Bonn - . Seit gut anderthalb Jahren kostet der Versand eines Standardbriefs 85 Cent. Geht es schon bald nach oben mit dem Preis? Solche Pläne hatte die Post, bekam nun aber eine Abfuhr von einer Bonner Behörde.
Deutschlands Verbraucherinnen und Verbraucher bleiben von einer Erhöhung des Briefportos verschont. Ein Antrag auf eine vorzeitige Preisanhebung sei abgelehnt worden, teilte die Bundesnetzagentur am Montag in Bonn mit. Der Konzern hatte das Schreiben im Mai eingereicht, damit er den Versand von Briefen und Postkarten schon 2024 erhöhen darf und nicht erst 2025.
Den Antrag hatte die Post im Mai mit höheren Kosten begründet, etwa für Personal und Energie. Nach Prüfung der eingereichten Daten teilte die Regulierungsbehörde aber mit, dass die Post die Kostensteigerungen nicht hinreichend nachgewiesen habe. „Wir sehen das herausfordernde Umfeld im Brief- und Paketgeschäft, aber nach den vorgelegten Daten reichen die Briefpreise aus, um die Stückkosten zu decken“, sagte Netzagentur-Chef Klaus Müller und fügte hinzu, dass die Post in diesem Bereich weiterhin Gewinne erwirtschafte.
Nach ihren Berechnungen, die auf Basis des Post-Antrags getätigt wurden, liegen die Stückkosten sogar leicht unter der Prognose von 2021. Die von der Post festgestellten deutlichen Abweichungen nach oben kann die Regulierungsbehörde nicht nachvollziehen.
Regelmäßige Portoerhöhungen
Beim regulierten Bereich geht es um die Sendungen, die in Briefkästen eingeworfen oder in Filialen abgegeben wurden, also vor allem von Privatkunden. Die Preise für Geschäftspost - ob Werbung oder Versicherungsschreiben - sind hingegen frei verhandelbar.
Das Porto von Standard-, Kompakt-, Groß- und Maxibriefen sowie Postkarten erhöht sich in der Regel alle drei Jahre. 2012 kostete zum Beispiel der Versand eines Standardbriefs im Inland noch 55 Cent, danach wurde er schrittweise teurer. Heute sind es 85 Cent. Die Firma ist bei der Verteuerung auf die Zustimmung der Bundesnetzagentur angewiesen. Dass die nun abwinkt, ist eine faustdicke Überraschung.
Die Post reagierte mit Kopfschütteln. Man halte die Entscheidung der Bundesnetzagentur für falsch, sagte Konzernchef Tobias Meyer. Der Kostendruck im Briefbereich verschärfe sich und Klimaschutz-Investitionen würden unmöglich gemacht. Es gebe „ganz klar eine Erhöhung der Stückkosten“, sagte der Manager und verwies darauf, dass der Gewinn im Unternehmensbereich Post & Paket Deutschland im ersten Halbjahr 2023 um 56,3 Prozent eingebrochen sei. Hierbei sind auch Pakete und Geschäftsbriefe eingerechnet.
Die Firma prüft nun, wie sie den Effekt der Kostensteigerungen durch Kostensenkungen mildern kann. Ob und wo genau der Rotstift angesetzt werden könnte, ließ Meyer offen - denkbar ist, dass der Ausbau der Elektrofahrzeug-Flotte verlangsamt wird.
Die Gewerkschaft Verdi bezeichnete die Behördenentscheidung als „völlig unverständlich“. Sie werde negative Folgen für die Post-Beschäftigten haben, sagte Verdi-Vize Andrea Kocsis. Nötige Investitionen in eine nachhaltige flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Post-Dienstleistungen „werden nicht im erforderlichen Umfang umgesetzt werden können“, warnte die Gewerkschafterin.
Dreistelliger Millionen-Euro-Betrag
Klar ist, dass dem Großkonzern ein nennenswerter Betrag entgeht: Die vorzeitige Portoerhöhung hätte der Firma nach eigenen Angaben im kommenden Jahr schätzungsweise einen unteren dreistelligen Millionen-Betrag an Umsatz gebracht. Auf eine Klage gegen den Behördenbeschluss wird die Post wohl verzichten, weil dafür die Zeit fehlt. „Es hilft uns nicht, 2025 Recht zu bekommen“, sagte Meyer. Das jetzige Porto läuft im Januar 2025 aus - dann wird die Post höchstwahrscheinlich ohnehin ihre Preise anheben dürfen.
Beim Porto reicht die Post Zahlen ein, die von der Bundesnetzagentur überprüft werden. Dass die Firma und die Behörde auf Basis derselben Zahlen zwei völlig unterschiedliche Schlüsse ziehen - die eine Seite hält eine Portoerhöhung für überfällig, die andere für nicht angebracht -, ist kurios. Hierbei könnte eine Rolle spielen, dass die Post gewisse finanzielle Lasten stärker gewichtet als die Behörde.
Folgen der Inflation strittig
Zudem bezieht sich die Firma in ihrer Pro-Erhöhungs-Argumentation unter anderem auf eine Inflationsquote von 6,9 Prozent im Jahr 2022, während die Netzagentur in Bezug auf das Porto nur von 2,0 Prozent ausging. Allerdings sind beide Werte nur schwer miteinander vergleichbar, schließlich handelt es sich bei den 6,9 Prozent um die allgemeine Teuerungsrate inklusive Lebensmitteln - und die sind für das Post-Geschäft unerheblich. Nach Darstellung der Bundesnetzagentur sind die Kosten des Postdienstleisters längst nicht so stark gestiegen, wie die hohe Inflationsrate vermuten lasse.
Im Internetzeitalter sinkt die Briefmenge seit Jahren. 2017 beförderte die Post in Deutschland laut Zahlen der Bundesnetzagentur 12,9 Milliarden Sendungen im Briefbereich, fünf Jahre später waren es nur noch 10 Milliarden - ein Minus von 22 Prozent.
Reaktionen aus der Politik
Der SPD-Abgeordnete Sebastian Roloff sagte, dass es nachvollziehbare Argumente für eine vorzeitige Portoerhöhung gegeben habe. Daher sei er von der Ablehnung „etwas überrascht“. Der Liberale Reinhard Houben sagte, dass die Netzagentur über nicht-öffentliche Zahlen verfüge, „die es ihr ermöglichen, genau zu prüfen, ob die Briefpreise hoch genug sind, um die Zustellkosten zu decken“.
Die Bundespolitik befasst sich derzeit mit der Reform des veralteten Postgesetzes, ein erster Entwurf der Gesetzesnovelle dürfte im Spätsommer oder Herbst auf den Tisch kommen. Die Post wirbt hierbei für Rahmenbedingungen, die sie entlastet.