Berlin. Einsamkeit ist so schädlich wie Fettleibigkeit oder Rauchen. Die Familienministerin sieht bei einsamen Menschen noch eine andere Gefahr.
Einsamkeit hat viele Gesichter. Weil der Partner die Beziehung verlässt, ein liebes Wesen gestorben ist oder ein Mensch einfach keine Freunde und engere Bekannte hat, weil ihm Liebe und Zuneigung fehlen. Einsamkeit kann aber auch noch mehr bedeuten. Nach Ansicht von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grünen) ist Einsamkeit ein unterschätztes Phänomen, das indirekt auch der Demokratie schaden kann.
„Wer Vertrauen in die Gesellschaft verliert, verliert auch Vertrauen in die Demokratie, politische Teilhabe nimmt ab, genauso wie die Bereitschaft wählen zu gehen“, sagte Paus dieser Redaktion. „Einsamkeit ist laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) genauso schädlich wie Fettleibigkeit, Rauchen und Luftverschmutzung. „Indirekt schadet Einsamkeit zudem der Demokratie“, so die Grünen-Ministerin.
„Wir wissen, dass das Gefühl einsam zu sein, unabhängig vom Alter ist, dass neben den Älteren aber gerade auch junge Menschen betroffen sind“, sagte Paus, die ab Montag mit einer Aktionswoche für das Thema Einsamkeit sensibilisieren will. Gerade jüngere Menschen fühlten sich nach Corona oft sehr einsam. „Das verdient endlich Aufmerksamkeit. Die Politik müsse Einsamkeit ernst nehmen und handeln, sagte Paus. Laut einer aktuellen Umfrage für das „Einsamkeitsbarometer“ leiden mehrere Millionen in Deutschland unter Einsamkeit, besonders Alleinerziehende, hochbetagte Senioren und Migranten.
Lisa Paus: „Ich weiß, was Einsamkeit bedeutet“
Einsamkeit sei keine Krankheit, könne aber krank machen, ist Paus überzeugt: „Kein Mensch muss sich schämen, weil er sich einsam fühlt. Wir wollen das Thema aus der Tabu-Ecke holen.“ Mit der Einsamkeitsstrategie gehe das Ministerium eines der „drängendsten Themen unserer Zeit in Deutschland erstmals strategisch an“, so Paus. Geplant seien 111 konkrete Maßnahmen, unter anderem sollen Ursachen und Folgen von Einsamkeit stärker untersucht und ein Kompetenznetzwerk Einsamkeit gefördert werden. Ziel der Aktionswoche sei es, Initiativen und Menschen zusammenzubringen. „So finde ich es ganz wunderbar, wenn ein Sportverein in Sachsen ein Sportfest dem Thema widmet und einfach zeigt: bei uns ist niemand allein“, nannte Paus ein Beispiel.
Auch im Leben der Familienministerin ist Einsamkeit kein Fremdwort. „Ich habe meinen Lebenspartner durch eine Krebserkrankung verloren, als unser Sohn vier Jahre alt war“, berichtete die heute 55-Jährige. „Wenn man mit einem Menschen 20 Jahre lang zusammen war, kann einen der Verlust und das Verarbeiten dieses Verlustes sehr einsam machen.“
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Plötzlich sei da kein gemeinsamer Alltag mehr gewesen, „keine Gespräche, kein Streiten, kein Lachen. Stattdessen Kind, Arbeit, Schlafen - Tag vorbei.“ Paus war damals beruflich stark eingespannt, hatte in ihrem Umfeld wenige Leute mit Kindern und keine Zeit für Spielplatzfreundschaften, sagt sie rückblickend. „An den Wochenenden waren wir dann viel allein. Ich weiß daher, was Einsamkeit bedeutet.“
Glücklicherweise sei ihre Einsamkeit auf Momente beschränkt gewesen. „Ich konnte die Zeit der Trauer auch mit Hilfe von anderen gut verarbeiten und Einsamkeit selbst überwinden“, so die Grünen-Politikerin. Doch sie weiß aus Untersuchungen, dass dies vielen nicht gelingt. „Deshalb finde ich es aus dieser persönlichen Erfahrung heraus so wichtig, dass wir uns in Politik und Gesellschaft mit Einsamkeit auseinandersetzen.“
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