Hamburg. Hamburger müssen für Aufenthalt im Pflegeheim rund 2300 Euro im Monat dazubezahlen. Eine private Absicherung kann sinnvoll sein.
Ab Mitte des Jahres wird die gesetzliche Pflegeversicherung für einige Beitragszahler teurer. Das Prinzip, mit dem ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt wird: Wer keine oder nur ein Kind hat, zahlt mehr, wer zwei oder mehr Kinder aufzieht, zahlt etwas weniger als bisher. So sollen jährlich 6,6 Milliarden Euro mehr in die Pflegekasse kommen.
Doch bei allen Reformen: Im Pflegefall reichen die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung bei Weitem nicht aus, die eigenen Kosten zu decken. Rund 2300 Euro zahlen Hamburger im Schnitt aus der eigenen Tasche pro Monat für ein Pflegeheim. Die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung sind da schon eingerechnet. Auch die jüngste Reform wird daran wenig ändern.
Allein mit der gesetzlichen Rente und den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung lassen sich ein Heimplatz oder eine professionelle Betreuung zu Hause zumeist nicht finanzieren. Zusätzlich vorsorgen kann man mit einer privaten Pflegezusatzversicherung. Wie sinnvoll ist das? Welche Kriterien sind beim Abschluss wichtig? Kann ich mir eine solche Police leisten? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Pflegeversicherung: Was bringt die jüngste Reform?
Für einen Teil der Beitragszahler wird die gesetzliche Pflegeversicherung teurer. Nach Abzug des Arbeitgeberanteils beträgt der Beitragssatz für einen Kinderlosen ab Juli 2,3 Prozent, ein Plus von 0,42 Prozentpunkten. Mit zwei Kindern liegt der neue Beitragssatz bei 1,45 Prozent (bisher 1,525 Prozent). Allerdings: Von mehreren Kindern profitieren die Beitragszahler nicht ewig. Die Absenkung gilt nur bis zum 25. Lebensjahr der Kinder.
Bei Betroffenen mit mehreren Kindern gilt nach der Erziehungszeit daher wieder der Beitragssatz wie bei einem Kind in Höhe von 1,7 Prozent (nach Arbeitgeberanteil). Mit den Mehreinnahmen soll das Pflegegeld für die häusliche Pflege ab 2024 um fünf Prozent steigen; und auch die Zuschüsse zu den reinen Pflegeleistungen im Heim werden erhöht. Bisher gibt es im Heim im ersten Jahr einen Zuschuss von fünf Prozent auf die Pflegekosten. Mit der Dauer des Aufenthalts steigt die Entlastung.
Hamburger zahlen im ersten Jahr 2296 Euro, im dritten Jahr des Heimaufenthalts würden die Kosten durch die steigenden Zuschüsse auf 1919 fallen. In der Praxis stellt sich dieser Effekt aber nicht ein, weil die anderen Kostenbestandteile, etwa für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen, in diesem Zeitraum steigen und den Entlastungseffekt weitgehend wieder aufzehren.
Ab wann ist man pflegebedürftig?
Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung kann jeder, der mehr als sechs Monate auf Unterstützung oder Pflege angewiesen ist, bei seiner Krankenkasse beantragen. Die Höhe der Leistungen richtet sich nach dem Pflegegrad und ob man von Angehörigen, einem ambulanten Pflegedienst oder im Heim gepflegt wird. Es gibt fünf Pflegegrade, die monatlichen Leistungen der staatlichen Pflegeversicherung reichen von 125 Euro bei Pflegegrad 1 bis 2095 Euro in Pflegegrad 5 bei ambulanter Betreuung zu Hause.
Pflegeversicherung: Wie groß ist die finanzielle Lücke?
Das hängt vom Grad der Pflegebedürftigkeit ab und ob die Unterbringung zu Hause oder im Heim erfolgt. „Auch bei der Pflege zu Hause können schnell 1000 Euro Eigenanteil zusammenkommen“, sagt Peer Asmussen vom Vergleichsportal Check 24. Im Heim liegt der Eigenanteil als bundesweiter Durchschnittswert bei 2411 Euro. Im ambulanten Bereich entfallen 78 Prozent der zu Pflegenden auf die Pflegegrade 2 und 3. Im stationären Bereich haben 60 Prozent den Pflegegrad 3 und 4.
Wie kann ich Vorsorge treffen?
Es gibt drei verschiedene Pflegezusatzversicherungen. Am stärksten verbreitet ist die Pflegetagegeld-Police. Im Pflegefall wird monatlich eine vereinbarte Summe ausgezahlt, die sich nach der Höhe der Pflegebedürftigkeit richtet. Das Geld kann frei ohne Nachweise verwendet werden. Bei der Pflegekostenversicherung bekommt der Versicherte gegen die Vorlage der Rechnung Geld – oft die verbleibenden Restkosten bis zu einer Höchstgrenze. Die Pflegerentenversicherung zahlt je nach Schwere der Pflegebedürftigkeit eine monatliche Rente aus. „Die Variante ist deutlich teurer, und wir raten davon ab“, sagt Claudia Frenz vom Bund der Versicherten.
