Frankfurt/Main. Ob Geschäft oder Urlaub - Reisen mit dem Flugzeug werden noch viele Jahre lang große Mengen klimaschädlicher Stoffe freisetzen. Ausgleichen wollen das bislang nur wenige Passagiere.
Fliegen mit besserem Klimagewissen - das will eine steigende Zahl von Passagieren. Während der globale Luftverkehr nach der Corona-Delle wieder massiv zunimmt, bleiben die Möglichkeiten eines wirklich umweltverträglichen Betriebs von Verkehrsflugzeugen aber noch auf längere Sicht begrenzt. Sparsamere Triebwerke, ein weitgehend elektrifizierter Betrieb der Flughäfen am Boden oder kürzere Flugrouten: Das alles reicht längst nicht aus.
Die Pläne von Politik, Herstellern und Airlines richten sich daher auf das ferne Jahr 2050, in dem Klimaneutralität erreicht werden soll. Wesentlicher Hebel soll dabei nachhaltig produziertes Kerosin (SAF) werden, das aktuell in geringen Mengen aus Speiseresten hergestellt wird, später aber vor allem aus regenerativ gewonnenem Strom stammen soll. Ab 2025 verlangt die Europäische Union die Beimischung von SAF in steigenden Quoten.
Der Branche ist durchaus bewusst, dass sie etwas tun muss, denn die schädlichen Klimafolgen der Fliegerei gehen weit über die reine CO2-Emission hinaus, die rund 2,8 Prozent des weltweiten Ausstoßes ausmacht.
Kondensstreifen und Rußpartikel sind mindestens ebenso klimawirksam, sagte DLR-Fachbereichsleiter Markus Fischer kürzlich dem „Hessischen Rundfunk“. Immerhin sei es hier bereits möglich, bestimmte Luftzonen mit starker Kondensation zu umfliegen und so die zusätzliche Wolkenbildung zu vermeiden.
Airlines errechnen zu geringe Emissionen
Der Druck auf die Flugbranche wächst. Firmenkunden wie Privatleute verlangen genauere Informationen zur Nachhaltigkeit, am Kapitalmarkt schauen Investoren auf entsprechende ESG-Bewertungen durch Agenturen und auch neue Mitarbeiter wollen lieber für ein Unternehmen arbeiten, dem die Klimafolgen nicht gleichgültig sind. Laut Weltverband IATA bieten bereits mehr als 50 Airlines ihre Kunden freiwillige Kompensationsprogramme an. Oftmals fallen die pro Reise errechneten CO2-Mengen dabei aber zu gering aus, hat die Stiftung Warentest festgestellt.
Die Stiftung hat zudem wiederholt Anbieter untersucht, die auch Privatleuten CO2-Zertifikate anbieten, die über einen reinen Ablasshandel hinausgehen. Der alleinige Testsieger „Atmosfair“ glänzte 2022 mit Zertifikaten ausschließlich nach dem von Umweltverbänden vor Jahren geschaffenen „Goldstandard“. 7 Euro für einen Oneway-Flug von Frankfurt nach Mallorca, 34 Euro nach New York: Derartige Ausgleichsbeträge nennt die Plattform bei einer aktuellen Abfrage.
Aufforstung kaum kontrollierbar
Die über die Einnahmen geförderten Projekte konzentrieren sich auf Technologietransfer (zum Beispiel effiziente Öfen und nachhaltige Energie) und Armutsbekämpfung in Staaten des globalen Südens. Aufforstungen unterstützt Atmosfair explizit nicht, weil ein Wald mindestens 50 bis 100 Jahre bestehen müsse, um eine nennenswerte Klimawirksamkeit zu erzielen. Ein Zeitrahmen, den niemand garantieren oder kontrollieren könnte, findet die gemeinnützige GmbH.
Wenige zahlen bereits
Laut einer McKinsey-Studie sollen in Ländern wie Schweden oder Deutschland drei von vier Fluggästen bereit sein, höhere Preise für CO2-arme Flüge zu akzeptieren. Doch nur wenige zahlen jetzt schon freiwillig mehr, wie das Beispiel der Lufthansa Group zeigt. Europas größter Airline-Konzern hat im Flugjahr 2022, das noch unter dem Eindruck der Corona-Pandemie stand, nach eigenen Angaben knapp 7,3 Millionen Tonnen Treibstoff verbraucht und damit fast 23 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt.
Neue Green Fares
Davon wurden nur rund 430.000 Tonnen durch Passagiere oder das Unternehmen kompensiert, ein Anteil von 1,9 Prozent. Noch geringer fällt die CO2-Ersparnis durch das knappe SAF-Kerosin aus mit 43.900 Tonnen oder 0,19 Prozent. Mit ihren neuen „Green Fares“ bietet Lufthansa künftig eine Mischung aus 20 Prozent SAF und 80 Prozent Kompensation an und will so die Teilnahmequote auf jeden 20. Fluggast (5 Prozent) steigern.
Die Plattform CO2Online mahnt die Passagiere, die Notwendigkeit ihrer Buchungen zu überprüfen: Kompensation ist beim Klimaschutz immer nur die drittbeste Lösung nach dem Vermeiden und dem Vermindern von Emissionen. Der Ausgleich sollte daher nur dort eingesetzt werden, wo es an klimafreundlichen Alternativen fehlt. Das trifft beim Luftverkehr wohl noch lange Jahre zu, denn an emissionsfreien Flugzeugantrieben etwa mit Elektromotoren oder Brennstoffzellen mangelt es weiterhin.