Hamburg. Grüne’s Leihhäuser in Barmbek berichtet wieder von mehr Kunden – wer diese sind und wie die Konditionen sind.
Fahrräder, Bluetooth-Boxen, Wollmäntel und Lederjacken – in den Lagerräumen von Grüne’s Leihhäuser in Barmbek befinden sich ganz unterschiedliche Dinge. Heike Scherdel geht in die Ecke eines Raumes und steht vor einer Handvoll Instrumentenkoffern. Sie öffnet einen davon und nimmt eine Gitarre heraus.
„Während der Corona-Krise kamen besonders viele Personen aus der Veranstaltungsbranche zu uns wie Musiker und beliehen zum Beispiel ihre Instrumente“, sagt die Filialleiterin des Hauses an der Dehnhaide. Auch DJs brachten ihr Equipment wie Mischpulte. Sie hatten wegen der Pandemiebeschränkungen schlichtweg keine Aufträge, entsprechend fehlten Gagen und sie mussten sich auf alternativen Wegen Geld besorgen – da kamen Gitarren und Co. ins Spiel.
Pfandleihe – das Geschäft zieht in Hamburg wieder an
Grundsätzlich sorgte Covid-19 aber eher für eine Flaute. „In der Corona-Zeit sind die Geschäfte zurückgegangen“, sagt Scherdel, die seit 17 Jahren bei Deutschlands nach eigenen Angaben größtem privaten Pfandkreditinstitut ist. Grüne’s Leihhäuser gibt es 21-mal hierzulande, davon stehen allein sieben Filialen in Hamburg. Scherdel zählt eine Reihe von Gründen für das Ausbleiben der Kunden auf. Monatelang waren der Einzelhandel und die Gastronomie wegen der Lockdowns geschlossen.
Treffen mit Freunden fielen aus, sodass neue Kleidung nicht bewundert werden konnte – also wurde auf den Kauf von Mode verzichtet. Reisen war gar nicht oder nur mit Einschränkungen möglich. Daher wurde das Geld zusammengehalten, zudem gab es teilweise auch noch Hilfen vom Staat. „Weil die Kunden sparen konnten“, sagt Scherdel, „haben sie auch viele ihrer Pfänder wieder ausgelöst und abgeholt.“
90 Prozent sind Stammkunden
Doch seit einigen Monaten ändert sich die Entwicklung wieder. Geschäfte und Restaurants haben geöffnet, Treffen sind uneingeschränkt möglich. „Seit vergangenem Sommer erholt sich unser Geschäft wieder“, sagt Scherdel. Auf Vor-Corona-Niveau sei es aber noch nicht. Konkrete Geschäftszahlen gibt sie keine bekannt. Aber: 20 bis 30 Kunden kommen an einem durchschnittlichen Tag in das im ersten Stockwerk gelegene und gut geschützte Geschäft.
Die Menschen, die mit Beginn der Pandemie für rund ein Jahr weggeblieben seien, kämen nun zurück. Weil sie schlichtweg wieder mehr konsumieren. 90 Prozent seien Stammkunden. Viele kämen mit ihrem Budget nicht zurecht, stünden jeden Monat mit immer demselben Gegenstand vor der Tür. „Die nutzen das Pfandhaus wie ein Girokonto“, so Scherdel.
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Einige Leihhäuser haben sich auf Gold, Diamanten, Schmuck und Uhren spezialisiert und nehmen fast nur diese Gegenstände als Pfand an. Bei Grüne’s Leihhäuser fasst man den Bereich weiter. Neben Schmuck und Uhren werden in Barmbek hauptsächlich Handys, Tablets, Werkzeuge und Spielekonsolen wie Playstation oder Xbox auf Zeit gegen Bares getauscht.
„Alles, was man in einem Haushalt an werthaltigen Gegenständen hat, transportierbar und für einen Moment entbehrlich ist“, sagt Scherdel. Für manche Dinge wie Fahrräder muss man allerdings auch einen Eigentumsnachweis in Form der Rechnung mitbringen. Oder ein Echtheitszertifikat für Luxusprodukte wie eine Rolex-Uhr.
Der Warenwert wird von der Filialleiterin oder den Mitarbeitern ermittelt
Der Wert der Waren wird von der Filialleiterin oder ihren Mitarbeitern ermittelt. Bei Gold geht es nach Gramm, es werden Prüfverfahren mit Säure oder der Dichtewaage angewendet. „Anhand des Gewichtes und des Volumens kann das Gerät erkennen, ob es sich um echtes Gold handelt“, sagt Scherdel. Bei technischen Geräten wird im Internet auch mal bei Ebay nach Preisen recherchiert. Etwa ein Drittel des Werts der Ware könne ausgezahlt werden. 80 Euro sei ein typischer Betrag, der von den Kunden benötigt würde.
