Hamburg. Gas und Strom werden immer teurer. Und was macht die Politik? Sie wirkt überfordert und verliert den Kontakt zur Bevölkerung.

Ob im engsten Familienkreis, auf der Arbeit oder beim Hobby mit Freunden – sie sind das Gesprächsthema: die Energiepreise. Und statt schlauer Antworten, selbst von denen, die in der Regel immer alles wissen, gibt es vor allem Fragen. Wie hoch ist Euer Gaspreis? Heizt Ihr noch mit Öl? Was soll das eigentlich mit dieser Gasumlage? Habt Ihr Euch auch schon einen Heizlüfter für die kalte Jahreszeit gekauft?

Wo wollt Ihr wegen der hohen Energiekosten sparen? Was kostet eigentlich so eine Wärmepumpe? Fragen über Fragen von einer verunsicherten Bevölkerung, die in großen Teilen zumindest mit Sorgen, vereinzelt sogar mit wachsenden Magengeschwüren auf den nahenden Winter und die drohenden Kosten schaut. Denn nahezu täglich werden neue Meldungen über die Medien verbreitet, die für Verwirrung, Kopfschütteln oder Ratlosigkeit sorgen.

Energiepreise steigen in Deutschland immer weiter

Nicht nur, dass der Gaspreis an der Börse immer weiter steigt und nahezu alle heimischen Versorger sich gezwungen sehen, die höheren Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Diese Tatsache ist für viele Bundesbürger bereits Grund genug, um nachts unruhiger zu schlafen. Darüber hinaus haben immer mehr Menschen in diesem Land aber den Eindruck, dass die amtierende Bundesregierung mit dem Management der schwersten Energiekrise seit Jahrzehnten überfordert ist. Es ist eben nicht so, dass Vertreter der Koalition wie im Jahr 2008 während der globalen Finanzkrise beruhigend vor die Öffentlichkeit treten.

„Ihre Spareinlagen sind sicher“. Mit einem einzigen Satz konnten damals Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das Vertrauen der Bevölkerung für sich gewinnen. Heute blicken die Bürgerinnen und Bürger dagegen nahezu täglich in das Gesicht eines besorgt, manchmal schon resigniert schauenden Bundeswirtschaftsministers, der vor „harten Zeiten“ warnt und mit Aussagen wie „Wir werden ärmer werden“ nicht gerade zur Beruhigung der ohnehin angespannten Lage beiträgt. Während man in der Finanzkrise das Gefühl hatte, die Bundesregierung hat die Situation im Griff, muss man nun befürchten: die Energiekrise hat die Bundesregierung im Griff.

Gasumlage nur in Deutschland eingeführt

Dass Politiker sich in schwierigen Zeiten – auch öffentlich – Sorgen machen, ist nicht verwerflich, kann sogar die Bindung zur Bevölkerung festigen. Zeigt dieses Verhalten doch Empathie in der Krise. Wenn die Maßnahmen, um der Krise zu begegnen, aber kaum noch jemand versteht und die persönliche Situation des Einzelnen noch verschlimmern, dann werden sorgenvolle Gesichter eher zum Ausdruck von Rat- und Hilflosigkeit.

Denn wer versteht sie wirklich, die Gasumlage in Höhe von 2,419 Cent pro Kilowattstunde? Kein anderes Land hat sie eingeführt, aber in Deutschland ist diese und weitere obskure Umlagen angeblich notwendig, damit Gasimporteure nicht in die Insolvenz schlittern. Bezahlen muss sie der Kunde, der ohnehin schon über galoppierende Gaspreise stöhnt, die sich in vielen Fällen verdrei- oder vervierfacht haben.

Absenken der Mehrwertsteuer wirkt zynisch

Dass dann das Absenken der Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf sieben Prozent von der Bundesregierung wie das größte nachträgliche Wahlgeschenk aller Zeiten gefeiert wird, muss Familien, die für ihr älteres Einfamilienhaus dennoch pro Jahr 5000 bis 6000 Euro nur zum Heizen bezahlen müssen, fast schon zynisch vorkommen. Warum werden wankende Gasimporteure, wenn sie wirklich so systemrelevant sind, nicht wie einzelne Geldhäuser in der Finanzkrise 2007/2008 direkt vom Staat gestützt, warum geschieht dies nun über den Umweg der Gaskunden?

Warum werden nicht die Anteilseigner der Importeure in die Pflicht genommen? Soll über die weitere Verteuerung des fossilen Energieträgers Gas die grüne Energiewende womöglich politisch noch beschleunigt werden? Dann muss die Frage erlaubt sein, ob die aktuelle Kostenexplosion und das vorgegebene Tempo die Bürgerinnen und Bürger nicht überfordert.

