Allendorf/Eder. Die Klimawende wirbelt die deutsche Heizungsindustrie durcheinander. Der Wärmepumpen-Marktführer wird in die USA verkauft. Für die Kunden muss das nicht schlecht sein, meinen Experten. Doch es gibt auch Kritik.
Der Kampf um die Klimawende in deutschen Heizungskellern wird zunehmend internationaler. Trotz gut laufender Geschäfte verkauft das hessische Familienunternehmen Viessmann seine Klimasparte einschließlich der lukrativen Wärmepumpen an den US-Konkurrenten Carrier Global. Dieser bezifferte den Kaufpreis für die Sparte mit rund 11.000 Beschäftigten auf 12 Milliarden Euro.
20 Prozent sollen als Aktienpaket an die verbleibende Viessmann-Gruppe gehen, die damit zu einem großen Anteilseigner der US-Firma wird. Das Geschäft soll bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein, wie beide Seiten in der Nacht zum Mittwoch mitteilten.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kündigte an, das Geschäft unter die Lupe zu nehmen. „Wir werden uns das Vorhaben im Rahmen der vorgesehenen Prüfschritte anschauen und sind im Gespräch mit dem Verkäufer und dem Investor, damit das Projekt unserer Wirtschaft und dem Standort Deutschland dient“, sagte der Grünen-Politiker. Die Vorteile der deutschen Energiepolitik und Gewinne, die damit erwirtschaftet würden, müssten weiter dem Standort Deutschland zugutekommen.
FDP besorgt
Die FDP zeigte sich besorgt über den Verkauf an den US-Konkurrenten. „Geistiges Eigentum und Produktion sind nicht auf Dauer in Deutschland gesichert“, hieß es am Mittwoch aus der Parteispitze. „Ganz offensichtlich haben Verunsicherung und die befürchtete Überbeschleunigung der Wärmewende diese Entscheidung forciert.“
Der Chef des US-Konzerns, David Gitlin, bemühte sich, Befürchtungen in Deutschland auszuräumen. „Es geht nicht um Job-Abbau. Wir kommen nicht, um Fabriken zu schließen - im Gegenteil“, sagte Gitlin bei einer Konferenzschalte mit Investoren und Finanzanalysten. „Wir kommen, um in Deutschland zu investieren, um in die Belegschaft zu investieren, in Wachstum zu investieren“, verkündete der Global-Carrier-Chef. Viessmann sei ein „phänomenales“ Unternehmen, das „gewaltige“ Gelegenheiten biete.
Harter internationaler Wettbewerb
Die für die Heizwende wichtigen Wärmepumpen werden nach Einschätzung von Experten künftig vor allem außerhalb Deutschlands gebaut. Schon vor dem Verkauf der Viessmann-Klimasparte sei zunehmend im europäischen Ausland investiert worden, berichtet das Münchener Beratungsunternehmen S&B Strategy. Beispiele seien Werke von Bosch und Viessmann in Polen sowie von Vaillant in der Slowakei. Dort lockten schnellere Genehmigungsverfahren, geringere Energiepreise und niedrigere Lohnkosten.
Mit dem nun beschlossenen Deal geht das Kerngeschäft des 1917 gegründeten Heizungbauers Viessmann im rund fünf Mal so großen Carrier-Konzern auf und erlangt so eine deutlich höhere Kapitalkraft. Schnelleres Wachstum werde möglich, hieß es in Unternehmenskreisen. Letztlich zähle im globalen Wettbewerb irgendwann nur noch Größe und Stückzahl. „Durch den Zusammenschluss entsteht aus einer Position der Stärke heraus ein schnell wachsender Innovationsführer in einem hart umkämpften Markt“, sagte Firmenchef Max Viessmann, der auch einen Sitz im Carrier-Verwaltungsrat erhalten soll.
