Berlin. Wieder einmal gab es Verhandlungen bis tief in die Nacht - dann aber einen Durchbruch beim Heizungsgesetz. Letzte Hürden wurden aus dem Weg geräumt.
Die Ampel-Koalition hat eine Einigung über wichtige Fragen beim Heizungsgesetz erzielt. Bald soll es Klarheit für Millionen Hausbesitzer und Mieter geben, was genau auf sie zukommt. Am frühen Dienstagmorgen wurden sich die Unterhändler von SPD, Grünen und FDP nach langem Hin und Her einig. Der Gesetzentwurf soll geändert werden.
„Es ist gelungen, eine Einigung zu erzielen, die Klimaschutz, Technologieoffenheit und sozialen Ausgleich verbindet“, teilten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD, der Grünen und der FDP mit. „Damit bringen wir den Gebäudesektor auf den Weg zur Klimaneutralität.“ Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sehen gute Chancen, das Gesetz in der kommenden Woche durch den Bundestag zu bringen.
Kein zwingender Austausch funktionierender Geräte
Der bereits vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf sieht vor, dass von 2024 an möglichst jede neueingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit Öko-Energie betrieben werden. Damit soll die Wärmewende vorangebracht werden - als Beitrag, die Klimaziele zu erreichen. Von den rund 41 Millionen Haushalten heizt nahezu jeder zweite mit Erdgas, ein weiteres Viertel mit Heizöl. Es sollen aber keine funktionierenden Öl- und Gasheizungen ausgetauscht werden müssen. Außerdem sollen defekte Heizungen repariert werden dürfen.
Vor allem die FDP forderte grundlegende Änderungen am Gesetzentwurf. Eine Ampel-Spitzenrunde hatte sich Mitte Juni auf noch etwas vage formulierte Änderungen verständigt - sogenannte Leitplanken. Diese sehen im Kern für viele Hausbesitzer mehr Zeit beim Heizungstausch vor.
Das Gebäudeenergiegesetz soll an ein Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung gekoppelt werden. Es soll der Grundsatz gelten: Zuerst muss eine kommunale Wärmeplanung vorliegen. Denn sonst haben Eigentümer bestehender Häuser nicht alle Informationen, um die für sie günstigste Heizungsvariante zu wählen - also ob sie die Möglichkeit haben, sich an ein Fern- oder Nahwärmenetz anschließen zu lassen oder andernfalls etwa eine Wärmepumpe einbauen.
Eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung wird bis spätestens 2028 angestrebt. In Neubaugebieten sollen die Regelungen des Heizungsgesetzes ab Januar 2024 gelten. Es soll also nur eine Heizung mit einem Anteil von 65 Prozent Ökostrom eingebaut werden dürfen. In vielen Fällen dürften sich Bauherren hier für eine Wärmepumpe entscheiden.
Viele Punkte waren in den „Leitplanken“ noch offen - die nun geklärt wurden:
Modernisierungsumlage
Konkretisiert wurden die Pläne für eine weitere Modernisierungsumlage - darüber dürfen Vermieter bislang maximal 8 Prozent der Kosten für eine Modernisierungsmaßnahme auf ihre Mieter umlegen, wenn sie zum Beispiel eine Wohnung sanieren. Die Leitplanken sahen vor, dass bei Investitionen in eine klimafreundliche Heizung eine weitere Modernisierungsumlage eingeführt wird.
Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Koalitionskreisen erfuhr, einigten sich die Fraktionsspitzen nun darauf, dass die Umlage auf 10 Prozent erhöht werden kann - aber nur, wenn der Vermieter eine staatliche Förderung in Anspruch nimmt. Das soll Vermietern Anreize zum Heizungstausch geben. Davon profitieren auch Mieter, weil die Förderung in voller Höhe weitergegeben werden soll. Die Mieterhöhung soll dann geringer ausfallen als ohne Förderung. Zugleich soll die sogenannte Kappungsgrenze gesenkt werden: Die Jahresmiete soll sich durch eine neue Heizung nicht um mehr als 50 Cent je Quadratmeter Wohnfläche erhöhen dürfen. Bisher liegt diese Grenze bei maximal 3 Euro pro Quadratmeter innerhalb von 6 Jahren.
