalt müssten jetzt zusammengedacht werden, so Kruse.