Berlin. Um die Rente noch finanzieren zu können, hat der Gesetzgeber viel geändert. Was wegfiel – und wie sehr Jüngere benachteiligt werden.
Ist die gesetzliche Rente noch generationengerecht? Experten haben angesichts des jüngst von der Bundesregierung beschlossenen Rentenpakets II Zweifel daran. Darüber hinaus gab es bereits in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Leistungsabsenkungen, um die Rente zu stabilisieren. Die wichtigsten Faktoren:
Höhere Rentenbeiträge: Um das Rentenniveau bei 48 Prozent halten zu können, hat die Bundesregierung im Rahmen des Rentenpakets II beschlossen, dass die Beiträge für die gesetzliche Altersvorsorge steigen. 2028 ist eine Anhebung auf 20 Prozent vorgesehen, 2030 steigt der Satz voraussichtlich auf über 22 Prozent. Derzeit liegt der Beitragssatz für die gesetzliche Rente bei 18,6 Prozent des Bruttoeinkommens.
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Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher, sieht die Stabilisierung des Rentenniveaus durch einen Anstieg der Beiträge als „eine reine Umverteilung von Jung zu Alt“ an. „Die ältere Generation erhält unverändert ihre Leistungen, die junge Generation muss für die Kosten aufkommen“, schrieb Fratzscher in einem Blog-Beitrag.
Neue Bewertung von Ausbildungs- und Arbeitslosigkeitszeiten: Schul-, Fachschul- und auch Studienzeiten werden seit 2009 nicht mehr mit Rentenpunkten belohnt, zählen aber noch als sogenannte Wartezeit. Immerhin: Für Studienzeiten kann man heute bei der Rentenversicherung nachzahlen. Das kann sich lohnen, sagt Rentenexperte Johannes Geyer vom DIW. Erledigen sollte man das vor dem 45. Lebensjahr.
Leistungskürzungen gab es mit Blick auf die Rentenpunkte auch bei Langzeitarbeitslosen. Waren Zeiten von Langzeitarbeitslosigkeit in den 1990er-Jahren sogar noch Pflichtversicherungszeiten, gibt es heute für langjährige Bürgergeldbezieher gar keine Rentenpunkte mehr.
Abschaffung der Berufsunfähigkeitsrente für Jüngere: Der Staat zahlt seit dem Jahr 2001 für Arbeitnehmer, die nach 1961 geboren sind, keine Berufsunfähigkeitsrente mehr. Seitdem müssen sich Versicherte privat für den Fall absichern, dass sie ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können.
Hinterbliebenenrente wurde gekürzt – für Ehen ab 2002: Die Reform des Hinterbliebenenrechts hatte zur Folge, dass die Ansprüche zum Teil stark gekürzt wurden. Wer nach 2001 geheiratet hat, bekommt nach neuem Recht nur 55 Prozent der Rente, die die Rentenversicherung dem verstorbenen Partner zum Todeszeitpunkt gezahlt hätte, zuvor waren es sogar 60 Prozent („Große Witwenrente“). Auch bei der sogenannten kleinen Witwenrente – für Hinterbliebene, die jünger sind als 46 Jahre – gab es Kürzungen.
Abschläge für vorgezogenen Altersrenten: Dass man abschlagsfrei auch beispielsweise schon mit 60 Jahren in Rente gehen konnte, liegt inzwischen weit zurück. Altersgrenzen bei vorgezogenen Verrentungen wurden ab Mitte der 1990er-Jahre eingeführt. „Wegen hoher Arbeitslosigkeit hatte man zuvor auch versucht, so den Arbeitsmarkt zu leeren“, erklärt DIW-Forscher Geyer.
Beitragspflicht für die Pflege- und Krankenversicherung: Seit 1995 müssen Rentner auch in die Pflegeversicherung einzahlen. „Das sind Kosten, die früher eben nicht angefallen sind“, sagt Geyer. Bereits in den 1980er-Jahren wurde die Beitragsbefreiung von Rentnern in die Krankenversicherung aufgehoben.
Angeglichene Rentenwerte in Ost und West: Um Nachteile bei der Rentenberechnung im Osten wegen der meist niedrigeren Löhne auszugleichen, wurden die Einkommen im Osten „höherbewertet“. Das sorgte dafür, dass ein Durchschnittsverdiener im Osten den gleichen Rentenanspruch bekam wie ein Durchschnittsverdiener im Westen. Nun ist die sogenannte Rentenangleichung vollzogen – ab Januar 2025 entfällt die Hochwertung der Verdienste im Osten. Das hat Folgen, so DIW-Forscher Geyer. „Alle jungen Ostdeutschen müssen jetzt damit leben, dass in Ostdeutschland noch immer geringere Löhne gezahlt werden als im Westen und daraus somit auch weniger Rente entsteht“, so der Wissenschaftler.
Experte: Rentensystem „im Prinzip gerecht“ – wenn eine Sache gelten würde
Vom Sozialverband Deutschland (SoVD) heißt es mit Blick auf die Liste der Kürzungen, sie würden diejenigen besonders hart treffen, die bereits in Rente sind oder kurz davor stehen. Der Wirtschaftsweise Martin Werding sagte gegenüber dieser Redaktion: „Der ‚Generationenvertrag‘, auf dem die gesetzlichen Renten basieren, ist kein Vertrag. Die jüngere Generation wird ja einfach verpflichtet, mitzumachen.“ Das müsse auch so sein. Nur so sei der Staat in der Lage, das System zu stabilisieren. Allerdings werde die Umlagefinanzierung in den kommenden Jahren immer schwerer – vor allem, weil eine ergänzende Kapitaldeckung als weitere Finanzierungssäule fehle.
Rentenexperte Jan Scharpenberg vom Geldratgeber Finanztip hält das Rentensystem für „im Prinzip nicht ungerecht für die Jungen“. „Denn es kennt mit dem Nachhaltigkeitsfaktor einen Mechanismus, der dafür sorgen soll, dass die Rentenerhöhung gedämpft wird, wenn es weniger Beitragszahler als Rentner gibt“, erklärt Scharpenberg. Nur sorge die Festschreibung des Rentenniveaus in der Vergangenheit und Zukunft dafür, dass dieser Sicherheitsmechanismus gegen demografische Veränderungen im Zweifel ausgesetzt wird. „Das wiederum ist Rentenpolitik und nicht Rentensystem.“
Junge Beitragszahler profitieren perspektivisch auch von Rentenerhöhung
Junge Menschen profitieren aber ebenfalls davon. „Denn auch sie haben ja bereits durch ihr Gehalt Rentenansprüche erworben. Die Rentenpunkte, die also schon während dem Arbeitsleben auf dem Rentenkonto liegen, sind wie ein Guthaben und der Wert dieses Guthabens steigt ebenfalls mit jeder Rentenerhöhung“, erklärt der Rentenfachmann. Ausgezahlt bekomme man es aber eben erst im Ruhestand und daher fühle es sich so an, als müsse man als junger Mensch nur einzahlen.
Ohnehin sei es aber für ein sorgenfreies Leben im Alter auch nötig, privat vorzusorgen. Scharpenberg empfahl einen langfristigen Sparplan auf einen ETF wie dem MSCI World. Je früher man damit anfange, desto rentabler.
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