Hamburg. Einige Internetstars aus der Hansestadt können davon leben, bei anderen bleibt es beim Hobby. Die Tipps der Influencer.

Mit kleinem Babybäuchlein, in einem schwarzen Top und wie immer gut gelaunt sitzt Hannah Kaiser im Konferenzraum ihrer Firma. Die zierliche Frau mit den blonden Locken ist eine der bekanntesten YouTuberinnen Deutschlands. Wobei sie diesen Begriff gar nicht so sehr mag. Denn sie ist eigentlich viel mehr. Auf YouTube, der Videoplattform im Internet, kocht sie, berät Leute zu Finanzthemen, berichtet als Reporterin über Neuigkeiten, lebt virtuell in einer WG und kauft bei eBay Kleinanzeigen gebrauchte Sofas. Hunderttausende Abos auf YouTube erreicht die studierte Medienwissenschaftlerin inzwischen, und längst ist sie über die Anfänge ihrer Comedy-Videos „Klein aber Hannah“ hinausgewachsen. Im Fernsehen ist die 31-Jährige ebenfalls zu sehen. Als Moderatorin bei HundKatzeMaus auf Vox.

YouTube: So verdienen Hamburger Influencer Geld im Internet

Im gerade neu gestylten Büro rings um den gläsernen Meetingraum sitzen 80 junge Leute, viele in Kapuzenshirts, an Schreibtischen mit Blick auf die Kunsthalle, einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt. Die Hälfte von ihnen ist erst seit vergangenem Jahr dabei, das Unternehmen erlebt gute Zeiten, denn auch YouTube wächst rasant und hat im vergangenen Jahr gut 28 Milliarden Dollar (28,74 Milliarden Euro) Werbeumsatz erzielt.

Hannah Kaiser ist Mitgründerin der Firma, der Klein aber GmbH, die, wie ihr Name verrät, mehr ist, als es scheint – und die sich diese 1a-Lage und das große Team leisten kann. Seit Gründung ist das Unternehmen profitabel, eine lange Zeit, denn seit 2013 ist YouTube Hannah Kaisers Job – und ihre Reichweiten steigen immer mehr. Im Interview mit dem Abendblatt geht es um die Frage, ob YouTuber mit ihrer Tätigkeit, die sie oft aus einer Leidenschaft entwickelt haben, genug Geld zum Leben verdienen können. Die Antwort ist so kurz wie unspektakulär. Jein.

Auf YouTube Geld verdienen: So funktioniert es

Diese Frage, ob es hier ums Hobby geht oder einen potenziellen Job, stellen sich derzeit Hunderttausende Jugendliche in Deutschland. YouTuber ist der Traumberuf der digital Natives, also der Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist. Ihr Ideal ist häufig die Prominenz eines Influencers, eines Internetstars, der die Nutzer unterhält, sie aufklärt oder informiert. Wie die Frauen, die im Netz Beauty-Tipps geben, oder die Gamer, die Minecraft spielen und dabei schon einmal verkleidet im Video auftauchen. Knossi, Rezo oder Dagi Bee heißen die neuen Promis, die von Zehn- bis 35-Jährigen um ein Autogramm gebeten werden, und die bei ihnen so bekannt sind wie in den 80ern TV-Stars wie Michael Schanze oder Thomas Gottschalk.

„Ich bin auch noch mit „Wetten, dass“ aufgewachsen“, sagt Hannah Kaiser lachend, mit dem gemeinsamen Erlebnis einer TV-Show, die einmal in der Woche alle vor dem Bildschirm versammelt. Aber heute, schätzt die Unternehmerin, schaue niemand aus ihrem Umfeld noch „normales“ Fernsehen. Umso mehr Zuschauer erreicht Hannah heute mit ihren Kanälen auf YouTube. Anders als bei vielen anderen Internetstars geht es bei der Hamburgerin aber weniger um die übliche Monetarisierung. Viele Stars im Netz verdienen damit, dass ein Unternehmen Werbung im Umfeld ihres Videos schaltet, dafür Geld an YouTube zahlt, und die Plattform den Urheber des Films an diesen Einnahmen beteiligt.

Bei der Klein aber GmbH indes kommen die Erlöse vor allem über Kooperationen mit Firmen. Verdient wird hier mit selbst produzierten Markenkanälen etwa für eBay Kleinanzeigen oder die Sparkassen. Die Mitarbeiter der Marketing-Maschinerie, wie es sie in dieser Größe bundesweit nur selten gibt, schreiben Beiträge, drehen und schneiden Videos, stehen in Kontakt zu Firmen und Nutzern oder sind selber im Netz erfolgreich, wie der Hamburger YouTuber Tommy Toalingling, der sich an die LGBTQ+-Community wendet. Hannah Kaiser wiederum, die im Büro für jeden einen netten Spruch übrighat und neben dem Firmen-Dackel der Garant für gute Stimmung ist, gilt als Dreh- und Angelpunkt der Firma.

