Berlin/Kleinmachnow. Übernachtlieferungen sind eine Antwort des Buchhandels auf Amazon. Nun plant Deutschlands größter Buchgroßhändler Veränderungen.
Heute bestellt, morgen da: In Deutschlands Buchhandlungen gilt die sogenannte Übernachtlieferung auch als Antwort auf große Internetkonzerne wie Amazon. Jetzt allerdings steht der Branche eine einschneidende Veränderung hervor. Wie diese Redaktion erfuhr, streicht Deutschlands wichtigster Buchgroßhändler Zeitfracht die Dienstleistung für einen Teil der Abnehmer. Betroffen sind kleine Buchhandlungen. Größere Buchhändler und bekannte Filialisten sollen weiterhin über Nacht mit von Kunden bestellten Büchern beliefert werden.
Zu den Kunden von Zeitfracht zählen im deutschsprachigen Raum 5.550 Buchhandlungen und andere Geschäfte, die Bücher im Sortiment haben. Vom Aus der Übernachtlieferung sind dem Unternehmen zufolge gut zehn Prozent der Abnehmer betroffen.
„Zeitfracht Medien wird die Übernachtlieferung ab 1. Februar für die Kunden einstellen, die ein besonders geringes Jahresabnahmevolumen haben. Das bedeutet, dass diese Buchhandlungen von uns nicht mehr täglich, sondern nur noch zweimal in der Woche von unseren Lkw angefahren werden können“, sagte Zeitfracht-Geschäftsführer Wolfram Simon-Schröter dieser Redaktion.
Ein entsprechendes Schreiben hat das Unternehmen mit Sitz in Kleinmachnow bei Berlin nach Weihnachten an betroffene Kunden verschickt. Demnach werden Buchhandlungen nicht mehr regelmäßig über Nacht beliefert, deren Jahresabnahmevolumen einen Nettowert von 30.000 Euro unterschreitet. Diese Abnahmehöhe sei nötig, „um durch Bündelungseffekte bei der Kommissionierung und in der Anlieferung, Kostensteigerungen auffangen zu können.“
Buchpreisbindung: Im Buchhandel sind Spielräume, gestiegene Kosten weiterzugeben, begrenzt
Das Aus für die Übernachtlieferungen an kleinere Buchhandlungen begründet der Logistiker mit gestiegenen Kosten in vielen Bereichen. Firmenchef Simon-Schröter nannte als Beispiele höhere Ausgaben für Personal, Energie, dem Material und dem Transport. Bereits zum Dezember hatte sich die Maut für Lastwagen auf deutschen Straßen verteuert, eine weitere Ausweitung ist im kommenden Jahr geplant. Zeitfracht selbst bezifferte die Mehrkosten dadurch auf etwa 20 Prozent.
„Die CO₂-Besteuerung und die Ausweitung der Lkw-Maut im nächsten Jahr sind die i-Tüpfelchen auf die ohnehin schon immer weiter gestiegenen Transportkosten. Der Spielraum, diese höheren Kosten an Kunden weiterzugeben, sind im Bereich Buchhandel vor allen Dingen durch die Buchpreisbindung begrenzt“, sagte Zeitfracht-Chef Simon-Schröter. Könnten andere Märkte Preissteigerungen an die Verbraucher durchreichen, sei dies für den Zwischen- und Buchhandel nicht möglich. Etwaige Preisanhebungen durch die Verlage wirkten zudem erst nachrangig.
Zeitfracht ist der größte deutsche Buchgroßhändler
Zeitfracht gilt seit der Übernahme von Koch, Neff & Volckmar GmbH (KNV) im Jahr 2019 als größter Buchgroßhändler im deutschsprachigen Raum vor Wettbewerbern wie Libri und Umbreit. Täglich sind Unternehmensangaben zufolge mehr als 400 Lkw im Einsatz. Zeitfracht kauft als Teil der sogenannten Barsortimente Bücher von Verlagen und verkauft diese weiter an den Bucheinzelhandel.
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels wollte die Entscheidung des Unternehmens, die Übernachtlieferung für kleinere Abnehmer einzustellen, zunächst nicht kommentieren. Der Erfolg einer Buchhandlung hänge von verschiedenen Faktoren ab, sagte dessen Hauptgeschäftsführer Peter Kraus vom Cleff. Bislang habe der Buchhandel jede neue Herausforderung angenommen und mit guten Strategien reagiert.
Börsenverein des Buchhandels: Viele Kunden schätzen Bestellung vor Ort
„Unsere Branche braucht weiterhin bestmögliche Lieferwege unter Berücksichtigung ökologischer und ökonomischer Aspekte, um Menschen auch künftig eine große Vielfalt an Büchern schnell und unkompliziert zugänglich zu machen. Viele Kundinnen und Kunden schätzen und nutzen die Bestellung bei ihrer Buchhandlung vor Ort und werden das auch weiterhin tun“, sagte er weiter.
Zeitfracht arbeitet eigenen Angaben zufolge schon länger an der Bündelung von Transportdienstleistungen. Neben Büchern transportiert das Unternehmen auch Kleidung und Computerzubehör durch ganz Deutschland. Er gehe davon aus, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen dazu führen würden, dass Transportunternehmen effektiver fahren müssten, sagte Simon-Schröter. „Mit einem halbleeren Lkw durch die Gegend zu gondeln, wird sich schlichtweg keiner mehr leisten können und wollen. Ich halte das ordnungspolitisch für richtig“, erklärte er. Wolle man auf den Pfad der Dekarbonisierung gelangen, helfe nur weniger, dafür aber sinnvoller zu fahren.