Berlin. Post-Beschäftigte bringen in Berlin ihre Besorgnis über eine anstehende Gesetzesreform zum Ausdruck. Der Entwurf dafür liegt zwar noch nicht vor. Klar ist aber, dass es für Verbraucher Änderungen geben wird.
Zehntausende Briefträger und Paketzusteller des Post-Konzerns DHL haben am Montag vor dem Brandenburger Tor demonstriert und davor gewarnt, dass eine anstehende Gesetzesreform zum Jobkiller werden könnte.
„Wenn der Universaldienst nicht mehr auskömmlich finanziert werden kann, dann sind mehr als zehntausend Arbeitsplätze in Gefahr“, sagte Gesamtbetriebsratschef Thomas Held in Berlin. Mit Universaldienst ist gemeint, dass die Post an jedem Werktag überall in Deutschland Sendungen zustellt. Derzeit hat die Post rund 116.500 Zustellerinnen und Zusteller, inklusive weiterer Mitarbeiter sind 190.000 im Bereich Brief & Paket Deutschland tätig.
Held verwies darauf, dass Konkurrenten schlechter bezahlten als der Marktführer. „Die Post macht kein Sozialdumping, sondern wir setzen auf faire Tarifverträge mit guten Arbeitsbedingungen.“ Der Bund sollte helfen, damit solche guten Arbeitsplätze erhalten blieben.
Verdi-Chef Frank Werneke forderte eine Gesetzesnovelle, die sowohl den Beschäftigten als auch der breiten Bevölkerung gerecht werde. „Post- und Paketzustellung ist so etwas wie eine Daseinsvorsorge für die Bevölkerung“, sagte der Gewerkschafter. „Wir wollen, dass die Qualität erhalten bleibt.“
Veraltetes Gesetz aus den 90ern
Das derzeit gültige Postgesetz wurde zuletzt im Jahr 1999 wesentlich verändert - seine Regeln stammen also noch aus einer Zeit, als Online-Handel für viele Menschen noch ein Fremdwort war. Seither haben sich die Gewohnheiten fundamental geändert: Briefe sind aus der Mode gekommen, digitale Kommunikation ist selbstverständlich. Die Briefmenge schrumpft seit langem, und die Paketmengen wachsen an.
Das Regelwerk macht zum Beispiel Vorgaben zur Dichte des Filial- und Briefkastennetzes. Außerdem müssen mindestens 80 Prozent der eingeworfenen Briefe am nächsten Werktag ankommen, am übernächsten Werktag müssen es 95 Prozent sein. Dadurch hat die Post Zeitdruck und setzt noch immer einige Flugzeuge zum Brieftransport ein. Zudem bevorzugt sie den Lkw-Verkehr, der Güterzug-Transport spielt nur eine Nebenrolle. Das belastet die Klimabilanz. Gut möglich, dass die Briefbeförderung künftig länger dauert. Auch ein Preismodell wird angedacht, bei dem schnelle Briefe teurer wären als reguläre Briefe.
Mit der Reform will die Regierung das Postgesetz ins digitale Zeitalter hieven. Anfang des Jahres legte sie recht vage Eckpunkte vor. Gießt die Ampelkoalition die Eckpunkte in ein Gesetz, so könnte es künftig mehr Wettbewerb geben und der Gelbe Riese unter Druck geraten. Es könnte vorgeschrieben werden, dass die Post bei ihren Firmenkunden-Preisen und damit dem Löwenanteil der Briefmengen nicht mehr so große Rabatte gewähren darf wie sie es derzeit tut.
Post befürchtet Gegenwind
Das und noch andere Aspekte der Eckpunkte lassen die Alarmglocken schrillen bei der Post. Noch im vergangenen Winter lagen Management und Arbeitnehmervertretung in einem Tarifkonflikt über Kreuz und es drohte ein unbefristeter Streik. Der konnte erst in letzter Minute verhindert werden. Nun ziehen beide Seiten beim Thema Gesetzesreform demonstrativ an einem Strang: Beide wollen einen guten Rahmen, damit das Briefgeschäft der Post nicht unter die Räder kommt.
Zur Vorgeschichte der Berliner Post-Kundgebung gehört auch eine Entscheidung der Bundesnetzagentur vom Sommer dieses Jahres. Wegen der hohen Inflation und damit verbundener Kostensteigerungen wollte die Post das Briefporto vorzeitig anheben, scheiterte aber mit einem Antrag bei der Behörde. Danach gab es lange Gesichter in der Firma - und Warnungen über mögliche Folgen des steigenden Kostendrucks. Zückt das Management nun also den Rotstift, wenn die Gesetzesnovelle zum noch größeren Bremsklotz wird im Inlandsmarkt, der für den Weltkonzern ohnehin nur noch von eher geringer Bedeutung ist?
Ihre Besorgnis brachten am Montag rund 30.000 Post-Beschäftigte aus dem gesamten Bundesgebiet zum Ausdruck. „Novelliert uns nicht unsere Zukunft kaputt“, stand auf einem Transparent, und auf einem anderen: „Wir kämpfen für ein gutes Postgesetz“.
Kritik der kleinen Konkurrenten
Die Post ist mit großem Abstand Marktführer. Während DHL im deutschen Paketmarkt etwas weniger als die Hälfte des Geschäfts ausmacht, liegt der Anteil im Briefmarkt bei 85 Prozent. Zu den Brief-Konkurrenten gehören die regional tätigen Firmen Citypost aus Hannover, PostModern aus Dresden und die Pin AG aus Berlin. Diese Unternehmen hoffen auf Aufwind durch die Reform. Sie haben sich im Bundesverband Briefdienste organisiert, dessen Vorsitzender Walther Otremba die Dringlichkeit von Änderungen bisheriger Regeln betonte.
Derzeit werde echter Wettbewerb am Briefmarkt ausgebremst, sagte er. „Das bisherige Postgesetz reicht nicht aus, um vernünftigen Wettbewerb zu generieren - die Post ist noch immer ein Quasi-Monopolist, der das verhindert.“ Den Vorwurf, dass die Post-Konkurrenten auf schlecht bezahlte Jobs setzten, wies Otremba zurück. „Man kriegt in der Logistik gar keine Arbeitskräfte mehr, wenn man sie nicht vernünftig bezahlt.“ Sollte eine Gesetzesänderung zum Rückenwind für die Post werden, so ginge das zu Lasten der Beschäftigten der Konkurrenten.
Aus der Ampel-Koalition meldete sich der FDP-Bundestagsabgeordnete Reinhard Houben zu Wort. Die Vorgaben für den Universaldienst im neuen Postgesetz müssten „so gestaltet werden, dass der Briefmarkt wieder attraktiv für Wettbewerber der Deutschen Post wird“, sagte der Liberale. „Zugleich darf das Briefporto trotz stetig sinkender Briefmengen nicht ins Unermessliche steigen.“
Zeitpunkt für Gesetzesvorschlag unklar
Und wann kommt der eigentlich schon in diesem Sommer erwartete Entwurf für die Gesetzesnovelle? Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte, die Arbeiten liefen intensiv. Einen Zeitpunkt könne sie aber noch nicht nennen.