Hamburger Influencer: Hobby oder Job?

Mit ihren wöchentlich erscheinenden Videos für eBay ist sie heute „das Gesicht von eBay Kleinanzeigen“, sagt Simon Kaiser, Mitgründer der Klein aber GmbH und inzwischen auch Hannahs Ehemann. In dem YouTube-Kanal ist seine Frau zu sehen, wie sie gemeinsam mit WG-Bewohnern gebrauchte Dinge bei der Handelsplattform kauft. Der Benefit für eBay: Die Prominenz von Hannah Kaiser zieht Nutzer an, die launigen Geschichten aus der WG können die Zuschauer dazu animieren, selber öfter bei eBay vorbeizuschauen und sich bei dem Onlinehändler eine Kaffeemaschine oder ein Sofa auszusuchen. Der Kanal erreicht mehr als 500.000 Abonnenten, ist aber längst nicht die einzige Einnahmequelle der Hamburger.

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Für die Sparkassen informiert Hannah Kaiser auf YouTube über Finanzthemen. „In der Schule lernt man so was ja nicht“, sagt die gebürtige Wienerin über den Bedarf eines solchen Kanals, der unter dem Motto „Finanzen einfach erklärt“ wöchentlich Tipps zum Investieren oder Sparen aufgreift. Zugleich aber werden natürlich die den Kanal finanzierenden Sparkassen vorgestellt. Etwa das Engagement der Institute bei der Nachhaltigkeit. Dazu kommen Moderationsaufträge bei funk, dem Netzwerk der öffentlich-rechtlichen Sender in den digitalen Medien. Hier geht es um Reportagen oder Erklärvideos für die junge Zielgruppe. Allein das Video „Hannah trifft einen Terroristen“, in dem sie als Reporterin mit einem ehemaligen islamistischen Gefährder spricht, kam bei YouTube auf mehr als 660.000 Aufrufe.

So vielfältig die Themen sind, mit denen sich Hannah Kaiser heute befasst, und die alle auf die Bekanntheit der Influencerin einzahlen, so klein hat die knapp 1,60 Meter große Gründerin einst ihr Business begonnen. „Ich habe neben dem Studium auf YouTube angefangen, weil es wie ein Spielplatz ist, auf dem man experimentieren und sich total ausleben kann“, schwärmt Hannah Kaiser über die Plattform, auf der sich die Menschen täglich über eine Milliarde Stunden Videos ansehen. Gestartet ist die mehrfach ausgezeichnete Influencerin mit Kochvideos, dann folgte ein Kanal, wo sie über persönliche und gesellschaftliche Themen spricht. Anfangs sei Durchhaltevermögen gefragt, warnt die Unternehmerin. „Ich habe eineinhalb Jahre lang Videos hochgeladen, bis ich damit Geld verdienen konnte.“ Ab 100.000 Abos habe sie angefangen, von YouTube leben zu können.

Geld verdienen auf YouTube: Wann lohnt es sich?

Doch diese Messzahl allein bestimmt nicht die Aussicht auf das Geldverdienen. In Nischen, etwa wenn jemand sich an Angler wendet, kann die Grenze zum guten Gehalt schon niedriger liegen. Schließlich wird dann eine gut abgegrenzte Zielgruppe angesprochen. Und diese ist als Kundschaft für Firmen in der Branche attraktiv. Ein Köder etwa, den der YouTuber in die Kamera hält und der daraufhin verkauft wird, bringt ihm jedes Mal einige Prozente vom Verkaufserlös.

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Simon Kaiser rechnet vor, dass ein YouTuber mit ein bis zwei Millionen Zuschauern im Monat und durchschnittlich 40.000 bis 50.000 Aufrufen pro Video, der eine Kooperation im Monat umsetzt, gut 5000 Euro verdienen kann. Davon müsse er allerdings noch Technik, möglicherweise ein Studio und Software bezahlen. Grundsätzlich findet Kaiser, die Selbstständigkeit im Netz sei etwas Tolles, man brauche keine spezielle Ausbildung und anfangs wenig Equipment.