Die asiatischen Hersteller produzierten heute schon wettbewerbsfähiger und könnten aufgrund der ähnlichen Technik zu Klimaanlagen weitere Synergien in der Wertschöpfung realisieren, schreiben die Analysten Florian Moll und Christoph Blepp von S&B Strategy. Selbst wenn den Asiaten noch der Marktzugang über die Handwerker fehle, sei ein Anstieg der Importe zu erwarten: „Die Wärmepumpe wird deutlich internationaler sein als die klassische Gas- oder Ölheizung.“
Insbesondere für kleinere Heizungshersteller werde das Marktumfeld bei diesem Wettrüsten langfristig schwieriger. Für die Kunden werde der zunehmende Wettbewerb niedrigere Preise bei den Geräten bringen, erwartet S&B. Wesentlicher Preistreiber bleibe aber die meist mit hohem Aufwand verbundene Installation, für die Fachkräfte fehlten.
Der Wärmepumpen-Hersteller Stiebel Eltron sieht den Verkauf der Klimasparte beim Konkurrenten Viessmann in die USA als Bestätigung der Geschäftschancen der Branche in der Wärmewende. „Das zeigt, dass der Markt international hochinteressant ist“, hieß es aus dem Unternehmen im niedersächsischen Holzminden.
Kritische Stimmen
Die Bau- und Energieexpertin Lamia Messari-Becker von der Uni Siegen warnte vor einer Abhängigkeit von großen Konzernen in China, Südkorea und den USA. Nur diese könnten die notwendigen Millionen-Stückzahlen von Wärmepumpen liefern, während die deutsche Branche vor allem mittelständisch geprägt sei. Die IG Metall begrüßte Habecks Ankündigung einer Prüfung. „Die IG Metall erwartet für diese strategisch wichtige Produktion Standortgarantien und Beschäftigungssicherung am Standort Allendorf.“
CDU-Wirtschaftspolitikerin Julia Klöckner hielt Habeck vor, mit dem Heizungsverbot finanzstarke Wärmepumpenhersteller aus dem Ausland angelockt zu haben. „Sie wollen ihre Wärmepumpen hier verkaufen und können auch aufgrund niedriger Produktionskosten mit Dumpingpreisen unsere Unternehmen schwächen. Viessmann macht die Flucht nach vorn und verkauft jetzt, da es später nicht mehr so viel Geld für die Sparte bekommt.“
Carrier-Chef sieht enorme Wachstumschancen
Carrier-Chef Gittin bezeichnete die Akquisition als „spielverändernde Gelegenheit“ und verwies auf den Marktzugang über 75.000 Installateure in 25 Ländern, die Viessmann-Produkte in die Haushalte bringen. Der europäische Wärmepumpen-Markt werde sich bis 2027 auf rund 15 Milliarden US-Dollar verdreifachen.
Beide Seiten hätten sich auf langfristige Garantien geeinigt, ergänzte Viessmann. So seien betriebsbedingte Kündigungen für drei Jahre ausgeschlossen, wichtige Standorte für Produktion und Entwicklung fünf Jahre gesichert und Allendorf an der Eder für zehn Jahre als Hauptsitz gesetzt. An die Mitarbeiter der Sparte sollen 106 Millionen Euro als Sonderprämie „für 106 Erfolgsjahre“ ausgeschüttet werden. Der Geschäftsbereich machte bei Viessmann im vergangenen Jahr 85 Prozent des Umsatzes aus, der für 2022 um 19 Prozent auf den Rekordwert von rund 4 Milliarden Euro angestiegen war.
Das Unternehmen Carrier aus dem US-Staat Florida gilt als Erfinder der modernen Klimaanlage und wurde 1902 gegründet. Der Konzern beschäftigt 52.000 Menschen und erlöste im vergangenen Jahr 20,4 Milliarden Dollar. 60 Prozent des Umsatzes entfielen auf Nord- und Südamerika. Das Unternehmen verfügt in Europa über drei Produktionsstätten in Frankreich und Spanien. 2004 hatten die Amerikaner die Kältetechnik der damaligen Linde AG übernommen, später aber die Fertigung in Deutschland eingestellt.
Firmeninhaber Max Viessmann betonte, das ein Großteil des Verkaufserlöses in die verbleibenden Geschäftsbereiche der Viessmann-Gruppe fließen soll. Dazu gehören Kältetechnik, Immobilien und Investment-Tätigkeiten.