Berlin. Der DB-Konzern kämpft an vielen Fronten: Ein sanierungsbedürftiges Schienennetz, hohe Schulden und eine kriselnde Güterverkehrstochter gehören dazu. An einer großen Baustelle zeichnet sich nun ein Ende ab.
Keine Warnstreiks bei der Bahn in den Sommerferien: Mit dem Schlichterspruch im Tarifstreit der Deutschen Bahn gibt es für die Millionen Kundinnen und Kunden des bundeseigenen Konzerns zumindest etwas Hoffnung. Sollten die Mitglieder der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft dem Kompromissvorschlag der Schlichter in den nächsten Wochen zustimmen, gibt es nicht nur für Fahrgäste, sondern auch die Bahn einen großen Unsicherheitsfaktor weniger. Dass die Bahn trotzdem weiter in schwierigem Fahrwasser unterwegs ist, zeigt die Halbjahresbilanz, die der Konzern in Berlin vorlegte.
Da wäre zum einen die hohe Unzuverlässigkeit. „Wir wissen, dass wir unseren Kundinnen und Kunden aktuell viel zumuten“, sagte Bahnchef Richard Lutz. Nur 68,7 Prozent der Fernzüge waren im ersten Halbjahr ohne größere Verzögerung unterwegs, wie die Bahn mitteilte. In diesem Jahr strebt sie eine Pünktlichkeitsquote von mehr als 70 Prozent an. Hauptgrund für Verspätungen bleibt das überlastete Schienennetz. „Zu störanfällig, zu alt und zu knapp bemessen an dem Verkehr, der da gerade stattfindet“, sei die Infrastruktur der Bahn, sagte Lutz.
Milliarden für Sanierung und Ausbau
Zahlreiche Baustellen bremsen den Personen- und Güterverkehr aus. Rund zwei Drittel aller Fernzüge seien von Baustellen betroffen. Die Bahn geht mit Milliardensummen in Vorleistung, um die Investitionen in Sanierung und Ausbau zu stemmen. Geld, von dem der Konzern einen Großteil vom Bund wiederbekommen soll. Doch in diesem Jahr drücken die Ausgaben die Bahn deutlich in die Verlustzone. Rund 71 Millionen Euro betrug der Fehlbetrag, den der Konzern im ersten Halbjahr unterm Strich, also nach Zinsen und Ertragsteuern, einfuhr. Im Vorjahreszeitraum stand noch ein Gewinn von rund 424 Millionen Euro.
Der Konzernumsatz ging um 10,7 Prozent auf 24,97 Milliarden Euro zurück. Dass zumindest vor Zinsen und Steuern ein um Inflationseffekte bereinigter operativer Gewinn (Ebit) von 331 Millionen Euro herauskam, hat der Konzern erneut der Logistiktochter DB Schenker zu verdanken. Das Unternehmen habe im ersten Halbjahr 2023 einen operativen Gewinn von 626 Millionen Euro erzielt, hieß es. Derzeit prüft der Konzern aber einen Verkauf des Logistikkonzerns.
Hunderte ungeplante Baustellen
Neben der Auflösung des Sanierungsstaus auf der Schiene kommen in diesem Jahr Hunderte ungeplante Baustellen hinzu. Nach dem Zugunglück in Garmisch-Partenkirchen vor etwas mehr als einem Jahr tauscht die Bahn vorsichtshalber fast 400.000 Betonschwellen aus. Die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung hatte im Juni in einem Zwischenbericht Materialfehler an diesen Bauteilen als Hauptursache für das Zugunglück ausgemacht. An zahlreichen zusätzlichen Stellen im Netz müssen die Züge nun langsamer fahren, bis die Schwellen untersucht und ausgetauscht werden.
Lutz: „Boom im Bahnfahren“
Doch die vielen Verspätungen und Zugausfälle halten die Menschen bisher nicht davon ab, die Bahn zu nutzen. „Wir haben einen Boom im Bahnfahren“, sagte Lutz. Allein im Fernverkehr verzeichnete der Konzern zwischen Januar und Juni dieses Jahres rund 68 Millionen Fahrgäste. Das waren 15,4 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Das Deutschlandticket habe den Trend bereits in den ersten zwei Verkaufsmonaten mit branchenweit rund elf Millionen Abonnenten im Regionalverkehr zusätzlich beflügelt. „Das ist der wichtigste Faktor, um die Erträge auszuweiten“, betonte der Konzernchef.
In den Griff bekommen müssen die Verantwortlichen auch die Probleme im Güterverkehr. Auch hier sorgt eine hohe Unpünktlichkeit für unzufriedene Kunden. DB Cargo soll umstrukturiert werden, ohne dass dafür Stellen im operativen Bereich wegfallen sollen, betonte Unternehmenschefin Sigrid Nikutta kürzlich. Die Bahn-Tochter fuhr im ersten Halbjahr einen Verlust von fast 860 Millionen Euro ein - vor allem aufgrund des unrentablen Einzelwagenverkehrs.
Weiter Verspätungen und Zugausfälle zu erwarten
Bis sich die Situation auf der Schiene bessert, wird es dauern. Zunächst müssen sich Fahrgäste und Güter-Kunden auch in den nächsten Jahren auf zahlreiche Verspätungen und Zugausfälle einstellen. Mit einer Generalsanierung will die Bahn wichtige Korridore vollsperren und innerhalb weniger Monate komplett auf Vordermann bringen. Start ist ab kommendem Sommer auf der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Nach und nach sollen weitere Knoten auf diese Weise aufgelöst werden und der Bahnverkehr besser fließen.
Der Bund will zudem die Infrastruktursparte vom Gewinndruck befreien und in eine gemeinnützige Gesellschaft überführen. Die Regierung hat zudem für die kommenden zwei Jahre rund 15 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionsmitteln beschlossen. Das Geld wird die Bahn brauchen, denn auf Dauer könne sie die hohen Investitionen alleine nicht stemmen, betonte Lutz.