Vor allem die Mittelschicht leidet

Vor allem die Mittelschicht hat den größten Teil der Kosten dieser Energiekrise zu tragen. Denn wer ohnehin auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, für den begleicht der Staat künftig auch die höheren Energierechnungen. Auf der anderen Seite der Einkommensskala können sich die Bestverdiener und Großerben relativ problemlos den Umbau ihrer Häuser mit Wärmepumpen, Dämmung und neuen Fenstern leisten. Doch die breite Mittelschicht hat keine finanziellen Rücklagen, um die eigenen vier Wände so umzugestalten, dass sie den höchsten Energiestandards entsprechen.

Sie sind noch mit dem Abbezahlen der Immobilie beschäftigt, haben keine 150.000 Euro auf dem Sparbuch. Denn so ein Betrag wird schnell fällig, will man das eigene Heim sanieren. Und die höheren Gasrechnungen der betroffenen Pfleger, Sachbearbeiter oder Ingenieure begleicht auch nicht der Staat. Sie müssen nun sparen, zunächst beim Heizen. Aber weil das nicht reichen wird, eben auch an anderen Dingen des Lebens. Die Urlaubsreisen werden eingeschränkt, die Zahl der Restaurantbesuche sinkt, die Konzertkarten werden nur noch zu besonderen Anlässen gekauft – und auch bei den Lebensmitteln greifen die Betroffenen nun zu günstigen No-Name-Produkten, lassen Markenprodukte im Regal.

Deutschland befindet sich in einer Energiekrise

Die hohen Energiepreise führen zwangsläufig dazu, dass die Deutschen ihren Konsum für viele Produkte und Dienstleitungen stark einschränken. Besonders fatal: Die steigenden Gas- und Strompreise erhöhen zugleich die Kosten der Unternehmen, die sich wiederum gezwungen sehen, ihre Preise zu erhöhen. So trifft ein teureres Angebot auf eine sinkende Nachfrage – die Formel für eine schwere Rezession, die unmittelbar bevorsteht.

Zudem sollte niemand vergessen, dass Deutschland sich keinesfalls in einer Gas-, sondern in einer Energiekrise befindet. Nicht nur die einst so preiswerten fossilen Rohstoffe – bezogen aus Russland – werden immer teurer. Auch der vermeintliche Ersatz namens Strom muss irgendwo herkommen und bezahlt werden. Denn nicht nur die Wärmepumpen als Ersatz für Gas- und Ölheizungen sollen mit Strom betrieben werden. Auch die gesamte deutsche Pkw-Flotte möchte die Politik in wenigen Jahren auf elektrischen Antrieb umstellen. Und für die Produktion von Wasserstoff, der als Ersatz für die fossile Energie der Industrie vorgesehen ist, werden ebenfalls unbeschreiblich große Mengen Strom benötigt.

Andere Länder setzen weiter auf Atomenergie

Doch damit nicht genug, die Pläne sind wesentlich ambitionierter: Denn dieser Strom soll grün sein, also aus nachhaltigen Quellen wie Wind und Sonne stammen. Eines der größten Industrieländer der Welt will seine Energieversorgung in kürzester Zeit vollständig aus regenerativen Quellen speisen, während ökonomische Konkurrenten wie China, die USA und Frankreich weiter auf preiswerte Atomenergie oder Kohlekraft setzen – ein äußerst ambitioniertes deutsches Unterfangen, das in der jetzigen Form großes Potenzial zum Scheitern hat.

An der Strombörse kennen die Preise seit Jahren nur den Weg nach oben. Und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Sie wird durch die immer weiter steigende Nachfrage noch forciert. Ob die Käufer von Wärmepumpen, die mit Strom betrieben werden, in zehn Jahren immer noch von eher günstigen Heizkosten schwärmen werden – abwarten!

Energiepreise: Es darf keine Denkverbote geben

Die Politik tut gut daran, die Bevölkerung bei einer so großen Veränderung wie der angedachten Energiewende mitzunehmen. Denn solch ein ökonomischer Umbruch kann nur mit, nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger gelingen. Und damit die Pläne in die Tat umgesetzt werden können, muss die Politik nicht nur realistische Zeitvorgaben machen, sondern auch seriöse Förder- und Finanzierungsmodelle für den grünen Umbau konzipieren, die verhindern, dass eine komplette Volkswirtschaft zum Stillstand kommt. Des Weiteren darf es keine Denkverbote geben – auch nicht über die weitere Nutzung der Atomkraft.

Auf die vielen Fragen der verunsicherten Bürgerinnen und Bürger muss es schlüssige, überzeugende Antworten geben – und zwar von Politikern, die Zuversicht ausstrahlen und nicht zur weiteren Verunsicherung beitragen.