Hamburg. Hamburger Start-up will Koreas Küche in Deutschland etablieren. Die Geschäftsidee wurde für den Gastro-Gründerpreis nominiert.

Guido Schmidt ist Korea in vielerlei Hinsicht verbunden. Seine Mutter kommt aus dem asiatischen Land. Er spricht die Sprache fließend. Für seinen früheren Arbeitgeber Airbus lebte der studierte Luftfahrtingenieur 3,5 Jahre lang bis 2015 in Busan. Seine Tochter wurde dort geboren. Seine Frau Anna-Maria hat Koreanisch studiert – und seit einem Jahr dreht sich auch beruflich bei dem 39-Jährigen alles um sein Heimatland, genauer gesagt: die koreanische Küche.

Es ist kurz vor halb zwölf am Vormittag, als Anna-Maria Bahr-Schmidt die Auslagen des Pop-up-Stores an der Mönckebergstraße füllt. Die 37-Jährige legt eingepackte Rollen hinter die Glasscheibe des Tresens. Der Inhalt dürfte vielen Deutschen unbekannt sein: Kimbap. „Kim heißt Algen, bap heißt Reis. Es ist also in Algen gewickelter Reis. Dann kommen meist noch mindestens fünf Zutaten hinein wie Gemüse, Pilze oder Rindfleisch“, sagt Schmidt über das Essen zum Mitnehmen: „Kimbap ist die mobile Version des koreanischen Frühstücks, Mittagessens oder auch der Snack zwischendurch.“ Salopp könnte man Kimbap als das belegte Brötchen aus Korea bezeichnen – auch wenn es hierzulande eher Assoziationen mit Sushi weckt.

Kimbap: Vier klassische Varianten hat das Ehepaar täglich im Angebot

Vier klassische Varianten hat das Ehepaar täglich im Angebot, zum Beispiel mit Bulgogi (mariniertes Rindfleisch), Spinat, Karotten, Gurke, Danmuji (eingelegter Rettich) und Rauke oder mit Omelette, Crunch, Karotten, Danmuji und Gurke. Zudem gibt es immer noch ein Special, der dieses Mal aus vegetarischem Hühnchen, Spinat, Karotten, Danmuji, Gurke und Hot Sauce besteht.

Ob süß, sauer, umami – meist seien alle Geschmacksrichtungen vertreten. Für hiesige Gemüter mögen das ungewohnte Kombinationen sein, aber Schmidt ist zuversichtlich, die Deutschen zu überzeugen – und das hängt mit seinem Aufenthalt für Airbus in Busan zusammen.

„Wir haben keinen einzigen Menschen getroffen, der das nicht mochte.“

Damals hatten sie öfter Besuch aus der Bundesrepublik, der an die häufig sehr scharfe koreanische Küche habe herangeführt werden müssen. „Kimbap steht für die kulinarische Vielfalt Koreas und bietet einen guten Einstieg. Wir haben keinen einzigen Menschen getroffen, der das nicht mochte“, sagt Schmidt vorn am Fenster des Ladens stehend, während seine Frau im hinteren Teil des Geschäfts Kimbaps rollt: „Die Idee mit Kimbap geisterte seitdem immer in unseren Hinterköpfen herum.“

Zunächst baute er aber in Korea für den Flugzeugbauer die Indus­trialisierung der Sharklets (nach oben gebogenen Flügelspitzen) mit auf. Als sein Vertrag für das Projekt auslief, kehrte die Familie nach Deutschland zurück. Aber schon drei Jahre später wechselte sie erneut ins Ausland. Airbus hatte das Mittelstreckenflugzeug C-Series (heute A220) von Bombardier übernommen. Für drei Jahre ging es in das Land des kanadischen Herstellers, damit er die Folgen des Zukaufs mitmanagen konnte.

Ein beruflicher Neustart, als ein Projekt auslief

Als auch dieser Projektvertrag auslief, steckte die Luftfahrt mitten in der Corona-Krise. Die Ticketnachfrage brach weltweit ein. Allein in Hamburg wollte der DAX-Konzern rund 2200 Stellen streichen. Schließlich einigte sich das Management mit Arbeitnehmervertretern auf den Abbau von rund 1000 Jobs in der Hansestadt – Schmidt war einer von denen, die eine Abfindung annahmen.

Auf einen neuen Job an der Elbe hatte er sich ohnehin noch nicht beworben, daher nutzte er den klaren Schnitt in seiner Tätigkeit zum Jobwechsel. „Ich probiere gern neue Sachen aus“, sagt Schmidt und betont, dass die Arbeit bei Airbus ihm Spaß bereitete. Aber: „Eine bessere Gelegenheit gibt es vielleicht nie wieder.“ Zumal das Ehepaar mit einem finanziellen Poster den neuen Lebensabschnitt beginnen konnte.

