Berlin. Die private Vorsorge hat eine Frischzellenkur nötig, meint Versicherungschef Michael Fauser. Verbrauchern gibt er einen wichtigen Rat.

Wer privat vorsorgt, muss sich im Alter nicht allein auf die gesetzliche Rente verlassen. Michael Fauser, Vorstandschef der Ergo Vorsorge Lebensversicherung AG, sagt, ob die privaten Versicherungsangebote transparent genug sind und welche Reformen die Bundesregierung dringend umsetzen sollte.

Die Bundesregierung hat kürzlich das Rentenpaket II vorgestellt. Ist das ein Update für die gesetzliche Altersvorsorge?

Michael Fauser: An den grundsätzlichen Herausforderungen, vor denen die gesetzliche Rente steht, hat sich nichts geändert. Die Zahl der Beitragszahler sinkt, vor allem, weil in ein paar Jahren auch die Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen. Hinzu kommt die steigende Lebenserwartung. Schon heute reicht die gesetzliche Rente für viele nicht aus, um einen finanziell sorgenfreien Lebensabend zu verbringen. An zusätzlicher betrieblicher oder privater Altersvorsorge kommt daher niemand vorbei.

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Wie sinnvoll ist das Generationenkapital, bei dem erstmals für die Rente Geld am Kapitalmarkt angelegt wird?

Das ist ein sinnvoller Schritt, kann aus meiner Sicht aber nur ein erster sein. Denn im Verhältnis zu den Gesamtausgaben bei der gesetzlichen Rente leistet das Vorhaben nur einen kleinen Beitrag. Umso wichtiger wäre es, dass die Bundesregierung nun auch die Rahmenbedingungen für die zweite und dritte Säule der Altersvorsorge verbessert.

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    Das Renteneintrittsalter soll bis 2031 auf 67 Jahre steigen. Das dürfte nicht das Ende sein. Was sagen Sie heute jungen Leuten, wie lange sie arbeiten müssen?

    Es ist schwer zu sagen, wo das Renteneintrittsalter in 20 oder 30 Jahren liegen wird. Fakt ist, dass die Lebenserwartung jedes Jahr um ungefähr zwei bis drei Monate ansteigt. Wenn die Menschen also immer älter werden und man gleichzeitig sagt, das Renteneintrittsalter bleibt gleich, führt das zu einer finanziellen Schieflage im System. Um das Umlagesystem zu stabilisieren, wäre es eine Möglichkeit, den Zugewinn an Lebenszeit generationengerecht auf Renten- und Arbeitszeit aufzuteilen. Letztendlich ist dies aber eine politische Entscheidung und muss daher in Berlin getroffen werden.

    Michael Fauser ist Vorsitzender des Vorstands bei der Ergo Vorsorge Lebensversicherung AG, die zur Ergo gehört, einem der großen Versicherungsunternehmen in Deutschland.
    Michael Fauser ist Vorsitzender des Vorstands bei der Ergo Vorsorge Lebensversicherung AG, die zur Ergo gehört, einem der großen Versicherungsunternehmen in Deutschland. © ERGO AG | judith wagner

    Was ist der beste Weg, für den eigenen Lebensabend vorzusorgen?

    Eine Lebensversicherung ist ein ideales Instrument, um für das Alter ergänzend zur gesetzlichen Rente vorzusorgen, denn hier findet ein Ausgleich über die Zeit und im Kollektiv statt.

    Wo liegen die Vorteile eines solchen Produkts gegenüber einem Depot bestehend aus Aktien und ETFs?

    Der größte Vorteil liegt klar in der lebenslangen Rente. Nur so erhalten Kunden eine Absicherung bis an das tatsächliche Lebensende. Bei einem Depot stellt sich hingegen immer die Frage: Was ist, wenn Sie länger leben und das Geld aufgebraucht ist? Studien zeigen, dass die meisten Menschen ihre Lebenserwartung massiv unterschätzen, im Durchschnitt um sieben Jahre! Die Menschen haben lebenslange Ausgaben und dafür braucht es auch lebenslange Einnahmen. Niemand sollte mit 85 Jahren vor der Entscheidung stehen, sich einen Nebenjob suchen zu müssen, weil das fürs Alter angesparte Kapital aufgebraucht ist.

    Gibt es im Versicherungsbereich nicht auch viele schwarze Schafe, die Kunden mit hohen Abschlusskosten und danach mit hohen Verwaltungsgebühren abzocken?

    Es gibt Effektivkosten, die gesetzlich vorgegeben auszuweisen sind. Das schafft Transparenz und Vergleichbarkeit für die Kunden. Kosten einzelner Wettbewerber kann ich nicht kommentieren.

    Die Abschlussgebühr kann im unteren vierstelligen Bereich liegen, hinzu kommen bis zu dreistellige Beträge jedes Jahr. Warum muss das denn so teuer sein? ETFs sind deutlich günstiger.

