Berlin. Finanzminister Lindner reformiert das Steuersystem – und sagt, niemand werde dadurch weniger Netto haben. Ein Experte widerspricht.
Die Ampel-Regierung will die Steuerklassen 3 und 5 für Ehepaare und eingetragene Lebenspartnerschaften abschaffen. Darauf hatten sich SPD, Grüne und FDP bereits im Koalitionsvertrag verständigt. Nun legte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im Interview mit dieser Reaktion nach und nannte Details zur Reform der Steuerklassen. Sein Versprechen: „Niemand wird weniger Netto haben.“ Doch der Steuerexperte dieser Redaktion, Fabian Walter, einem Online-Millionen-Publikum besser bekannt als Steuerfabi, widerspricht dem Minister. Er sieht insbesondere zwei Nachteile bei der Steuerklassenreform.
Grundsätzlich können Ehepaare und eingetragene Lebenspartner schon jetzt freiwillig in die Steuerklasse 4 mit Faktor wechseln. „Dafür braucht es keine Gesetzesänderung“, sagt Steuerfabi. Seine Kritik an der bevorstehenden Reform: „Es wird die zusätzliche Möglichkeit genommen, sich als Ehepaar gemeinsam zu entscheiden, in die Steuerklasse 3 und 5 zu wechseln.“ Denn wenn man eine gemeinsame Steuererklärung abgibt, ist die Steuerklassenwahl grundsätzlich egal. Der Steuervorteil des Ehegattensplittings ist nämlich mit jeglicher Steuerklassenkombination gegeben.
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Beim Aufsplitten auf verschiedene Steuerklassen handelt es sich übrigens nicht um das eigentliche Ehegattensplitting. Das Ehegattensplitting kommt zum Tragen, wenn Ehepaare oder auch Paare in eingetragenen Lebenspartnerschaften sich für eine sogenannte Zusammenveranlagung entscheiden. Das heißt, sie geben eine gemeinsame Steuererklärung ab. Das Ehegattensplitting ist von der Reform jedoch nicht betroffen.
Steuerfabi: Steuerklassen-Kombination ist ungerecht für Paare
Linder sieht jedoch einen großen Nachteil bei der aktuellen Kombinationsmöglichkeit der Steuerklassen. Bisher können Ehepaare oder eingetragene Lebenspartner unter sich ausmachen, wer die Steuerklasse 3, 4 oder 5 wählt. Diese Wahl beeinflusst bisher, wer von beiden am Ende mehr Netto vom Brutto bekommt.
Denn: Durch die Kombination der beiden Steuerklassen 3 und 5 erhält der Ehepartner mit dem höheren Einkommen überproportional mehr Netto. Der Ehepartner mit dem niedrigeren Verdienst bekommt dagegen deutlich weniger Netto raus. In der Regel verdient der Mann mehr als die Frau. „Dadurch scheint sich die Ausweitung der Arbeitszeit aus der Teilzeit heraus weniger zu lohnen, weil der besserverdienende Ehepartner eine geringere Steuerlast hat“, sagte der Finanzminister im Interview.
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Sollte die Steuerklassenreform kommen, sieht Steuerfabi jedoch genau hier einen Nachteil. „Entgeltersatzleistungen, wie beispielsweise Kurzarbeitergeld oder Elterngeld, können durch den Wegfall der Steuerklassenkombination 3 und 5 für einen Partner weniger werden.“ Der Steuerexperte weiß, dass insbesondere beim Elterngeld viele Paare den Steuerklassenwechsel vor der Geburt nutzen, um nach der Geburt des Kindes mehr Elterngeld zu bekommen.
Experte fürchtet, dass Paare ihre Rückerstattung viel zu spät erhalten
Der Partner, der nach Geburt des Kindes länger Elterngeld bekommen wird, wechselt vor Geburt des Kindes in die Steuerklasse 3. „Denn als Ehepaar kann es Sinn machen, die unterjährig zunächst ‚schlechtere‘ Steuerklassenkombination zu wählen, da sich das Elterngeld auf Grundlage des Nettogehalts der letzten zwölf Monate vor Geburt berechnet“, erklärt Steuerfabi. Und er wird konkreter: „Heißt: Durch den Wegfall der Steuerklassen 3 und 5 kann es zu Nachteilen bei den Entgeltersatzleistungen kommen.“
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Und der Steuerexperte hat noch einen weiteren Kritikpunkt. „Man bekommt die zu viel gezahlten Steuern zwar wieder zurück, aber das Geld später. Wenn man beispielsweise bereits im Januar die Steuerklassenkombination 4/4 statt 3/5 hat, dann muss man über ein Jahr warten, bis die Steuererklärung vom Finanzamt bearbeitet ist, da man diese erst im Folgejahr einreichen kann.“ Seine Befürchung: Es könne ein Liquiditätsnachteil für Ehegatten sein – und ein Vorteil für den Staat. „Er kann sich so einen sehr günstigen Kredit bei seinen Bürgerinnen und Bürgern nehmen.“
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