Hamburg. Umgebaute Caravans liegen im Trend. Wer schnell einen Bulli zum Verreisen braucht, wird in Eimsbüttel fündig – schon ab 25.000 Euro.
Peter Holz streicht über die Verkleidung, die seine Mitarbeiter gerade im Innenraum des VW Bullis anbringen. Der Bus ist komplett leer, ausgeweidet bis auf die stählerne Haut der Karosserie. In seinem früheren Leben diente er als Fahrzeug für die Paketboten der Post. Schon in wenigen Tagen wird das Modell, ausgestattet mit Matratze, Aufstelldach, Kühlschrank und Küche, als Caravan auf Reisen gehen. Holz ist Mitinhaber von Pötter Cars, einer Werkstatt aus Eimsbüttel, die unter der Marke HP Camper umgebaute Wohnmobile verkauft.
Schon bei 25.000 Euro beginnen die Preise für einen nach individuellen Wünschen ausgestatteten Wagen. Dafür bekommen die Kunden wenig überraschend kein neues Fahrgestell – Holz kauft Gebrauchtwagen bei der Postflotte oder bei Handwerksbetrieben ein, die ihre Transporter ausrangieren. Die von ihm ausgewählten VW-Fahrzeuge der Modellreihe T5 oder T6 können dann gut 100.000 Kilometer auf dem Tacho haben und zehn, zwölf Jahre alt sein.
Campingmobile durch Fachleute geprüft
Die Autos sind aber scheckheftgepflegt und durch die Fachleute bei Pötter Cars geprüft. „Schließlich geben wir ja auch ein Jahr Garantie“, sagt Holz, schon allein wegen dieser Haftung könne es sich der Betrieb nicht leisten, ramponiertes Material einzukaufen. Bereits zwei Wochen nach der Bestellung könnten die Kunden dann losfahren. Nach St. Peter-Ording, wie es Holz bei gutem Wind selber regelmäßig macht, zum Kitesurfen oder nach Berchtesgaden zum Klettern, wie kürzlich eine Kundin.
Die schnelle Lieferfähigkeit der Umbauten bei HP Camper ist in diesen Zeiten ein ganz großes Pfund. Schließlich leiden die Hersteller von Caravans unter diversen Engpässen. Insbesondere fehlende Fahrzeugchassis seien eine Herausforderung, heißt es vom Branchenverband CIVD, der die deutschen Wohnmobilanbieter vertritt. Weil die Hersteller die Lieferprobleme in der Fahrzeugindustrie zu spüren bekommen, sind ihre Geschäfte im ersten Halbjahr zurückgegangen: Die Zahl der neu zugelassenen Reisemobile sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15,9 Prozent auf 40.985.
"Begeisterung für Reisemobile ungebrochen"
Bei Wohnwagen stieg die Zahl dagegen um 0,8 Prozent auf 14.217. Insgesamt gab es damit bei den Freizeitfahrzeugen ein Minus von gut 12 Prozent. Ein Klagen über den Einbruch wäre Jammern auf hohem Niveau. Denn es ist das zweitbeste Ergebnis der Branchengeschichte für diesen Zeitraum, voll belegte Campingplätze zwischen Algarve und Ahus belegen den Boom. „Die Zahlen wären höher ausgefallen, doch stockende Lieferketten bereiten der Caravaning-Industrie seit über einem Jahr große Probleme“, heißt es vom Verband.
Eine Prognose für das zweite Halbjahr wagt der Verband wegen der Engpässe und der globalen Krisen nicht: „Wir hoffen auf eine Entspannung der Liefersituation bis zum Sommer nächsten Jahres und blicken trotz aller Probleme zuversichtlich in die Zukunft, denn die Begeisterung der Deutschen für Reisemobile und Caravans ist ungebrochen.“
„Vor allem Frauen interessieren sich für unsere Camper“
Dass der Trend zum Reisen mit dem fahrbaren Zuhause anhält, spürt Pötter Cars deutlich, hier brummt das Geschäft. Zehn Mitarbeiter, Elektriker, Hifi-Spezialisten oder Sattler werkeln hier an den Fahrzeugen; vor einem Jahr waren es erst fünf Beschäftigte. Im Untergeschoss der Werkstatt stehen gut 15 Wagen Stoßstange an Stoßstange, kaum einer gleicht in der Ausstattung dem anderen, denn Materialien wie Pappelsperrholz, die Farbe des Lackes oder des Dachhimmels sind frei wählbar. Arbeitete das Team bei Pötter Cars vor der Pandemie noch gut 50 Aufträge ab, werden die Mitarbeiter in diesem Jahr wohl auf 120 Bestellungen kommen.