    Das kostengünstigste Produkt ist nicht immer das Beste. Die reinen Kosten des ETFs sind meiner Meinung nach eine Milchmädchenrechnung. Hinzu kommen ja mindestens noch die Depotgebühren, die Kunden mit einkalkulieren müssen. Im Kontext der eigenen Vorsorge spielt zudem eine qualifizierte Beratung eine wichtige Rolle. Und die ist bei Lebensversicherungen bereits inkludiert.

    Merken Sie bei der Nachfrage nach Ihren Produkten, dass junge Menschen über Neo-Broker verstärkt die Altersvorsorge in eigene Hände nehmen?

    Das merken wir nicht. Die Nachfrage nach unseren Produkten ist sehr gut. Im Neugeschäft mit unseren Lebensversicherungen wachsen wir seit Jahren sehr stark. Neo-Broker sind in unserer Wahrnehmung hingegen kein Baustein, auf den die Mehrheit der Bevölkerung bei ihrer Vorsorge setzt.

    Nur jeder vierte Deutsche sorgt überhaupt privat für das Alter vor. Was muss die Politik tun, um mehr Menschen dazu zu bewegen?

    Bei der betrieblichen und privaten Altersvorsorge hat die Politik einige Hausaufgaben zu erledigen. So führt an einer Versicherungspflicht für Selbstständige, wie sie die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vorgeschlagen hat, kein Weg vorbei. Es sollte für diese Gruppe eine Wahlfreiheit zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und der privaten Vorsorge geben. Aber auch die Riester-Rente muss reformiert werden. Riestern ist ein im Kern gutes Produkt. Die gesetzlichen Vorgaben machen es in seiner jetzigen Form zu kompliziert und nicht flexibel genug.

    Was müsste sich bei Riester konkret ändern?

    In erster Linie bedarf es einer Flexibilisierung des gesetzlichen Garantieniveaus. Bislang müssen Anbieter von staatlich geförderten Riester-Verträgen 100 Prozent des eingezahlten Kapitals garantieren. Das ist gut für sicherheitsorientierte Kunden, wir schließen sie so aber auch von den Chancen am Kapitalmarkt aus. Ein Beispiel für eine unnötig komplizierte Regelung ist der Wohn-Riester: Aktuell müssen Sie ihn mit anbieten, wenn Sie Riester-Produkte vertreiben – auch wenn Ihre Kunden das gar nicht nachfragen. Das ist so, als würde man einen Autohersteller zwingen, in jedem Fahrzeug ein Schiebedach einzubauen, egal ob ein Kunde das möchte oder nicht.

    Und bei der betrieblichen Altersversorgung?

    Auch hier würde eine Verbesserung der Rahmenbedingungen helfen. Dazu zählt beispielsweise der Wegfall von Hinzuverdienstgrenzen. Da sind Vorschriften zu starr. Finanzminister Lindner hat angekündigt, noch in diesem Jahr Eckpunkte vorlegen zu wollen. Das ist gut. Viel zu lang hat man das schleifen lassen.

    Fänden Sie eine Pflicht zur privaten Vorsorge richtig?

    Eine allgemeine Pflicht sehe ich kritisch. Jeder sollte frei darüber entscheiden können, wie er oder sie für das Alter vorsorgt. Wir unterstützen dabei gerne mit qualifizierter Beratung, was ich für sehr wichtig halte, denn das Wissen in der breiten Bevölkerung um Finanzthemen ist nicht sonderlich ausgeprägt. Wir lernen in der Schule zwar viel über den Dreißigjährigen Krieg, aber nichts über Altersvorsorge und Finanzen.

    Privat vorsorgen als Pflicht? Viele interessieren sich nicht für die Altersvorsorge.
    Privat vorsorgen als Pflicht? Viele interessieren sich nicht für die Altersvorsorge. © iStock | nortonrsx

    Ist der Markt für Altersvorsorgeprodukte transparent genug?

    Transparenz wird auf jeden Fall nicht durch immer neue, und im Kern ja gut gemeinte, Informationspflichten und -blätter hergestellt. Diese Informationsflut verunsichert die Kunden am Ende mehr, als dass sie ihnen hilft. Das merken wir in unseren Kundengesprächen immer wieder. Letztendlich wirken sich die Informationspflichten auch negativ auf die Verwaltungskosten der Produkte aus. Hier wünsche ich mir eine kritische Bestandsaufnahme seitens der Politik und hoffe auf eine Entbürokratisierung.

    Wie viele Seiten an Informationen würden denn reichen?

    Da kann ich keine genaue Zahl nennen. Unstrittig ist aber sicher, dass kaum ein Kunde hundert Seiten eines Vertrags vor Abschluss genau liest und auch alles sofort versteht. Die politische Diskussion sollte also in Richtung weniger, aber dafür wirklich notwendige Informationen gehen. Leider nehme ich aktuell aber genau das Gegenteil war. Ein Vorschlag wäre etwa, die Anzahl der vorgeschriebenen Modellrechnungen zu reduzieren.