Staatliche Förderung
Bei der staatlichen Förderung sollen unter bestimmten Voraussetzungen 70 Prozent der Investition beim Kauf einer klimafreundlicheren Heizung übernommen werden, wie es aus Koalitionskreisen hieß. Geplant ist ein einheitlicher Fördersatz von 30 Prozent einkommensunabhängig für alle Haushalte. Für Haushalte mit einem zu versteuernden Einkommen unter 40.000 Euro soll es eine Förderung von zusätzlich 30 Prozent geben. Zudem ist ein „Geschwindigkeitsbonus“ von 20 Prozent geplant - und zwar bis zum Jahr 2028. Ab 2028 soll dieser Bonus um 3 Prozentpunkte alle zwei Jahre sinken. Insgesamt aber ist eine Förderung von maximal 70 Prozent geplant.
Gasheizungen
Funktionierende Gasheizungen sollen auch dann nicht ausgetauscht werden müssen, wenn die kommunale Wärmeplanung kein Wasserstoffnetz vorsieht. In diesem Fall soll man umrüsten müssen, um die 65-Prozent-Vorgaben zu erfüllen. So sollen Gasheizungen, die zwischen 2024 und Vorlage des Wärmeplans neueingebaut werden, ab 2029 mit mindestens 15 Prozent „grünen Gasen“ betrieben werden. Dieser Anteil soll auf 30 Prozent 2035 und 60 Prozent 2040 steigen. Gemeint sind etwa aus erneuerbaren Energien hergestelltes Biogas oder Wasserstoff.
Bereits in den Leitplanken verständigte sich die Koalition darauf: Liegt eine kommunale Wärmeplanung vor, die ein klimaneutrales Gasnetz vorsieht, können auch auf Wasserstoff umrüstbare Gasheizungen eingebaut werden.
Für den Einsatz von Wasserstoff müssen Netze umgebaut werden. Es soll verpflichtende Vereinbarungen zwischen Kommune und Gasnetzbetreiber mit Zwischenzielen geben. Eine wichtige Rolle soll die Bundesnetzagentur spielen. Welche Rolle „grüner“ Wasserstoff in Zukunft im Wärmebereich hat, ist auch aus Kostengründen offen. Dazu kommt, das große Mengen bei der Umstellung der Industrieproduktion benötigt werden. Die Grünen sind hier skeptisch. Der FDP war diese „Technologieoffenheit“ wichtig.
Beratung
Ab Januar 2024 soll der Verkauf von Gasheizungen nur nach einer Beratung stattfinden dürfen, die auf mögliche Auswirkungen der kommunalen Wärmeplanung und mögliche finanzielle Belastungen hinweist.
Wie es weitergeht
Der Gesetzentwurf soll bis Ende der Woche angepasst werden. Am Montag soll es im Energieausschuss des Bundestags eine erneute Expertenanhörung geben. Das Gesetz könnte dann bis zum 7. Juli vom Bundestag verabschiedet werden.
Ganz sicher scheint das nicht zu sein - FDP-Fraktionsvizechef Christoph Meyer erklärte, man müsse den neuen Gesetzestext abwarten. „Wir werden sehr genau prüfen, wie die Vereinbarung als Änderungsvorschläge durch Robert Habecks Ministerium umgesetzt wird. Davon ist abhängig, ob wir nächste Woche das Heizungsgesetz abschließend beraten können.“
Das Gesetz muss auch den Bundesrat passieren. Dieser muss aber formal nicht zustimmen - sein Einfluss ist damit vergleichsweise gering. Ob es das Gesetz noch vor der Sommerpause durch die Länderkammer schafft, ist offen.