Berlin. China will in zehn Schlüssel-Branchen Weltmarktführer werden. Es erobert Marktanteile in der EU – zulasten der deutschen Konkurrenz.
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Der offizielle Fahrzeugausrüster und Hauptsponsor der am 14. Juni beginnenden Fußball-Europameisterschaft in Deutschland ist der chinesische Elektroauto-Hersteller BYD. Auf den Werbeflächen und den Bildschirmen sind dann nicht Modelle von deutschen Paradefirmen wie VW, Audi, Mercedes oder BMW zu sehen – die hatten laut der Union Europäischer Fußballverbände (UEFA) gar kein Interesse.
Der Konzern aus der südchinesischen Industriemetropole Shenzhen nutzt das Mega-Event als Eingangstor in den europäischen Markt. Bei der EM 2020 zuckelte noch ein Mini-VW über den Rasen.
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BYD („Build Your Dreams“) ist bereits heute der führende E-Auto-Produzent der Welt. Er operiert mit Kampfpreisen, die rund 20 Prozent niedriger liegen als bei vergleichbaren Autos von BMW oder Renault. Die Schnäppchen-Angebote sind auch deswegen möglich, weil der chinesische Staat üppige Subventionen zuschießt. Nach einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) strich BYD 2022 rund 2,1 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern ein.
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Doch BYD ist nur ein Beispiel von vielen. Die massive Förderung heimischer Firmen ist Teil der chinesischen Industriepolitik. Nach einer „sehr konservativen Schätzung“ taxiert das IfW Kiel die Subventionen für Betriebe im Jahr 2019 auf insgesamt rund 221 Milliarden Euro. Das sind rund 1,73 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die staatlichen Finanzspritzen seien um bis zu neunmal höher als in großen Ländern der EU oder der OECD.
In diesen zehn Branchen drängt China an die Weltspitze
Die chinesische Export-Offensive hat auch mit dem schwindenden Verbrauch im eigenen Land zu tun. Chinas Wachstumsraten, die vor Jahren noch im zweistelligen Bereich lagen, sind auf Werte um die fünf Prozent geschrumpft. „Die Überkapazitäten sind eine große Herausforderung. Sie zeigen aber auch auf, dass China ein Nachfrageproblem hat“, sagte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, dieser Redaktion. „Chinesische Hersteller bieten ihre Ware aktuell vielfach zu Billigpreisen an, da die Produktion dort stark staatlich subventioniert wird und es so möglich ist, zu Dumpingpreisen anzubieten.“
Bei der Produktion von E-Autos, Batteriezellen oder Solarmodulen – Säulen der grünen Energiewende – liegt China bereits weltweit an der Spitze. Doch Peking hat noch viel ehrgeizigere Ziele. Nach dem 2015 aufgelegten Plan „Made in China 2025“ sollen immer mehr Hightech-Waren im eigenen Land produziert und in die globalen Märkte ausgeführt werden.
Die Volksrepublik konzentriert sich dabei auf die gezielte Förderung von zehn Schlüsselbranchen, in denen es die Weltmarktführerschaft anstrebt. Diese umfassen Energieeinsparung und Elektromobilität, Schienenverkehr, Schiffbau und Meerestechnik, Anlagen für Luft- und Raumfahrttechnik, Informations- und Kommunikationstechnologien, Werkzeugmaschinensysteme und Robotertechnologie, Medizingeräte, Elektrizitätsanlagen, Neue Werkstoffe und Materialien sowie Maschinen für die Landwirtschaft. Bis 2049, dem 100. Geburtstag der Volksrepublik, will China die weltweit führende Industrienation sein.
Ungleiches Rennen: China vs. EU
Durch die umfangreichen Subventionen haben chinesische Firmen bereits beträchtliche Marktanteile in der EU hinzugewonnen. Das lässt sich insbesondere bei hoch technisierten Produkten in der verarbeitenden Industrie beobachten – eigentlich eine der traditionellen Stärken der deutschen Unternehmen. Nach einer Studie von Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) hatten deutsche Hersteller 2005 noch einen Anteil von 19,1 Prozent der EU-Importe, gegenüber 5,4 Prozent der chinesischen Wettbewerber. 2022 sank die Quote der deutschen Firmen auf 15,5 Prozent – die chinesischen Anbieter kamen bis auf 13,0 Prozent heran.
Nach dieser Statistik liegen deutsche Betriebe zwar bei den meisten Warengruppen noch vorn, aber der Vorsprung schmilzt. Im Sektor der verarbeiteten Metallprodukte haben deutsche Unternehmen nur noch knapp die Nase vorn (17,8 zu 15,4 Prozent). Im Bereich Computer, elektronische und optische Produkte haben die Unternehmen aus Fernost ihre deutschen Konkurrenten abgehängt.
Hier fühlt sich Deutschland von China bedroht
Die deutsche Wirtschaft sieht die offensiven Handelspraktiken der Volksrepublik mit Sorge. „China ist ein ernst zu nehmender Wettbewerber, der gleichzeitig wettbewerbsverzerrende Maßnahmen einsetzt“, betont DIHK-Außenwirtschaftschef Treier. „Neben den bestehenden staatlichen Subventionen für chinesische Firmen sehen sich ausländische Unternehmen infolge der chinesischen Industriepolitik in unterschiedlichem Maße Diskriminierungen und Einschränkungen in China ausgesetzt. Diese reichen von Investitionsverboten, Joint-Venture-Auflagen und Lokalisierungsanforderungen über erzwungenen Technologietransfer bis zum Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen.“
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Die Verhängung von Importzöllen auf chinesische E-Autos, wie von der EU-Kommission erwogen, lehnt Treier dennoch ab. „Gegen unfaire Wettbewerbsverzerrungen sollte die EU Antworten finden, ohne Handelskonflikte unnötig heraufzubeschwören“, so Treier. „Um den Wettbewerb mit China egal wo – ob in China selbst, in Deutschland oder global – aufzunehmen, muss Deutschland vor allem aber auch an eigenen Standortfaktoren feilen“, sagt Treier. „Die deutschen Unternehmen plagen vor allem zunehmende bürokratische Auflagen, hohe Energiekosten und langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren.“