Erst die Kinder, dann der Business-Plan

Im Herbst 2021 packte die Familie die Koffer, zog um und gewöhnte zunächst Tochter (heute 7) und Sohn (5) in Schule und Kita ein. „Anfang 2022 war klar, dass wir Bballi machen wollen“, sagt Schmidt. Bballi (das zweite „b“ wird nicht gesprochen) ist Koreanisch, bedeutet „schnell“ und ist der Markenname, unter dem sie Kimbap verkaufen, das Start-up heißt GO Hallyu.

Schmidt schrieb einen Businessplan. Im März bewarb sich das Ehepaar für das Foodlab in der HafenCity – und wurde genommen. Es war eines von zehn Start-ups, die von der Wirtschaftsbehörde mit insgesamt 163.000 Euro gefördert wurden. Als Quereinsteiger seien sie so in die Gastronomie eingeführt worden und hätten wichtige Kontakte erhalten.

Los ging es mit einem Pop-up-Restaurant

Ab Ende Mai eröffneten sie für einen guten Monat ein Pop-up-Restaurant im Foodlab. „Aus dem Stehgreif war das eine erfolgreiche Geschichte. Die Resonanz war sehr gut. Viele Leute kamen wieder“, sagt Schmidt. Im Herbst machten sie zunächst Catering für Hochzeiten oder Büroveranstaltungen. Dann stieß er auf eine Kleinanzeige bei E-Bay, dass ein Laden­lokal zur Untermiete frei sei. Die Schmidts griffen letztlich bei dem jetzigen Pop-up-Store an der „Mö“ zu, der in der warmen Jahreszeit von einem Frozen-Joghurt-Anbieter genutzt wird.

Seit Dezember haben sie regelmäßig geöffnet. Es laufe sehr gut, heißt es. Insgesamt hätten sie mehr als 8000 Kimbaps gerollt – weitere Zahlen sagen sie nicht. „Das Geschäftsmodell funktioniert“, sagt Schmidt. Im Gegensatz zum Verkauf im Heimatland gibt es bei Bballi auch halbe Rollen. 5,50 Euro kostet eine Hälfte. Wer zwei Halbe nimmt („Double up“ heißt das in der Firmensprache), zahlt 9,50 Euro. Bestellungen sind auch über den Lieferdienst Wolt möglich.

Das Ehepaar muss mit seinem Restaurant umziehen

Morgens um 7 Uhr steht Schmidt in der Küche im Foodlab, um Reis und Gemüse zu kochen. Rund zwei Stunden später wird das Essen in Thermoboxen in den Pop-up-Store geliefert. Dort werden die Kimbaps gerollt und von einer Schnitt­maschine – der ersten größeren Investition – in gleich große Stücke geschnitten. Die Aufteilung mit einer Produktionsküche und der Belieferung des Geschäfts sowie der finalen Zubereitung des Produktes mit Rollen und Schneiden soll in Zukunft so bleiben. Allerdings sind die Locations noch offen. Ende Februar läuft der Mietvertrag für das „Mö“-Geschäft aus. Neue Läden würden gesucht.

Neben der City seien Winterhude, St. Georg, Eppendorf und Schanze interessante Quartiere. „Unsere Geschäftsidee ist schon, relativ zügig mehr als eine Verkaufsstelle zu haben“, sagt Schmidt. Das Konzept sei für eine Filialisierung geeignet. Dabei konnte er auf Erfahrung aus seiner früheren Tätigkeit bei Airbus zurückgreifen. Schließlich war er Experte für Industrialisierungsprozesse. Bballis Weg könnte also in Richtung Systemgastronomie gehen, aber nicht im Sinne von Fast Food und billig, sondern hochwertig, wie er betont: „Ich bin immer viel gereist, aber ein Kimbap-Konzept zum Mitnehmen habe ich in keinem Land gesehen. Die meisten koreanischen Läden sind Restaurants, in denen man sitzt.“

Die Gründer sind sehr stolzüber die Nominierung

Neben dem Geschäft mit Endverbrauchern gebe es auch Businesskunden. „Wir machen Kimchi selbst nach dem Familienrezept meiner Mutter. Außerdem ist unser Kimchi vegan“, so Schmidt. Der fermentierte Chinakohl ist das Nationalgericht Koreas und auch in Kimbaps enthalten. Mittlerweile werde es an drei Gastronomen verkauft, die es weiterverarbeiten. Zudem habe sie ein Großhändler gelistet.

Offenbar wird dem Konzept Potenzial eingeräumt. Als eines von sechs Start-ups wurde Bballi von einer Jury um Patrick Rüther (Tellerrand Consulting, Bullerei) und Claudia Johannsen (Hamburger Messegesellschaft) in das Finale des Deutschen Gastro Gründerpreises 2023 gewählt. Die Finalisten werden am 10. März vor dem Publikum der Fachmesse Internorga um den Hauptpreis pitchen, der neben 10.000 Euro Preisgeld eine 40-stündige Beratung durch den Leaders Club Deutschland umfasst. Man sei sehr stolz über die Nominierung, sagt Schmidt: „Dass wir so weit gekommen sind, bestätigt unseren Glauben darin, dass an dem Thema Kimbap in Verbindung mit unserem Geschäftsmodell etwas dran ist.“