Luxemburg. Überfischung, Klimawandel, Verschmutzung: Der Ostsee und ihren Bewohnern geht es schlecht, teils sehr schlecht. Die Folgen haben deutsche Fischer getroffen - Umweltschützern geht es nicht weit genug.

Deutsche Ostseefischer dürfen auch 2024 nur wenig Dorsch und Hering aus der Ostsee ziehen. Die EU-Staaten beschlossen in Luxemburg nach langen Verhandlungen, dass in der westlichen Ostsee Hering weitgehend nicht gezielt gefischt werden darf, wie das Bundeslandwirtschaftsministerium mitteilte. Der einstige Brotfisch der Ostseefischer darf seit 2022 in der westlichen Ostsee nicht mehr gezielt gefischt werden. Allerdings wird es laut Ministerium weiterhin Ausnahmen für kleine Boote geben, die etwa mit Stellnetzen oder Reusen fischen.

Für deutsche Fischer ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Die beschlossenen Mengen „lassen keine auskömmliche Fischerei mehr zu“, heißt es in einer Reaktion des Deutschen Fischereiverbandes in Hamburg. „Wie zu erwarten war, wird es für die deutschen Küstenfischer an der Ostsee auch im nächsten Jahr sehr schwer werden.“

Die EU-Kommission hatte eigentlich vorgeschlagen, diese Ausnahmen auslaufen zu lassen. Bundesagrarminister Cem Özdemir hatte sich vor dem Treffen für einen Erhalt der Ausnahmen eingesetzt. Diese seien auch von sozioökonomischer Bedeutung, um die vorhandenen Fischereistrukturen zu erhalten. „Dadurch wird die Erholung des Bestands nicht gefährdet“, so der Grünen-Politiker.

Umweltorganisationen sind unzufrieden

Kritik an der Ausnahme kommt von Greenpeace. Jahrelange Überfischung durch Industrieflotten habe eine umweltverträgliche Fischerei unmöglich gemacht. Auch andere Umweltschützer wie der BUND, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der WWF kritisierten, dass 2024 zu viele Fische aus dem Meer gezogen werden dürfen. Unter anderem gibt es vehemente Kritik daran, dass in der zentralen Ostsee und zwischen Schweden und Finnland gezielt Heringe gefangen werden dürfen.

Dorsch darf 2024 nicht gezielt, sondern nur als Beifang in den Netzen deutscher Fischer landen. Dabei sinkt die für die westliche Ostsee erlaubte Fangmenge um 30 Prozent auf 73 Tonnen, in der östlichen Ostsee bleibt sie unverändert bei 54 Tonnen. Freizeitfischer dürfen den Fisch den Angaben zufolge künftig in der westlichen Ostsee nicht mehr fangen.

Hintergrund der Beschränkungen ist der schlechte Zustand vieler Fischbestände. Überfischung, Klimawandel und andere Faktoren haben den Tieren zugesetzt und setzen sie teils auch weiter unter Druck. „Die Dorsch- und Heringsbestände sowohl der östlichen als auch der westlichen Ostsee befinden sich in einem katastrophalen Zustand“, so Christian Möllmann von der Uni Hamburg.

Für Schollen, denen es besser geht als Heringen und Dorschen, bleibt die Fangmenge bei 900 Tonnen für Deutschland. Umweltschützer hatten auf eine geringere Menge gehofft, da beim Schollenfang auch Dorsch als Beifang in den Netzen landet. Die DUH kritisierte auch eine hohe Fangmenge von Sprotten, bei denen große Heringe als Beifang in den Netzen landen könnten.

Thünen-Institut: Beschlüsse sind guter Kompromiss

Der Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock, Christopher Zimmermann, bewertete die Beschlüsse als guten Kompromiss. „Die Minister haben berücksichtigt, dass die Fischbestände der Ostsee geschützt werden müssen“, sagte Zimmermann der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe keinen Grund, durch sehr knappe Beifangmengen auch die letzten Reste der Fischerei stillzulegen und damit das Ende dieses Wirtschaftszweiges zu besiegeln.

Die Kommission hatte im Sommer Vorschläge für die künftigen Fangmengen unter Beachtung der Einschätzung des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES) vorgestellt. Dieser untersucht anhand wissenschaftlicher Kriterien etwa, wie viel Fisch gefangen werden kann, ohne dass ein Bestand komplett zusammenbricht. In dem Rat haben sich 20 Länder zusammengeschlossen - auch Deutschland.

Aussicht auf schnelle Besserung ist dabei nicht in Sicht. „Dorsch wird aller Voraussicht nach weiter und für viele Jahre in schlechtem Zustand bleiben, hier müssten sich die Umweltbedingungen - vor allem Überdüngung und Klimawandel - erheblich verbessern, um eine Erholung zu ermöglichen“, sagte Zimmermann. Möllmann betonte: „Es ist aber unklar, ob - und wenn ja wann - die Schließung der Fischereien einen Effekt zeigen wird.“