Berlin. Reifen fallen ab, Türen brechen heraus, Flugzeuge stürzen ab: Das US-Unternehmen kämpft ums Überleben. Doch die Krise ist hausgemacht.

Zwei Jahre ist es her, dass in China eine Boeing-Maschine mit 132 Menschen an Bord abstürzte. Niemand überlebte den Crash im März. Zuvor, 2018 und 2019, stürzten Flugzeuge des Krisentyps Boeing 737 Max in Indonesien und Äthiopien vom Himmel. Insgesamt starben bei beiden Abstürzen 346 Menschen. Diesen Januar dann krachte kurz nach dem Start aus einer neuen 737 Max eine Tür heraus, die 177 Menschen an Bord entgingen wohl nur knapp einer Katastrophe. Experten sagen, auf Reiseflughöhe hätte das ein Flugzeug vermutlich zerrissen.

Auch der amerikanische Flugzeugbauer selbst steht mittlerweile vor der Zerreißprobe; er bekommt seine Probleme nicht in den Griff. Wie konnte das passieren? In Turbulenzen steckt das Unternehmen seit Langem, obwohl es 2023 sogar mehr Flugzeugauslieferungen und -bestellungen als im Vorjahr gemeldet hat. Trotzdem: Der Konkurrenzdruck zu Airbus ist gewaltig. Beide Weltmarktführer wollen die Nummer eins sein. Seit fünf Jahren entscheiden die Europäer den Kampf für sich: Airbus ist seit einem halben Jahrzehnt der weltweit größte Flugzeughersteller. Und Boeing? Senkt Kosten, um an der Konkurrenz dranzubleiben.

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Schon vor mehr als 20 Jahren zog das Unternehmen vom Traditionsstandort Seattle nach Chicago, fast 3000 Kilometer entfernt von den Werken. Das Gros der Belegschaft blieb in Seattle, die Distanz zur Führung wuchs, buchstäblich. Zudem wurde Insidern zufolge in den vergangenen Jahren die Trennung der Bereiche Finanzen und Technik bei Boeing immer weiter aufgeweicht. Die Folge: Immer weniger Ingenieure hätten das Sagen gehabt, was zu Fehlentscheidungen in der Produktion geführt habe.

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Boeing: Qualitätsprobleme mit der Lieferkette

Als gesichert gilt zudem, dass Boeing Qualitätsprobleme hat, angefangen mit der Lieferkette. Doch die Boeing-Zulieferer stellen auch Teile für die Konkurrenz her. Beispiel Spirit Aerosystems, der Hersteller des Türstopfens, der bei der Boeing 737 Max im Steigflug herausbrach: Er ist auch ein wichtiger Zulieferer für Airbus-Maschinen. Die Unglücks-Boeing war nagelneu, weshalb Experten die Aufmerksamkeit auf einen ganz anderen Bereich lenken: auf die Montage.

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    Als im Zuge der Corona-Pandemie der Luftverkehr zum Erliegen kam, baute Boeing rund 28.000 Arbeitsplätze ab, zudem verließen allein 2023 weitere 15.000 Mitarbeiter freiwillig. Zum Vergleich: Airbus reduzierte seine Belegschaft in dieser Zeit um rund 15.000 Mitarbeiter. Mit dem Ende der Pandemie stieg auch die Nachfrage nach Flugzeugen rasch wieder an. Und Boeing musste die Lücke mit meist unerfahrenen Arbeitskräften füllen.

    Ob die Probleme tatsächlich allein bei schlampigen Mitarbeitern liegen? Die US-Flugsicherheitsbehörde FAA verbot Boeing jedenfalls nach der herausgerissenen Tür, die Produktion wie geplant auszuweiten. Nun legte die Aufsichtsbehörde in einem Bericht nach: Der amerikanische Flugzeughersteller hat es demnach nicht geschafft, Qualitätssicherungsvorschriften einzuhalten. Die Montage, die Handhabung der Teile und sogar deren Lagerung genügten dem Bericht zufolge nicht den Vorschriften. Laut einem Bericht der „New York Times“ fiel die 737 Max bei umfangreichen FAA-Sicherheitsprüfungen gar bei mehr als einem Drittel der Tests durch. Anstatt höchster Sicherheit und Sorgfalt herrscht in den Boeing-Werken dem Anschein nach also eher Schlamperei.

    Die Probleme beim Flugzeugbauer Boeing reißen nicht ab: Immer wieder gibt es technische Pannen, Lieferungen sind bereits um Jahre verzögert.
    Die Probleme beim Flugzeugbauer Boeing reißen nicht ab: Immer wieder gibt es technische Pannen, Lieferungen sind bereits um Jahre verzögert. © Getty Images via AFP | David Ryder

    Boeing hat weltweit Dutzende Zulieferer: Tragflächen werden mitunter in Japan entworfen, das Höhenleitwerk stammt aus Italien und andere Teilen kommen aus den USA. Bei Boeing läuft dann die Endmontage. Passt das Zusammenspiel nicht, werden Teile also beispielsweise nicht fristgerecht oder passgenau geliefert, kommt es zu Verzögerungen im Betriebsablauf. Und das kostet Geld.

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    Druck: Boeing muss sparen und gleichzeitig Produktion verbessern

    Dabei will und muss Boeing eigentlich sparen. Das belegt auch die Entstehung der 737-Max-Reihe. Nachdem Airbus mit der A320neo einen Jet entwickelt hatte, der noch mal mit weniger Sprit auskam, musste Boeing mitziehen. Es war schneller, einfacher und billiger, die Max-Variante der Boeing 737 zu entwickeln, die seit den 60er-Jahren flog, als auf ein völlig neues Modell zu setzen. Doch anstatt ein echtes Konkurrenzmodell zu Airbus zu entwickeln, hat Boeing nun Dauerärger mit seinen 737-Max-Flugzeugen.

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    Und jede zusätzliche Panne macht Boeing mehr zu einem Getriebenen: Nach dem letzten Tür-Zwischenfall musste Boeing seine Produktion drosseln – und wird nun von allen Seiten genau beobachtet, natürlich auch von den Fluggesellschaften. Für sie bedeutet das Ganze, dass sie noch länger auf ihre bestellten Flugzeuge warten müssen. Für Boeing die nächste Katastrophe: Für das hoch verschuldete Unternehmen – 2022 lag der Verlust bei fünf Milliarden Euro, im vergangenen Jahr waren es noch immer zwei Milliarden Minus – sind die Auslieferungen entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg. Aber hier hängt Boeing ganz schön hinterher.

    Die US-Fluggesellschaft Delta hatte im Sommer 2022 insgesamt 100 737-Max-Maschinen bestellt. Kaufpreis: rund 13,5 Milliarden Dollar. Nach mehrfacher Verzögerung sollen die Flugzeuge nun vermutlich erst 2027 ausgeliefert werden können. Gleiches Bild bei anderen Airlines: Die bestellten Flugzeuge verspäten sich, Emirates wartet zum Beispiel schon mehr als fünf Jahre auf seine 200 bestellten Flugzeuge. Und die Lieferung könnte sich sogar noch bis 2027 hinziehen. Doch ob die neuen Liefertermine eingehalten werden können: fraglich.