Marrakesch. Die Weltbank ist einer der größten Entwicklungs-Finanzierer. Doch nach Auffassung unter anderem von Deutschland und den USA trägt sie Scheuklappen. Jetzt gibt es neue Kriterien für ihre Kredite.
Die Weltbank will dafür sorgen, dass in ärmeren Ländern künftig mehr Geld in Klimaschutz und globale Gesundheit investiert wird.
Bei ihrer Jahrestagung in Marrakesch gaben die Anteilseigner der Entwicklungsbank ein neues Leitbild. Ziel soll weiterhin die Bekämpfung von Armut sein – allerdings mit dem Zusatz „auf einem lebenswerten Planeten“.
Durch neue Kriterien bei der Vergabe der Weltbank-Kredite soll es sich für Staaten mehr lohnen, in Projekte zu investieren, die nicht allein zu ihrem eigenen Nutzen sind – etwa in den Schutz von Regenwäldern und bedrohten Arten oder in die Bekämpfung ansteckender Krankheiten.
„Damit kommt die Weltbank auf die Höhe der Zeit“, sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). „Im 21. Jahrhundert kann man nur erfolgreich Armut bekämpfen, wenn man zugleich auch die natürlichen Lebensgrundlagen schützt.“ Die Weltbank werde künftig eine größere Rolle dabei spielen, die weltweite Energiewende zu schaffen, die nächste Pandemie zu verhindern oder den Regenwald zu schützen.
Der neue Auftrag: ein lebenswerter Planet
„Armut beenden auf einem lebenswerten Planeten“, so lautet das neue Geschäftsmodell der Bank. Im Fokus stehen sogenannte globale öffentliche Güter. Das sind Dinge, die alle Menschen weltweit zum Überleben brauchen. Eine saubere Umwelt, ein stabiles Klima, Frieden, globale Gesundheit. Sie im globalen Süden bereitzustellen oder zu schützen, kostet nach Schätzungen der Bundesregierung bis 2030 jährlich 2,4 Billionen US-Dollar (rund 2,26 Billionen Euro)
Auswirkung auf die Kreditvergabe
Der neue Auftrag soll konkrete Auswirkungen auf die Kreditvergabe haben. So sollen Gelder auch für Impfkampagnen oder Projekte vergeben werden, die zum Klimaschutz beitragen. „Ein Landwirtschaftsprojekt, das nicht darauf ausgelegt ist, klimabedingten Schocks und langfristigen Belastungen wie Dürren, verkürzten Jahreszeiten und unberechenbaren Wettermustern standzuhalten, wird die angestrebten Ergebnisse nicht erreichen. Ein Projekt mit dürreresistenten Pflanzen und einer effizienteren Wassernutzung wird jedoch zu höheren Erträgen führen, die Lebensgrundlagen verbessern und die Ernährung der Bevölkerung sichern“, erklärte US-Finanzminister Janet Yellen in Marrakesch. Schulze und sie gelten als treibende Kräfte der Reform.
Befürchtungen armer Länder
Ärmere Länder, die aktuell viel Unterstützung bekommen, sehen die Neuausrichtung auch kritisch. Sie befürchten, dass die Weltbank zur „Klimabank“ wird - und sie selbst weniger vom Kuchen abbekommen. Schulze versuchte in Marrakesch zu beschwichtigen: Letztlich werde die Entwicklungsbank mehr Geld für Armutsbekämpfung und Klimaschutz bereitstellen können, weil sie ihr Potenzial besser ausschöpfe.
Beschlossen wurde in Marrakesch auch, dass Länder, die dem Klimawandel besonders ausgeliefert sind, im Fall einer Naturkatastrophe die Möglichkeit bekommen, ihre Schulden kurzfristig nicht zu bezahlen. So sollen sie mehr finanzielle Luft für die Krisenbekämpfung bekommen.
Das Kapital-Problem
Doch das Problem bleibt: Die Weltbank muss mehr Geld mobilisieren. Dafür soll sie zum einen privates Kapital eintreiben, aber auch mehr Risiko für Finanzierung gerade in den ärmsten Ländern schultern, damit Investoren nicht weiter einen Bogen um diese machen. Dabei, so betont auch die Bundesregierung, dürfe aber das AAA-Rating der Weltbank - die höchste Bonitätsnote der Rating-Agenturen - nicht in Gefahr geraten.
Im Frühjahr in Washington beschloss die Weltbank zudem bereits erste Maßnahmen, um ihre Finanzkraft auf zehn Jahre um 50 Milliarden US-Dollar zu steigern. Mit weiteren Instrumenten könnten mehr als 100 Milliarden mobilisiert werden.
„Wir erwarten sehr bald weiteren Fortschritt“, sagte Yellen. Doch die deutsche Regierung ist die einzige, die bisher eine belastbare Kapitalzusage gemacht hat, die das Ausleihvolumen der Weltbank um rund 2,5 Milliarden Euro erhöhen soll. Vielen Geberländern scheint gerade eher selbst die Kraft für Entwicklungshilfe auszugehen.
Die Entwicklungsorganisation One warnt, dass Warten noch viel teurer werden könnte. „Nichts ist so teuer wie eine verpasste Chance“, sagte Deutschland-Direktor Stephan Exo-Kreischer. „2023 war erneut ein Jahr vieler tödlicher Katastrophen - Weckrufe, die wir nicht länger überhören dürfen.“