„Vor allem Frauen, oft Singles, interessieren sich für unsere Camper“, sagt Holz, der selber verheiratet ist und zwei erwachsene Kinder hat. Viele der Kundinnen im Alter von 40 plus indes hätten eine Scheidung hinter sich und wollten nun auf eigene Faust verreisen. Andere Käufer sind Familien, die in Großstädten wie Hamburg oder Berlin in kleineren Wohnungen lebten und am Wochenende einfach mal rauswollten. Sie verkauften ihre kleineren Pkw, nutzten den VW Bus als einziges Auto und leisteten sich nebenbei vielleicht noch ein E-Bike für Fahrten in der Stadt.
Auch andere Firmen bieten den Umbau an
Neben Pötter Cars bieten auch andere Firmen den individuellen Umbau an. Die Salty-Blue Camper GmbH aus Bargteheide hat ihre Busse gerade auf der Travemünder Woche präsentiert. Ausbauten für angelieferte Fahrzeuge hat die Manufaktur bereits ab 6890 Euro im Programm. „Bei uns bekommen Camping-Begeisterte jedoch auch fertig ausgebaute Fahrzeuge, Gebrauchte ab rund 40.000 Euro, Neufahrzeuge schon ab 69.900 Euro – und das in der Regel sofort lieferbar“, sagt Björn Sperl, stellvertretender Geschäftsführer des Meisterbetriebs.
Das Spezialgebiet der Firma seien echte „Schweizer Taschenmesser auf vier Rädern“, Camper, die sowohl im Familienalltag oder für einen Wochenendtrip, aber auch mal für den zweiwöchigen Urlaub an der Côte d’Azur ein perfekter Begleiter sind – mit bis zu sechs Sitzplätzen.
Zielgruppe hat sich verändert
Schließlich ist eine neue Generation von Campern herangewachsen – mit anderen Ansprüchen und dem dafür nötigen Kleingeld in der Tasche. „Den Freak, der kein Geld für ein Hotel hat, gibt es heute so nicht mehr“, bestätigt auch Holz. Die Zielgruppe und auch das Image habe sich komplett gewandelt. Der 64-Jährige spricht aus eigener Erfahrung, er fährt nicht nur mit dem Bulli an den Strand, sondern auch mit einem Wohnmobil in die Ferien und kennt das Klientel. Der längste Camping-Trip des Diplom-Kaufmanns, der nach einer Karriere als Möbelhersteller vor zehn Jahren bei Pötter Cars eingestiegen ist, führte ihn an der Atlantikküste bis hinunter ins andalusische Tarifa und über knapp 3000 Kilometer entlang der Mittelmeerküste zurück.
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Andererseits werden auch diejenigen von den neuen Anbietern der Branche bedient, die sich einen Bulli Marke Eigenbau wünschen. Manuel Lemke vom Unternehmen „Busbastler“ bietet Workshops für handwerklich begabte Menschen an und gibt Bücher heraus, die Fragen zu
Karosserie, Kühlschränken oder Rostbekämpfung beantworten.
Campingmobile: Kunden haben oft Extrawünsche
Der Tüftler erlebt dabei eine große Bandbreite von Bedürfnissen der Kunden, wie Lemke erzählt: „Das reicht vom einfachen Bus mit Dachzelt bis zum vollintegrierten Luxusliner.“ Auch Peter Holz weiß von diversen Extrawünschen seiner Kunden zu berichten. Gerade hat ein leidenschaftlicher Festivalbesucher einen Bus mit komfortabler Toilette bestellt – auf diese Weise will der Musikfan von den öffentlichen WC-Anlagen unabhängig werden.