Zuletzt sind wegen dieser geringen Markteintrittsbarriere nicht nur die Inhalte auf YouTube zahlreicher geworden. Auch die Zahl der Nutzer ist deutlich gestiegen, nicht zuletzt wegen der Pandemie. Die tägliche Live-Sehzeit hat sich in Deutschland zwischen Anfang 2020 und Ende 2021 mehr als verdreifacht. Der Konsum findet zudem nicht mehr nur auf dem Smartphone oder Computer statt, sondern häufig auf dem großen Bildschirm im Wohnzimmer. Ende 2021 haben mehr als 30 Millionen Menschen in Deutschland YouTube über das TV-Gerät geschaut. Das bedeutet auch: Die Plattform bietet Kontakt zu einer riesigen Zahl von kaufkräftigen Verbrauchern. Nicht überraschend ist daher die Haupteinnahmequelle auf YouTube die Werbung. Unternehmen erhalten Zugang zu relevanten Zielgruppen und können ihre Marken ausbauen – die Ansprechpartner dafür sitzen in Hamburg in den bunten Büros von Google an der Abc-Straße, denn YouTube ist seit 2006 eine Tochterfirma des US-Konzerns.

Professor stellt auf YouTube Klavierstücke vor

Eine große Zielgruppe erreicht auch Andreas Stier, alias Teacher Andy. Der Professor an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater stellt auf YouTube Klavierstücke vor, und 140.000 Abonnenten seines Kanals sind begeistert. Das Kuriose: Die meisten seiner Fans stammen aus Asien. Sie sind fasziniert, wenn der Musikprofessor von seinen Landsleuten wie Schubert oder Beethoven erzählt. Wie kann man europäische klassische Musik hören und spielen? Wie kann man sie entschlüsseln, besonders wenn man nicht in diesem Kulturraum aufgewachsen ist? Das sind die Kernfragen, die der Hamburger mit ruhiger Stimme beantwortet. Sein Rat an angehende YouTuber. „Du brauchst nicht perfektionistisch vorzugehen, sondern einfach authentisch und natürlich“, empfiehlt der Klassik-Star. „Und versuche nicht, jemand anderes zu sein als du bist. Nur wenn du selber Spaß an dem hast, was du vermittelst, kannst du andere damit anstecken, sodass sie deine Videos mit Enthusiasmus anschauen.“

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Zwar erreicht der in Sasel lebende YouTuber viele Nutzer, aber sehr einträglich ist die Sache nicht. „Ich verdiene damit nur 300 bis 400 Euro im Monat “, sagt der 69-Jährige. Die geringen Einnahmen sind auch einem Schlüssel (CPM) geschuldet, in dem die Einnahmen pro tausend Klicks nach Ländern unterschiedlich berechnet werden. „Danach steht Australien ganz oben mit 9,45 Euro, Deutschland mit 9,01 Euro und Taiwan mit über der Hälfte unserer Zuschauer bei 2,53 Euro. Und in China ist YouTube nicht zugelassen“, erklärt Stier, dessen Gattin aus Taiwan stammt, daher das Faible für den Fernen Osten und seine Sprachkenntnisse: Denn immerhin erklärt der Hamburger seine Tipps etwa für ein ausdrucksstarkes Tremolo auf Mandarin. Untertitel helfen denjenigen Nutzern, die nur Deutsch oder Englisch verstehen.

Musikprofessor aus Sasel sucht Sponsor für seine Videos

Teacher Andy wünscht sich einen „kulturbeflissenen Sponsor“, um die Kosten für seinen Kanal decken zu können. Schließlich bezahlt er auch ein Team, das die Filme schneidet und sie mit den Übersetzungen versieht. „Es ist meine Leidenschaft“, sagt Andreas Stier. Doch jeder Film koste etwa 30 Stunden Arbeit. Viel Zeit braucht es auch für Recherche oder um andere Künstler zu kontaktieren, die zuweilen als Gäste mit ihm zusammen auftreten und aus dem Wohnzimmer im Norden Hamburgs ihre Musik in alle Welt bringen. „Leider stehen Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis zueinander“, sagt Stier. Es sei nun fraglich, ob er dieses Projekt auf Dauer erhalten könne.

Auch wenn die Macher der Klein aber GmbH anders als Stier viel Geld im Internet verdienen – auch sie sehen die Schattenseiten ihres Tuns. Hannah Kaiser muss sich regelmäßig mit Hasskommentaren abgeben, sie gehören für jeden YouTuber zum Alltag. Dazu komme der Druck, viele Likes, also positive Bewertungen zu bekommen, und viele Zuschauer zu erreichen, sagt die Influencerin. Stets online sein zu müssen, immer verfügbar zu sein – selbst ein Urlaub werde dabei zum Luxus. Für Hannah Kaiser wird sich dieser Lifestyle aber ohnehin bald ändern: Wenn ihr Baby einmal auf der Welt ist, dürfte es neben der YouTube-Community vor allem einen Menschen geben, der ihr ganz viele Likes gibt, und zwar im wahren Leben.