- Der Pfandkredit
- Grundsätzlich können Gold- und Silberschmuck, Goldmünzen und -barren, Markenuhren, Luxus- und Designer-Accessoires, hochwertige technische Geräte sowie teureres Porzellan oder Kunstgegenstände beliehen werden. Am besten vorher mit dem Pfandhaus telefonisch abklären.
- Der Pfandleiher begutachtet den Gegenstand und macht dann ein unverbindliches Darlehensangebot. Kommt es zum Abschluss des Pfandvertrages, so wird hierüber ein Pfandschein ausgestellt, der alle wesentlichen Angaben wie Laufzeit, Darlehen, monatliche Zinsen und monatliche Kosten des Geschäftsbetriebes (Gebühren) enthält.
- Mit Aushändigung des Pfandscheins wird das Darlehen in bar ausbezahlt und das Pfand in Verwahrung genommen, bis es ausgelöst oder versteigert wird
In der Regel belaufen sich die Summen zwischen 50 und 200 Euro. Die Laufzeit des Kredites beträgt drei Monate. Laut Gesetz haben die Kunden mindestens einen weiteren Monat, um ihr Eigentum wieder abzuholen. Grüne’s Leihhäuser geben die Pfänder frühestens nach insgesamt sechs Monaten in eine Versteigerung, die zwei- bis dreimal im Jahr in der Filiale am Steindamm erfolgt.
Für jeden angebrochenen Monat fallen ein Prozent Zinsen auf den Darlehensbetrag an. Hinzu kommt eine Gebühr für die Verwahrung und Versicherung des Pfandes, die sich nach dem Darlehensbetrag berechnet und gesetzlich vorgeschrieben ist. Bis 15 Euro sind es ein Euro, bis 30 Euro 1,50 Euro. Wer beispielsweise 200 Euro als Darlehen haben will, muss 4,50 Euro Gebühr bezahlen. Löst der Kunde das Pfand innerhalb eines Monats aus, zahlt er also insgesamt 6,50 Euro. Günstig ist das nicht, aber manchmal fehlen wohl die Alternativen.
Es würden viele Leute kommen, die keinen Überziehungskredit erhielten oder diesen schon ausgeschöpft hätten, heißt es. Auf der anderen Seite erhält man das Geld unkompliziert. Die Kunden brauchen nur einen Personalausweis. Eine Schufa-Auskunft ist nicht notwendig. Auch wird nicht gefragt, wofür man das Geld benötige. Stammkunden erzählten aber beispielsweise auch mal, dass der Hund gestorben und die Tierarztrechnung so teuer gewesen sei.
Deutlich mehr Neukunden in vielen Leihhäusern
In der Barmbeker Filiale schauen vor allem Privatleute wie Hausfrauen, Arbeiter und Rentner vorbei, mitunter auch mal ein Firmenbesitzer. „Manche kommen jede Woche, bringen einen Gegenstand und holen ihn am 1. des nächsten Monats wieder ab, wenn sie ihren Lohn bekommen haben“, sagt Scherdel. Maximal etwa ein Zehntel der Pfänder wird nicht wieder abgeholt, der Löwenanteil kehrt also in den Haushalt des Besitzers zurück. Wie vor Kurzem ein Geldscheinbogen mit Fünf-Euro-Noten – er zählt zu den Besonderheiten unter den Pfändern.
Der Zentralverband des Deutschen Pfandkreditgewerbes (ZdP) berichtete vor Kurzem von deutlich mehr Neukunden in vielen Leihhäusern. „Die Gründe dafür sind immer wieder die gleichen“, sagt die erste ZdP-Vorsitzende Susanne Rothfuss-Wamsler. „Immer wieder werden die gestiegenen Wohnnebenkosten, also die massiv in die Höhe geschnellten Energie- und Strompreise, als Gründe für finanzielle Engpässe genannt.“
In Hamburg ist die Zahl der Kunden noch konstant
In den Hamburger Häusern ist das offenbar noch nicht der Fall. Bei einem auf Gold- und Schmuckannahme spezialisierten Unternehmen hieß es, dass die Zahl der Kunden konstant sei. Viele hätten sich allerdings schon in der Vergangenheit von Gold getrennt, als der Preis dafür nach oben schoss. Auch in der Barmbeker Filiale von Grüne’s Leihhäuser kann man den Bundestrend nicht bestätigen. Noch nicht.
„Die Leute sagen schon, es wird alles teurer“, sagt Scherdel angesichts der in den vergangenen Monaten stark gestiegenen Inflationsraten. „Noch sagt aber keiner, ich muss einen Gegenstand abgeben, um meine Stromrechnung zu zahlen – damit rechne ich aber im Herbst, und dann wird auch neue Kundschaft kommen.“ Wie in der Corona-Krise die Musiker.