Wann sollte eine Pflegetagegeldversicherung abgeschlossen werden?
„Je früher man anfängt, desto günstiger ist die Versicherung“, sagt Asmussen. „Da auch Gesundheitsfragen bei der Antragstellung beantwortet werden müssen, steigt mit dem Alter die Gefahr, dass man Leistungsausschlüsse oder Beitragszuschläge akzeptieren muss.“ Sind erst mal Leiden wie Rheuma oder Diabetes diagnostiziert, wird es schwierig, einen Anbieter zu finden, der zum Vertragsabschluss bereit ist.
Aber es gibt wichtigere Policen als die Pflegezusatzversicherung. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung und auch der Aufbau einer privaten Altersvorsorge sind nach Einschätzung der Stiftung Warentest wichtiger. Eine Pflegeversicherung sollte nur abschließen, wer sich auf Dauer die auch steigenden Beiträge leisten kann. Im Fall einer Kündigung sind alle Beiträge verloren.
Welchen Betrag sollte man versichern?
Das hängt von den persönlichen Verhältnissen ab. Die Stiftung Warentest rät mindestens 1500 Euro für die höchste Pflegebedürftigkeit abzusichern. Das wären 50 Euro am Tag. „Im stationären Bereich sollte der vereinbarte Höchstbetrag bereits ab Pflegegrad 2 gezahlt werden“, sagt Asmussen. Bei den ausgewählten Tarifen (siehe Grafik) erfüllen diese Forderung Allianz, Württembergische und Gothaer.
Was kostet eine Pflegetagegeldversicherung?
Die Beiträge sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Ein 40-Jähriger zahlt bei maximal 1500 Euro Leistung pro Monat rund 38 Euro bei der HUK-Coburg und 40 Euro bei der Arag. Für den 55-Jährigen kommen die günstigsten Angebote bei den mindestens mit „sehr gut“ bewerteten Tarife von der HUK-Coburg (66 Euro) und der Axa (77 Euro).
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Auf welche Kriterien kommt es bei einer Pflegetagegeldversicherung an?
„Wichtig ist, dass die private Zusatzversicherung die Definitionen der Pflegegrade der Pflegepflichtversicherung übernimmt“, sagt Frenz. Wenn Laien pflegen, sollten die Leistungen nicht niedriger sein als bei professioneller Pflege. „Wenn der Pflegefall eingetreten ist, sollte es eine Beitragsbefreiung geben, zwingend aber ab Pflegegrad 4“, rät Frenz. Der Vertrag sollte zudem keine Karenzzeit oder dreijährige Wartezeit vorsehen, denn ein Pflegefall kann auch plötzlich und unerwartet eintreten.
Die Ratingagentur Morgen & Morgen hat die Tarife anhand von 37 Leistungsfragen bewertet. „Die angesetzten Mindestkriterien stellen unter anderem sicher, dass die mit „ausgezeichnet“ oder „sehr gut“ bewerteten Tarife bei Vorliegen eines Pflegegrades ein Pflegetagegeld zahlen, die Beiträge bei Eintritt eines Pflegegrades freistellen, bei einer verspäteten Meldung rückwirkend zahlen und einen Versicherungsschutz auch bei Umzug ins Ausland gewährleisten“, sagt Thorsten Bohrmann, Senior Versicherungsanalyst bei Morgen & Morgen.
Pflegeversicherung: Was passiert, wenn für die Pflegekosten zu wenig Geld da ist?
Wenn Rente und die Ersparnisse aufgebraucht sind, springt das Sozialamt ein. Das gemeinsame Einkommen eines Ehepaares wird nur eingeschränkt für die Finanzierung der Heimkosten herangezogen. Dem Ehepartner; der daheim geblieben ist, muss so viel Geld übrig bleiben, dass er seine Kosten weiterhin bestreiten kann. Sollten beide Ehepartner bereits im Heim leben, müssen sie ihr ganzes Einkommen bis auf ein Taschengeld für die Heimkosten verwenden.
Seit dem 1. Januar 2020 sind Kinder ihren Eltern erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro zum Unterhalt verpflichtet. Erst wenn diese Grenze überschritten ist, kann das Sozialamt verlangen, dass sich die Kinder an den Pflegekosten beteiligen. Entscheidend für die Prüfung der Einkommensgrenze ist nur das Einkommen des Kindes, nicht das des Ehepartners.