Hamburg. Vier Jahre nach dem „Costa Concordia“-Unglück koordiniert die Reederei in Hamburg ihre Kreuzfahrtriesen - auf technisch hohem Niveau.

Die „Aida Luna“ ist nicht ganz auf Kurs. Auf der Fahrt von Baltimore nach Charleston an der US-Ostküste weicht das Kreuzfahrtschiff gerade minimal von der zuvor festgelegten Route ab. Nichts Dramatisches, aber doch genug, um auf einem großen Monitor in der Hamburger HafenCity registriert zu werden. Auf weiteren Bildschirmen erscheinen Grafiken mit dem Treibstoffverbrauch des Schiffes und ein Livebild des Radarschirms. Eine Schaltung zu den bordeigenen Kameras zeigt, dass sich die „Aida Luna“ durch ruhiges Wasser bewegt. Kaum Wellen, viel Sonne.

„Von hier aus können wir jede Bewegung unserer Kreuzfahrtflotte überwachen“, sagt Jörgen Strandberg, 48. Der freundliche Skandinavier ist Direktor des sogenannten Fleet Operations Centers. Das ist eine Art nautische Zentrale für Kreuzfahrtschiffe, die die Costa-Gruppe, eine Tochter des US-Konzerns Carnival, am Mittwoch offiziell in Betrieb genommen hat. Rund 150 Mitarbeiter der neuen Einheit Carnival Maritime sind am Großen Grasbrook damit beschäftigt, die 25 Schiffe von Costa Crociere, Costa Asia und der Rostocker Reederei Aida zu überwachen und ihren Einsatz zu planen. Insgesamt beschäftigt die Costa-Gruppe mittlerweile rund 800 Mitarbeiter in der Hansestadt.

„Unsere Aufgabe besteht vor allem darin, Kapitän, Crew und Passagieren eine möglichst optimale Unterstützung anzubieten“, sagt Strandberg. Dies kann zum Beispiel bedeuten, verschiedene Routen zu berechnen, die am besten um ein Unwetter herumführen und den Schiffen eine möglichst ruhige Fahrt bescheren. Eine solche Simulation läuft im Fleet Operations Center gerade für ein Kreuzfahrtschiff, das in Grönland liegt und in den kommenden Stunden aufbrechen soll. Die Monitore zeigen eine Sturmfront, die sich auf der zunächst vorgesehenen Route aufbaut. Nun beraten die Mitarbeiter – ausgebildete nautische Offiziere – über Alternativen und schlagen sie dem Kapitän des Schiffes vor.

Dass die neue Kreuzfahrtzentrale ein wenig an den Tower eines Flughafens erinnert, kommt nicht von ungefähr. Tatsächlich hat sich die Costa-Gruppe bei der Planung an der Luftfahrtindustrie orientiert und mit Lufthansa Technik zusammengearbeitet. Die Reederei will für ihre Flotte ähnlich hohe Sicherheitsstandards wie für Flugzeuge erreichen.

Wirklich freiwillig hat Costa das Fleet Operations Center allerdings nicht entwickelt. Der Aufbau der neuen Zentrale ist letztlich ein Versuch, aus der Tragödie zu lernen, die sich am 13. Januar 2012 vor der Mittelmeerinsel Giglio ereignete. Damals kenterte die Costa Concordia“, weil Kapitän Francesco Schettino das Schiff zu nah an die Küste herangesteuert hatte. Er habe eine „Verbeugung“ vor der Insel machen wollen und den Passagieren einen möglichst guten Blick auf Giglio gewähren wollen, begründete der Kapitän später die Leichtsinnstat, die 32 Menschen das Leben kostete. Mittlerweile hat Schettino gegen seine Haftstrafe von 16 Jahren und einem Monat wegen fahrlässiger Tötung Berufung eingelegt. Das Schiff wurde in einer langwierigen Operation wieder aufgerichtet und zur Verschrottung nach Genua gebracht.

„Der Aufbau des Fleet Operations Centers ist eine indirekte Konsequenz aus der ,Costa Concordia‘-Katastrophe“, sagt der Chef der Costa-Gruppe, Michael Thamm. „Es war meine erste Aufgabe sicherzustellen, das so etwas nie wieder passiert.“ Das Ziel sei es nun, mit Hilfe modernster Technik Kreuzfahrten so sicher wie möglich zu machen.

Ganz ausschließen lassen sich Fälle wie die des Kapitäns Schettino allerdings auch mit der neuen Überwachungszentrale wohl nicht. Zwar würde eine Kursabweichung wie die der „Costa Concordia“ in der HafenCity auffallen. Die Kontrolle des Schiffes bleibt aber immer in den Händen des Kapitäns, etwas anderes ist allein schon aufgrund des internationalen Seerechts nicht möglich.

So neu, wie Costa die Nautische Zentrale darstellen möchte, ist sie zudem nicht. Das Unternehmen hatte ähnliche Einrichtungen zuvor schon in Rostock für die Aida-Flotte und in Genua für die „Costa Crociere“-Schiffe, wenn auch nicht auf dem technischen Niveau wie jetzt in Hamburg. Für den Aufbau der neuen Einheit in der HafenCity wurden zahlreiche Beschäftigte aus Mecklenburg-Vorpommern und Italien an die Elbe versetzt. Ein Teil der Stellen wurde auch gestrichen, insgesamt waren in den Operationszentralen Genua und Rostock 258 Mitarbeiter beschäftigt.

Costa plant Zusammenarbeit mit Airbus und Chiphersteller NXP

Dass Hamburg den Zuschlag für das Fleet Operations Center erhalten hat, liegt vor allem an der ohnehin schon starken Position der Stadt in der Kreuzfahrtbranche. Hier sei das beste maritime Firmennetz vorhanden, sagt der Leiter der für den Betrieb gegründeten Firma Carnival Maritime, Jens Lassen. Darüber hinaus strebt Costa auch Kooperationen mit anderen großen Technologieunternehmen an, die an der Elbe ihren Sitz haben. Gedacht sei etwa an eine Zusammenarbeit mit dem Flugzeugbauer Airbus und dem Computerchiphersteller NXP, sagt Costa-Chef Thamm. Dadurch soll die digitale Überwachung der Schiffsflotte noch weiter verbessert werden. „Wir wollen den Schaden an einem Gerät entdecken, bevor er eintritt“, formuliert der Costa-Chef ein Ziel.